Bereits seit einem Jahr finden jetzt bedingt durch die Pandemie Onlineausgaben von Filmfestivals statt. Das Film Festival Cologne konnte im letzten Oktober noch physisch stattfinden, während das KFFK/Kurzfilmfestival Köln im November online stattfinden musste. Johannes Hensen, Programmleiter des Film Festival Cologne und Johannes Duncker, Festivalleiter des KFFK sprechen über Trends und Entwicklungen von Online Festivals und die Erfahrungen, die eigenen Festivals online umzusetzen oder ins Netz zu erweitern.
Johannes Hensen: Wir haben vom Film Festival Cologne schon früh angefangen Online Festivals zu beobachten, auch weil wir nicht wussten, ob wir selber physisch stattfinden können mit dem Festival. Jetzt ist es natürlich spannend zu sehen, wir sehr sich digitale Festivals ein Jahr später weiterentwickelt haben, bzw. wofür auch immer noch keine gute Lösungen gefunden wurden. Es macht aber mittlerweile schon deutlich mehr Freude an Online Festivals teilzunehmen, was meiner Meinung viel an der Kommunikation der Festivals liegt.
Was allerdings total hinten überfällt, ist, ein Festivalprofil wahrzunehmen. Auf einem physischen Festival spürst du eine gewisse Atmosphäre und das lässt sich online total schwer vermitteln. In der Infrastruktur des Onlineauftritts etwa zwischen Rotterdam und Saarbrücken kann ich den Unterschied kaum noch erkennen, weil alle mit ähnlichen Tools arbeiten. Ich brauche diese Atmosphäre aber auch, um mich auf gewisse Filme einlassen zu können. Das bleibt eine Herausforderung.
Johannes Duncker: Dazu kommt ja noch – und das ist dann Fluch und Seegen zugleich – das man jetzt mehrere Festivals gleichzeitig wahrnehmen kann. Und das ist vielleicht dann bei Kurzfilmen nochmal krasser. Wenn ich dann nur gezielt einzelne Filme gucke, weil ich etwa aus einem Programm schon Filme kenne, heißt das ich gucke vielleicht einen Film aus Clermont-Ferrand, danach einen aus Sundance und dann einen aus Rotterdam. Da wird es natürlich viel schwerer auch eine Linie in der Programmierung der Filme festzustellen.
Es gibt ja auch Versuche all die soziale Interaktion, die sonst auf Festivals stattfinden, online abzubilden, etwa über Chatrooms. In Venedig wurde etwa der Virtual Reality Wettbewerb in einer VR-Erfahrung dargestellt. Man konnte sich durch eine virtuelle Ausstellungshalle bewegen, in der auch die Avatare anderer Besucher*innen zu sehen waren. Die Kommunikationshürde war so relativ gering. Das liegt glaube ich auch daran, dass hier das Anschauen der Arbeiten und die Kommunikationssituation zusammenfallen, ganz ähnlich wie das auch im Kinoraum oder bei einer physischen Ausstellung passieren würde. Ansonsten muss ich sagen, dass ich diese Zusatzangebote bisher nur sehr spärlich genutzt habe.
JH: Ich habe auch das Gefühl, dass es da einen Trend gibt, weg davon, alles live machen zu wollen: diese Gespräche mit fünfzehn Leuten über Zoom, die dann aber leider oft sehr statisch und sehr ermüdend sind. Mittlerweile produzieren mehr und mehr Festivals die Q&As, Gespräche oder Pitches vor, teilweise mit großem Aufwand. Dadurch können sie einfach attraktiver aufbereitet werden. Auf der anderen Seite ist das ein wenig paradox, dass es nicht mehr live ist, d.h. dieser Festivalgedanke von „Ich muss da sein, sonst habe ich das verpasst“ wird quasi aufgehoben. So hat Rotterdam z.B. viele Talks jetzt nach dem Festival noch für längere Zeit online. Da steht für mich die grundlegende Frage hinter: setzt man als Festival auf Exklusivität oder auf möglichst lange Verfügbarkeit und damit auch Sichtbarkeit?
JD: Das finde ich auch spannend, als Festival zu entscheiden, wie lang sind die Zeitfenster, in denen etwa Filmprogramme abrufbar sind. Dadurch, dass ich nicht physisch auf dem Festival bin, bin ich auch nicht so exklusiv für das Festival verfügbar. So wird es schwieriger zu sagen, ich muss um 20 Uhr vor dem Rechner sitzen. Das ist einfach die Realität, dass der Alltag einem da dann viel eher in die Quere kommt.
In Sundance gab es das Modell, das man, nachdem man einen Kurzfilmblock gestartet hat, vier Stunden Zeit hatte ihn zu schauen. Das hat für mich dann einen gewissen Druck generiert, den man sich ja auch manchmal ein bisschen wünscht. Warum geht man ins Kino? Auch, weil man weiß, man ist jetzt die nächsten anderthalb bis zwei Stunden nur für diese Erfahrung da – ohne Ablenkung. Und so weiß ich, ich muss mir jetzt die nächsten zwei Stunden Zeit nehmen und ich hab diesen Block dann vorher für mich reserviert.
JH: Für ein Branchenpublikum finde ich es sinnvoll die Filme länger verfügbar zu machen, da das Praktische da den Exklusivitätsgedanken überwiegt. Ich finde es auch unnötig, wenn ich als Fachbesucher in einen Terminstress komme, denn eigentlich habe ich ja online die Möglichkeit mir einen besseren Terminplan zu bauen. Das reguläre Publikum, was vielleicht nur zwei Filme anguckt, ist vielleicht eher bereit ein gewisses Zeitfenster des Tages dafür zu opfern und freut sich vielleicht auch einen Plan für den Abend zu haben. Das ist sicherlich ein sehr schmaler Grad auf dem man sich da bewegt.
JD: Ich finde es auch interessant, dass online dann auch noch mal ganz andere Faktoren die Frage beeinflussen, welche Filme wie viel gesehen werden. Wir haben es ganz stark bei den Kurzfilmprogrammen unserer Online Ausgabe gemerkt, das natürlich die Filme, die am Anfang der Programme sind, deutlich öfter gesehen werden, als die am Ende. Diesen Effekt hast du so krass im Kino nicht, wenn die Leute einmal da sind, bleiben sie in der Regel. Online bricht man natürlich schneller mal ab.
Wenn man selber auf einem Festival in kurzer Zeit versucht viel zu sehen, kommt es natürlich auch schon vor, das man aus Filmen rausgeht. Diese Hürde ist jetzt online natürlich auch als Programmer viel niedrigschwelliger. Nebenbei wird einem auch selber die Möglichkeit genommen, die Filme in einer Kinosituation wahrzunehmen und das schadet natürlich auch gerade den Filmen, die mir als Zuschauendem vielleicht auch mal ein bisschen mehr abverlangen. Hast du den Eindruck, das könnte auch die Auswahl der Filme beeinflussen?
JH. Ich habe gemerkt, dass es auf jeden Fall sehr darauf ankommt, wie ich die Filme gucke. Ich habe da auch mein Setting optimiert im letzten Jahr. Das Gucken von einzelnen Filmen auf dem Laptop gehört zum Alltag aller Festivalprogrammer. Wenn ich mich aber auf ein ganzes Festival online einlassen will und drei vier Filme am Tag sehen will, dann brauche ich ein gutes Setting dafür und versuche daher so nah wie Möglich an ein Kinoerlebnis dran zu kommen. Das hilft mir auch, mich mehr auf die Filme einzulassen. Gleichzeitig bin ich natürlich geneigt schneller mal etwas auszumachen, was ich im Kino zu Ende geguckt hätte. Auf der anderen Seite habe ich gemerkt, dass ich vielleicht gewisse Filme, die ich abgebrochen habe, dann am nächsten Tag zu Ende geguckt habe. Das wäre natürlich im Kino nicht möglich gewesen und da hätte ich den Film womöglich nie zu Ende sehen können. Aber gerade die Filme, die eigentlich dafür gemacht sind im Kino zu funktionieren, die verlieren garantiert.
Gleichzeitig versuchen viele Festivals ja auch online ein kompakteres Programm anzubieten. Das finde ich eine gute Entwicklung. Wir konnten so etwa in Rotterdam zu dritt fast alles sehen, was für uns relevant war – das hätten wir auf einer physischen Ausgabe nie geschafft.
JD. Das kann natürlich nicht der einzige Maßstab sein. Die großen Festivals, die eine gewisse Marke etabliert haben, haben auch online die Chance, diese weltweit zu nutzen. Für mittelgroße und kleinere Festivals ist das schwieriger. Wir haben ja auch lange dran festgehalten physisch stattzufinden im November. Als wir dann das Festival doch online umsetzen mussten, hatten wir das Glück, dass uns tatsächlich alle Filmemacher*innen ihre Filme zur Verfügung gestellt haben. Und da wir ja auch schon seit ein paar Jahren eine Mediathek auf unserer Website anbieten, hatten wir da auch ein gewissen Know-how wie wir es technisch umsetzen können. Die Online Ausgabe war für uns auch eine ganz gute Möglichkeit Leute auch deutschlandweit zu erreichen. Wir werden auch in Zukunft daran festhalten, einen kleinen Teil des Festivals online zu präsentieren. Mit Kurzfilmen haben wir generell die Chance das es mit Onlineverfügbarkeiten meist ein bisschen einfacher ist als bei Langfilmen, die noch in einer anderen Verwertungslogik stehen. Und gerade für etwas wie unser New Aesthetic Programm, was vielleicht Leute in einer sehr kleinen Nische, aber dafür international interessiert, ist das nochmal ein ganz anderes Potential online Leute zu erreichen.
JD. Ja, das ist allerdings auch etwas, was ich vermisse, der Austausch über die Filme. Das man Empfehlungen über Filme mitbekommt, während man auf dem Festival ist. So wird man ein bisschen auf sich selbst zurück geworfen. Darüber hinaus hat man dann auch bei mittelgroßen oder kleineren Festivals so gut wie keine tagesaktuelle Berichterstattung in der Presse. Das heißt, es gibt auch nicht die Möglichkeit innerhalb des Festivals eine Kritik zu lesen und daraufhin dann vielleicht noch den Film mitzunehmen.
JH. Wir haben das ja auch im letzten Jahr beim Film Festival Cologne versucht, so wenig wie möglich als Option zu sehen, das Festival ins Digitale zu übertragen. Dieser Gedanke hat uns sehr dabei geholfen auch bis zuletzt an der Umsetzung einer physischen Ausgabe festzuhalten. Natürlich war das Timing in der Rückschau ein absoluter Glücksfall und es ist jetzt kaum vorstellbar, dass das so stattfinden konnte. Die klare Haltung für ein physisches Festival, auch mit internationalen Gästen, war in jedem Fall in allen Phasen hilfreich. Festivals eins zu eins ins Digitale übertragen zu wollen, halte ich für keine gute Idee und ich beobachte auch, dass das fast immer schiefgeht. Es braucht da viel innovativere Konzepte und ganz neue Formate. Die große und überregionale Reichweite, die durch ein Onlinefestival potenziell erzielt werden kann, finde ich argumentativ zu kurz gedacht, auch der Standortfaktor kommt dabei häufig gar nicht vor.
JH. Wir haben das Ganze zum Anlass genommen nochmal über generelle Alternativen nachzudenken, wie ein Festival online stattfinden kann. Wir planen, das Festival physisch im Oktober stattfinden zu lassen, haben aber darüber hinaus eine Idee entwickelt, was das Festival über den Festivalzeitraum hinaus bedeutet bzw. was ein Festival online ganzjährig bieten kann. So arbeiten wir gerade daran, eine redaktionelle Content-Plattform zu entwickeln. Dies soll kein Streaming-Angebot sein, sondern eher eine digitale Verstetigung der Inhaltekompetenz, die uns als Festival für unser Publikum ausmacht.
Bereits seit einem Jahr finden jetzt bedingt durch die Pandemie Onlineausgaben von Filmfestivals statt. Das Film Festival Cologne konnte im letzten Oktober noch physisch stattfinden, während das KFFK/Kurzfilmfestival Köln im November online stattfinden musste. Johannes Hensen, Programmleiter des Film Festival Cologne und Johannes Duncker, Festivalleiter des KFFK sprechen über Trends und Entwicklungen von Online Festivals und die Erfahrungen, die eigenen Festivals online umzusetzen oder ins Netz zu erweitern.
Johannes Hensen: Wir haben vom Film Festival Cologne schon früh angefangen Online Festivals zu beobachten, auch weil wir nicht wussten, ob wir selber physisch stattfinden können mit dem Festival. Jetzt ist es natürlich spannend zu sehen, wir sehr sich digitale Festivals ein Jahr später weiterentwickelt haben, bzw. wofür auch immer noch keine gute Lösungen gefunden wurden. Es macht aber mittlerweile schon deutlich mehr Freude an Online Festivals teilzunehmen, was meiner Meinung viel an der Kommunikation der Festivals liegt.
Was allerdings total hinten überfällt, ist, ein Festivalprofil wahrzunehmen. Auf einem physischen Festival spürst du eine gewisse Atmosphäre und das lässt sich online total schwer vermitteln. In der Infrastruktur des Onlineauftritts etwa zwischen Rotterdam und Saarbrücken kann ich den Unterschied kaum noch erkennen, weil alle mit ähnlichen Tools arbeiten. Ich brauche diese Atmosphäre aber auch, um mich auf gewisse Filme einlassen zu können. Das bleibt eine Herausforderung.
Johannes Duncker: Dazu kommt ja noch – und das ist dann Fluch und Seegen zugleich – das man jetzt mehrere Festivals gleichzeitig wahrnehmen kann. Und das ist vielleicht dann bei Kurzfilmen nochmal krasser. Wenn ich dann nur gezielt einzelne Filme gucke, weil ich etwa aus einem Programm schon Filme kenne, heißt das ich gucke vielleicht einen Film aus Clermont-Ferrand, danach einen aus Sundance und dann einen aus Rotterdam. Da wird es natürlich viel schwerer auch eine Linie in der Programmierung der Filme festzustellen.
Es gibt ja auch Versuche all die soziale Interaktion, die sonst auf Festivals stattfinden, online abzubilden, etwa über Chatrooms. In Venedig wurde etwa der Virtual Reality Wettbewerb in einer VR-Erfahrung dargestellt. Man konnte sich durch eine virtuelle Ausstellungshalle bewegen, in der auch die Avatare anderer Besucher*innen zu sehen waren. Die Kommunikationshürde war so relativ gering. Das liegt glaube ich auch daran, dass hier das Anschauen der Arbeiten und die Kommunikationssituation zusammenfallen, ganz ähnlich wie das auch im Kinoraum oder bei einer physischen Ausstellung passieren würde. Ansonsten muss ich sagen, dass ich diese Zusatzangebote bisher nur sehr spärlich genutzt habe.
JH: Ich habe auch das Gefühl, dass es da einen Trend gibt, weg davon, alles live machen zu wollen: diese Gespräche mit fünfzehn Leuten über Zoom, die dann aber leider oft sehr statisch und sehr ermüdend sind. Mittlerweile produzieren mehr und mehr Festivals die Q&As, Gespräche oder Pitches vor, teilweise mit großem Aufwand. Dadurch können sie einfach attraktiver aufbereitet werden. Auf der anderen Seite ist das ein wenig paradox, dass es nicht mehr live ist, d.h. dieser Festivalgedanke von „Ich muss da sein, sonst habe ich das verpasst“ wird quasi aufgehoben. So hat Rotterdam z.B. viele Talks jetzt nach dem Festival noch für längere Zeit online. Da steht für mich die grundlegende Frage hinter: setzt man als Festival auf Exklusivität oder auf möglichst lange Verfügbarkeit und damit auch Sichtbarkeit?
JD: Das finde ich auch spannend, als Festival zu entscheiden, wie lang sind die Zeitfenster, in denen etwa Filmprogramme abrufbar sind. Dadurch, dass ich nicht physisch auf dem Festival bin, bin ich auch nicht so exklusiv für das Festival verfügbar. So wird es schwieriger zu sagen, ich muss um 20 Uhr vor dem Rechner sitzen. Das ist einfach die Realität, dass der Alltag einem da dann viel eher in die Quere kommt.
In Sundance gab es das Modell, das man, nachdem man einen Kurzfilmblock gestartet hat, vier Stunden Zeit hatte ihn zu schauen. Das hat für mich dann einen gewissen Druck generiert, den man sich ja auch manchmal ein bisschen wünscht. Warum geht man ins Kino? Auch, weil man weiß, man ist jetzt die nächsten anderthalb bis zwei Stunden nur für diese Erfahrung da – ohne Ablenkung. Und so weiß ich, ich muss mir jetzt die nächsten zwei Stunden Zeit nehmen und ich hab diesen Block dann vorher für mich reserviert.
JH: Für ein Branchenpublikum finde ich es sinnvoll die Filme länger verfügbar zu machen, da das Praktische da den Exklusivitätsgedanken überwiegt. Ich finde es auch unnötig, wenn ich als Fachbesucher in einen Terminstress komme, denn eigentlich habe ich ja online die Möglichkeit mir einen besseren Terminplan zu bauen. Das reguläre Publikum, was vielleicht nur zwei Filme anguckt, ist vielleicht eher bereit ein gewisses Zeitfenster des Tages dafür zu opfern und freut sich vielleicht auch einen Plan für den Abend zu haben. Das ist sicherlich ein sehr schmaler Grad auf dem man sich da bewegt.
JD: Ich finde es auch interessant, dass online dann auch noch mal ganz andere Faktoren die Frage beeinflussen, welche Filme wie viel gesehen werden. Wir haben es ganz stark bei den Kurzfilmprogrammen unserer Online Ausgabe gemerkt, das natürlich die Filme, die am Anfang der Programme sind, deutlich öfter gesehen werden, als die am Ende. Diesen Effekt hast du so krass im Kino nicht, wenn die Leute einmal da sind, bleiben sie in der Regel. Online bricht man natürlich schneller mal ab.
Wenn man selber auf einem Festival in kurzer Zeit versucht viel zu sehen, kommt es natürlich auch schon vor, das man aus Filmen rausgeht. Diese Hürde ist jetzt online natürlich auch als Programmer viel niedrigschwelliger. Nebenbei wird einem auch selber die Möglichkeit genommen, die Filme in einer Kinosituation wahrzunehmen und das schadet natürlich auch gerade den Filmen, die mir als Zuschauendem vielleicht auch mal ein bisschen mehr abverlangen. Hast du den Eindruck, das könnte auch die Auswahl der Filme beeinflussen?
JH. Ich habe gemerkt, dass es auf jeden Fall sehr darauf ankommt, wie ich die Filme gucke. Ich habe da auch mein Setting optimiert im letzten Jahr. Das Gucken von einzelnen Filmen auf dem Laptop gehört zum Alltag aller Festivalprogrammer. Wenn ich mich aber auf ein ganzes Festival online einlassen will und drei vier Filme am Tag sehen will, dann brauche ich ein gutes Setting dafür und versuche daher so nah wie Möglich an ein Kinoerlebnis dran zu kommen. Das hilft mir auch, mich mehr auf die Filme einzulassen. Gleichzeitig bin ich natürlich geneigt schneller mal etwas auszumachen, was ich im Kino zu Ende geguckt hätte. Auf der anderen Seite habe ich gemerkt, dass ich vielleicht gewisse Filme, die ich abgebrochen habe, dann am nächsten Tag zu Ende geguckt habe. Das wäre natürlich im Kino nicht möglich gewesen und da hätte ich den Film womöglich nie zu Ende sehen können. Aber gerade die Filme, die eigentlich dafür gemacht sind im Kino zu funktionieren, die verlieren garantiert.
Gleichzeitig versuchen viele Festivals ja auch online ein kompakteres Programm anzubieten. Das finde ich eine gute Entwicklung. Wir konnten so etwa in Rotterdam zu dritt fast alles sehen, was für uns relevant war – das hätten wir auf einer physischen Ausgabe nie geschafft.
JD. Das kann natürlich nicht der einzige Maßstab sein. Die großen Festivals, die eine gewisse Marke etabliert haben, haben auch online die Chance, diese weltweit zu nutzen. Für mittelgroße und kleinere Festivals ist das schwieriger. Wir haben ja auch lange dran festgehalten physisch stattzufinden im November. Als wir dann das Festival doch online umsetzen mussten, hatten wir das Glück, dass uns tatsächlich alle Filmemacher*innen ihre Filme zur Verfügung gestellt haben. Und da wir ja auch schon seit ein paar Jahren eine Mediathek auf unserer Website anbieten, hatten wir da auch ein gewissen Know-how wie wir es technisch umsetzen können. Die Online Ausgabe war für uns auch eine ganz gute Möglichkeit Leute auch deutschlandweit zu erreichen. Wir werden auch in Zukunft daran festhalten, einen kleinen Teil des Festivals online zu präsentieren. Mit Kurzfilmen haben wir generell die Chance das es mit Onlineverfügbarkeiten meist ein bisschen einfacher ist als bei Langfilmen, die noch in einer anderen Verwertungslogik stehen. Und gerade für etwas wie unser New Aesthetic Programm, was vielleicht Leute in einer sehr kleinen Nische, aber dafür international interessiert, ist das nochmal ein ganz anderes Potential online Leute zu erreichen.
JD. Ja, das ist allerdings auch etwas, was ich vermisse, der Austausch über die Filme. Das man Empfehlungen über Filme mitbekommt, während man auf dem Festival ist. So wird man ein bisschen auf sich selbst zurück geworfen. Darüber hinaus hat man dann auch bei mittelgroßen oder kleineren Festivals so gut wie keine tagesaktuelle Berichterstattung in der Presse. Das heißt, es gibt auch nicht die Möglichkeit innerhalb des Festivals eine Kritik zu lesen und daraufhin dann vielleicht noch den Film mitzunehmen.
JH. Wir haben das ja auch im letzten Jahr beim Film Festival Cologne versucht, so wenig wie möglich als Option zu sehen, das Festival ins Digitale zu übertragen. Dieser Gedanke hat uns sehr dabei geholfen auch bis zuletzt an der Umsetzung einer physischen Ausgabe festzuhalten. Natürlich war das Timing in der Rückschau ein absoluter Glücksfall und es ist jetzt kaum vorstellbar, dass das so stattfinden konnte. Die klare Haltung für ein physisches Festival, auch mit internationalen Gästen, war in jedem Fall in allen Phasen hilfreich. Festivals eins zu eins ins Digitale übertragen zu wollen, halte ich für keine gute Idee und ich beobachte auch, dass das fast immer schiefgeht. Es braucht da viel innovativere Konzepte und ganz neue Formate. Die große und überregionale Reichweite, die durch ein Onlinefestival potenziell erzielt werden kann, finde ich argumentativ zu kurz gedacht, auch der Standortfaktor kommt dabei häufig gar nicht vor.
JH. Wir haben das Ganze zum Anlass genommen nochmal über generelle Alternativen nachzudenken, wie ein Festival online stattfinden kann. Wir planen, das Festival physisch im Oktober stattfinden zu lassen, haben aber darüber hinaus eine Idee entwickelt, was das Festival über den Festivalzeitraum hinaus bedeutet bzw. was ein Festival online ganzjährig bieten kann. So arbeiten wir gerade daran, eine redaktionelle Content-Plattform zu entwickeln. Dies soll kein Streaming-Angebot sein, sondern eher eine digitale Verstetigung der Inhaltekompetenz, die uns als Festival für unser Publikum ausmacht.