Schnapszahl: Edimotion wird 22 Jahre alt. Das Festival für Filmschnitt und Montage findet erstmals wieder als reine Präsenzveranstaltung statt. 2020 hatte es zum runden Geburtstag pandemiebedingt eine hybride Ausgabe gegeben, 2021 war das Präsenzfestival durch eine Online-Ausgabe begleitet worden. Edimotion 2022 findet vom Freitag, den 14. Oktober, bis Montag, den 17. Oktober im Filmforum im Museum Ludwig und im Filmhaus statt.
Ehrenpreisträgerin ist die Schweizer Editorin Fee Liechti Seigner, die seit über 40 Jahren im Geschäft ist. Ihr erster Credit als hauptverantwortliche Editorin ist der Spielfilm Das Unglück (1976). In den vergangenen acht Jahren arbeitete Liechti ausschließlich an Kurzfilmen, doch in ihrer jahrzehntelangen Karriere ließ sich die Schweizerin nicht auf eine Gattung festlegen. Sie montierte Spielfilme wie Das Boot ist voll (1981) und Akropolis Now (1984) genauso wie Dokumentationen wie Kleine Freiheit (1978) und Andreas (1988). Ihre Arbeiten verwischten jedoch öfters die Grenzen zwischen den Gattungen – so wie Der Kongress der Pinguine (1993), den das Festival zum Auftakt am Freitag zeigt und der sowohl Elemente des Spiel- als auch des Dokumentarfilms enthält. Der Regisseur des Kinoerfolgs, Hans-Ulrich Schlumpf, ist an jenem Abend ebenfalls zu Gast und hält die Laudatio auf die Ehrenpreisträgerin, mit der er mehrfach zusammenarbeitete. Am Sonntag gibt es zudem ein Werkstattgespräch mit der Schnitt-Koryphäe, am Montag Vormittag ein Double Feature zweier ihrer Arbeiten mit Christoph Straub: Das Gehörlosen-Drama Stille Liebe (2001) und als Vorfilm den 17-Minüter Il Girasole (1995).
Gastland der 2022er Ausgabe ist Spanien. Aus diesem Anlass wird der Kritikerliebling Alcarràs (2022) am Samstag Abend gezeigt, dessen Editorin Ana Pfaff in einem anschließenden Filmgespräch Rede und Antwort steht.
Ein weiterer Themenschwerpunkt lautet „Macht und Montage“. In drei Veranstaltungen wird aufgezeigt, welche Machstrukturen im Filmschnitt bestehen und welchen politischen Einfluss er haben kann. Am Samstag spricht Editorin Rune Schweitzer über meinungsbildende Montage bei Michael Moore, vor allem in dessen immens erfolgreichem Bowling for Columbine (2002). Die Editorinnen Sandra Brandl und Gesa Marten sprechen über Deutungshoheit im Dokumentarfilmschnitt. Beide haben in diesem Feld gearbeitet. Marten jüngst an der AfD-Doku Eine deutsche Partei (2022), deren beobachtender Gestus kontrovers aufgenommen wurde, da sich der Film (vemeintlich) nicht zu seinen Protagonisten positioniert. Brandl wiederum war Editorin bei Flowers of Freedom (2014), bei dem unter anderem die kirgisische Politikerin Erkingül Imankodjoeva portraitiert wurde, der man ein Mitspracherecht einräumte – Teil eines transparenten Entstehungsprozesses oder potentielle Einschränkung der künstlerischen Freiheit? Am Sonntag sprechen der Filmwissenschaftler Dr. Marcus Stiglegger und der Journalist Vladimir Esipov über das beängstigend aktuelle Thema der Montage als Waffe, gerade mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Sehen wir Bilder des Krieges oder einen Krieg der Bilder? Die Montage stellt neue, teilweise falsche Sinnzusammenhänge zwischen Ausschnitten her, wenn die Aufnahmen nicht gleich gefälscht oder manipuliert wurden. Bevor die digitale Forensik den Fake beweisen kann, haben sich die Bilder und die Diskussionen darüber bereits verselbstständigt.
Zudem werden auch wieder die Preise in den Kategorien Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilm vergeben. Alle nominierten Filme werden im Rahmen des Festivals gezeigt, die Editor*innen äußern sich in Filmgesprächen nach den Screenings. Darunter sind in diesem Jahr Titel wie Dominik Grafs Erich-Kästner-Verfilmung Fabian oder der Gang vor die Hunde (2021), das queere Gefängnisdrama Große Freiheit (2021), die Bodybuilderinnen-Doku I Am The Tigress (2021) oder die Resozialisierungsdokumentation Auf Anfang (2021).
Die Nominierungen für den Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm in diesem Jahr:
Fred Baillif für La Mif (2021)
Heike Parplies für Niemand ist bei den Kälbern (2021)
Suzana Pedro für Olga (2021)
Joana Scrinzi für Große Freiheit (2020)
Claudia Wolscht für Fabian oder der Gang vor die Hunde (2021)
Die Nominierungen für den Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm in diesem Jahr:
Yana Höhnerbach und Mike Schlömer für Auf Anfang (2021)
Judy Landkammer für I Am The Tigress (2021)
Anja Pohl für Walchensee Forever (2020)
Stefan Stabenow für Wer wir waren (2021)
Tania Stöcklin für Die Kunst der Stille (2022)
Die Nominierungen für den The Edit Space Förderpreis Schnitt in diesem Jahr:
Ilya Gavrilenkov für Vibration – Inner Music (2022)
Florian Geisseler für Über Wasser (2021)
Nikolai Huber und Nicole Huminski für Drecks Kleingeld (2021)
Neozoon für Biting the Dust (2021)
Svenja Plaas für Topfpalmen (2020)
Edimotion ist nicht nur das erste klimaneutrale Festival in NRW, sondern beweist auch als Präsenzfestival mitten in der Corona-Herbstwelle Weitblick und bittet um Maskentragen während der Screenings sowie Tests vorm Festivalbesuch, obwohl beides nicht vorgeschrieben ist. „Abgesehen davon, dass uns natürlich die Gesundheit aller am Herzen liegt: Das Publikum besteht zu einem großen Teil aus Freiberufler*innen, für die Ausfall durch eine Krankheit mit potentiell erheblichen Langzeitfolgen, auch beruflich schwerwiegende Folgen haben kann. Bitte nehmt aufeinander Rücksicht“, schreibt Edimotion dazu auf seiner Homepage. Weise Worte, welche den angeregten Austausch zur Filmmontage und die Feier der Magie des Schnitts an diesem Wochenende noch etwas sicherer machen wollen.
Alle weiteren Infos zum Festival, den Nominierten und den Tickets gibt es auf der Homepage des Festivals.
Schnapszahl: Edimotion wird 22 Jahre alt. Das Festival für Filmschnitt und Montage findet erstmals wieder als reine Präsenzveranstaltung statt. 2020 hatte es zum runden Geburtstag pandemiebedingt eine hybride Ausgabe gegeben, 2021 war das Präsenzfestival durch eine Online-Ausgabe begleitet worden. Edimotion 2022 findet vom Freitag, den 14. Oktober, bis Montag, den 17. Oktober im Filmforum im Museum Ludwig und im Filmhaus statt.
Ehrenpreisträgerin ist die Schweizer Editorin Fee Liechti Seigner, die seit über 40 Jahren im Geschäft ist. Ihr erster Credit als hauptverantwortliche Editorin ist der Spielfilm Das Unglück (1976). In den vergangenen acht Jahren arbeitete Liechti ausschließlich an Kurzfilmen, doch in ihrer jahrzehntelangen Karriere ließ sich die Schweizerin nicht auf eine Gattung festlegen. Sie montierte Spielfilme wie Das Boot ist voll (1981) und Akropolis Now (1984) genauso wie Dokumentationen wie Kleine Freiheit (1978) und Andreas (1988). Ihre Arbeiten verwischten jedoch öfters die Grenzen zwischen den Gattungen – so wie Der Kongress der Pinguine (1993), den das Festival zum Auftakt am Freitag zeigt und der sowohl Elemente des Spiel- als auch des Dokumentarfilms enthält. Der Regisseur des Kinoerfolgs, Hans-Ulrich Schlumpf, ist an jenem Abend ebenfalls zu Gast und hält die Laudatio auf die Ehrenpreisträgerin, mit der er mehrfach zusammenarbeitete. Am Sonntag gibt es zudem ein Werkstattgespräch mit der Schnitt-Koryphäe, am Montag Vormittag ein Double Feature zweier ihrer Arbeiten mit Christoph Straub: Das Gehörlosen-Drama Stille Liebe (2001) und als Vorfilm den 17-Minüter Il Girasole (1995).
Gastland der 2022er Ausgabe ist Spanien. Aus diesem Anlass wird der Kritikerliebling Alcarràs (2022) am Samstag Abend gezeigt, dessen Editorin Ana Pfaff in einem anschließenden Filmgespräch Rede und Antwort steht.
Ein weiterer Themenschwerpunkt lautet „Macht und Montage“. In drei Veranstaltungen wird aufgezeigt, welche Machstrukturen im Filmschnitt bestehen und welchen politischen Einfluss er haben kann. Am Samstag spricht Editorin Rune Schweitzer über meinungsbildende Montage bei Michael Moore, vor allem in dessen immens erfolgreichem Bowling for Columbine (2002). Die Editorinnen Sandra Brandl und Gesa Marten sprechen über Deutungshoheit im Dokumentarfilmschnitt. Beide haben in diesem Feld gearbeitet. Marten jüngst an der AfD-Doku Eine deutsche Partei (2022), deren beobachtender Gestus kontrovers aufgenommen wurde, da sich der Film (vemeintlich) nicht zu seinen Protagonisten positioniert. Brandl wiederum war Editorin bei Flowers of Freedom (2014), bei dem unter anderem die kirgisische Politikerin Erkingül Imankodjoeva portraitiert wurde, der man ein Mitspracherecht einräumte – Teil eines transparenten Entstehungsprozesses oder potentielle Einschränkung der künstlerischen Freiheit? Am Sonntag sprechen der Filmwissenschaftler Dr. Marcus Stiglegger und der Journalist Vladimir Esipov über das beängstigend aktuelle Thema der Montage als Waffe, gerade mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Sehen wir Bilder des Krieges oder einen Krieg der Bilder? Die Montage stellt neue, teilweise falsche Sinnzusammenhänge zwischen Ausschnitten her, wenn die Aufnahmen nicht gleich gefälscht oder manipuliert wurden. Bevor die digitale Forensik den Fake beweisen kann, haben sich die Bilder und die Diskussionen darüber bereits verselbstständigt.
Zudem werden auch wieder die Preise in den Kategorien Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilm vergeben. Alle nominierten Filme werden im Rahmen des Festivals gezeigt, die Editor*innen äußern sich in Filmgesprächen nach den Screenings. Darunter sind in diesem Jahr Titel wie Dominik Grafs Erich-Kästner-Verfilmung Fabian oder der Gang vor die Hunde (2021), das queere Gefängnisdrama Große Freiheit (2021), die Bodybuilderinnen-Doku I Am The Tigress (2021) oder die Resozialisierungsdokumentation Auf Anfang (2021).
Die Nominierungen für den Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm in diesem Jahr:
Die Nominierungen für den Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm in diesem Jahr:
Die Nominierungen für den The Edit Space Förderpreis Schnitt in diesem Jahr:
Edimotion ist nicht nur das erste klimaneutrale Festival in NRW, sondern beweist auch als Präsenzfestival mitten in der Corona-Herbstwelle Weitblick und bittet um Maskentragen während der Screenings sowie Tests vorm Festivalbesuch, obwohl beides nicht vorgeschrieben ist. „Abgesehen davon, dass uns natürlich die Gesundheit aller am Herzen liegt: Das Publikum besteht zu einem großen Teil aus Freiberufler*innen, für die Ausfall durch eine Krankheit mit potentiell erheblichen Langzeitfolgen, auch beruflich schwerwiegende Folgen haben kann. Bitte nehmt aufeinander Rücksicht“, schreibt Edimotion dazu auf seiner Homepage. Weise Worte, welche den angeregten Austausch zur Filmmontage und die Feier der Magie des Schnitts an diesem Wochenende noch etwas sicherer machen wollen.
Alle weiteren Infos zum Festival, den Nominierten und den Tickets gibt es auf der Homepage des Festivals.
Nils Bothmann