Festival Filmszene Aktuell

Filmschnitt und Teilhabe: Edimotion 2023

Früher war der Filmschnitt ein oft übersehenes Gewerk, aber das Festival Edimotion, ehemals Filmplus, leistet nun seit über 20 Jahren harte Arbeit, um das Wirken von Editor*innen präsenter zu machen und ausreichend zu würdigen. Die 23. Ausgabe des Schnitt- und Montagefestivals findet von Freitag, den 13. Oktober, bis Montag, den 16. Oktober, in Köln statt. Hauptsächliche Veranstaltungsorte sind das Filmforum im Museum Ludwig und das Filmhaus Kino.

Wie jedes Jahr wird auch anno 2023 ein Gast ausgezeichnet, der sich im Bereich des Filmschnitts besonders verdient gemacht – wie die diesjährige Ehrenpreisträgerin Gisela Zick. Diese begann ihre Karriere als Editorin bei Hark Bohms Fernsehfilm Wir pfeifen auf den Gurkenkönig (1976), schnitt über die Jahre hinweg mehrere TV-Filme der Reihen Tatort und Polizeiruf 110, aber auch Kinowerke wie Christoph Hochhäuslers Spielfilmdebüt Milchwald (2003). Genau jene Berliner-Schule-Version des Hänsel-und-Gretel-Stoffes wird auch als Eröffnungsfilm gezeigt, mit dem anwesenden Regisseur als Laudator der Ehrenpreisträgerin. Noch mehr Gisela Zick gibt es beim Gespräch mit ihr am Sonntag, den 15. Oktober, um 18:15 Uhr, und der Vorführung des von ihr geschnittenen Wege in die Nacht (1999) am Montag, den 16. Oktober, um 11 Uhr.

Burning Days

Hinzu kommen viele etablierte Sektionen. Gastland in diesem Jahr ist die Türkei, deren Editoren-Arbeit am Samstagabend gewürdigt wird. Beispielfilm ist der Kleinstadt-Korruptionsthriller Burning Days (2022), der aktuell auch einen deutschen Kinostart bekam und dieses Jahr bereits auf dem Festival „Tüpisch Türkisch“ zu sehen war. Im Filmgespräch zu Burning Days steht das Editoren-Duo aus Eytan Ipeker und Özcan Vardar Rede und Antwort.

Der Themenschwerpunkt dieses Jahr beschäftigt sich mit der Teilhabe marginalisierter Gruppen im Film(schnitt)bereich und speist sich aus drei Veranstaltungen. Zum einen gibt es ein einstündiges Gesprächskreisformat, in dem man nach jeweils 20 Minuten den Gesprächskreis wechseln kann. Insgesamt gibt es drei Gesprächskreise mit verschiedenen Moderator*innen: 1) Die blinde Filmbeschreiberin und Musikerin Andrea Eberl und der sehende Autor und Filmbeschreiber Christian Höynck laden zum Gespräch über Montage in Audiodeskriptionen ein; 2) die Mediengestalter*in, Editor*in und Gründer*in des Studierendennetzwerks „queer@filmschule“ an der ifs Köln Marcel-Jana Urban leitet das Gespräch zum Thema „Der queere Schnitt?“ an; 3) Dr. Ezinne Ezepue, Expertin für afrikanisches Storytelling, widmet sich im englischsprachigen Gesprächskreis dem Thema „Shifting Gaze: Adapting Folk Narrative for Decolonisation and Sustainable Development” (Samstag, 14. Oktober, 15.30 Uhr).

Elfriede Jelinek

Unter dem Thema „Outsider Artists, Outsider Protagonists?“ diskutieren Produzentin und Regisseurin Kim Münster, Protagonistin Yulia Yáñez Schmidt und Editor Ivan Morales Jr. anhand der Filme Spielen oder nicht spielen(2023) und Lost in Face (2021) über den Umgang mit Menschen mit Behinderungen vor und hinter der Kamera (Samstag, 14. Oktober, 16.30 Uhr). Beim Panel „Blickwechsel – Vermeidung kolonialer Muster im Filmemachen und -montieren“ sprechen die Wissenschaftlerin und Dokumentarfilmproduzentin Sara Woldeslassie und der Schnittpreis-prämierte Editor Philipp Diettrich miteinander und runden den Themenschwerpunkt damit ab (Sonntag, 15. Oktober, 19.15 Uhr).

Zwei weitere Programmpunkte beschäftigen sich mit aktuellen Entwicklungen im Film- und Montagebereich. Beiminternationalen Panel diskutieren die Gäste Claudio Cea (Schweiz), Mads Damsbo (Dänemark), Karina Vilela (Brasilien) und Shane Woods (Irland), moderiert von Edimotion-Kurator Dietmar Kraus, über die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz im Bereich des Filmschnitts (Samstag, 14. Oktober, 18.15 Uhr). Ein deutscher Smash-Hit war Im Westen nichts Neues (2022), der gleich vier Oscars bei der diesjährigen Verleihung einsackte, wenn auch nicht im Schnitt-Bereich. Die Tongestaltung musste sich mit einer Nominierung zufrieden geben, Auszeichnungen gab es dafür beim deutschen Filmpreis sowie den British Academy Film Awards. Dementsprechend widmet sich das diesjährige bvft Werkstattgespräch der Frage nach der Wichtigkeit von Tonschnitt und Soundkulisse in diesem Film. Antworten liefern Dialog-Editor Alexander Buck und Sound Designer Frank Kruse als Gäste (Montag, 16. Oktober, 13.30 Uhr).

Natürlich werden auch wieder die Preise in den Kategorien Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilm vergeben. Alle nominierten Filme werden im Rahmen des Festivals gezeigt, die Editor*innen äußern sich in Filmgesprächen nach den Screenings. Darunter sind in diesem Jahr Titel wie İlker Çataks Das Lehrerzimmer (2023), der schon beim deutschen Filmpreis abräumte, das Bataclan-Attentat-Verarbeitungsdrama Meinen Hass bekommt ihr nicht (2022), die Köchinnen-Doku She Chef (2022) oder der KHM-Kurzfilm Muss ja nicht sein, dass es heute ist (2022), der den Deutschen Kurzfilmpreis in Gold gewann.

Die Nominierungen für den Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm in diesem Jahr:

Das Lehrerzimmer
  • Bernd Euscher und Hansjörg Weißbrich für Rivale (2020)
  • Gesa Jäger für Das Lehrerzimmer (2023)
  • Andrea Mertens für Meinen Hass bekommt ihr nicht (2022)
  • Nelly Quettier für Die Linie (2022)
  • Xavier Sirven für Foudre (2022)

Die Nominierungen für den Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm in diesem Jahr:

  • Mechthild Barth für Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen (2022)
  • Stephan Bechinger für She Chef (2023)
  • Carina Mergens für Igor Levit – No Fear (2022)
  • Dieter Pichler für Mutzenbacher (2022)
  • Christof Schertenleib für Unser Vater (2023)

Die Nominierungen für den The Edit Space Förderpreis Schnitt in diesem Jahr:

  • Christian Büttiker für Der Großvater, den es nicht gibt (2022)
  • Selin Dettwiler für Bär (2022)
  • Sophia Groening für Muss ja nicht sein, dass es heute ist (2022)
  • Christiana Perschon für Bildwerden (2022)
  • Julia Sternthal für Am Grat (2022)

An vier proppevollen Programmtagen können interessierte Zuschauer*innen also eine große Bandbreite des deutsch(sprachig)en Schaffens im Bereich der Filmmontage kennenlernen, von nationalen und internationalen Gästen mehr zu brandaktuellen Themen in Sachen Schnitt erfahren und in das Schaffen von Ehrenpreisträgerin Gisela Zick eintauchen.

Alle weiteren Infos zum Programm, den Nominierten und den Tickets gibt es auf der Homepage des Festivals.

Nils Bothmann

Veranstalter*innen..