Allgemein Festival Filmszene Aktuell

Sommer, Sonne, Filme – Kölner Kino Nächte 2022

4 Tage, 4 Nächte, 40 Filme, 16 Spielorte – das sind die Kölner Kino Nächte 2022 in nackten Zahlen. Bis zum 3. Juli. sind an vielen Open-Air-Spielorten (z. B. August-Sander-Park, Cinenova, MAKK), klassischen Kinos (z. B. Filmpalast, Filmpalette, Weisshaus Kino) und weiteren Kultureinrichtungen wie dem Bürgerhaus Zollstock oder dem Schauspiel Köln im rechtsrheinischen Schanzenviertel herausragende aktuelle Filme und ein paar Klassiker zu sehen. Allerdings haben sich die Veranstalter:innen ein Wochenende mit reichlich Konkurrenz ausgesucht: Neben Biergartenbesuchen locken das Konzert von Iron Maiden am Samstag, das Hip-Hop-Festival Summerjam das ganze Wochenende über und die Parade von Cologne Pride am Sonntag Besucher an.

Bei den Kölner Kinonächten gehen diverse Programmpunkte über klassische Screenings hinaus. Schon eine der ersten Veranstaltungen, Postcinema in Times of Corona (Donnerstag, 30. Juni, 18 Uhr, Filmpalette), ist ein Programm vieler kurzer Einzelfilme, deren Regisseur:innen die Möglichkeiten und Einschränkungen eines Filmemachens während und nach der Corona-Pandemie untersuchen. Studierende der Kunsthochschule für Medien Köln und der Ruhr-Universität Bochum haben dies in einem gemeinsamen Projekt untersucht, KHM-Professorin Melissa de Raaf und mehrere Studierende der Kölner Kunsthochschule sind zu Gast. Parallel dazu laufen zum Auftakt noch das japanische Fantasy-Drama Fräulein einsam aus dem Jahr 1985 (Donnerstag, 30. Juni, 18 Uhr, Japanisches Kulturinstitut) und die 2020er Künstler-Doku Kunst kommt aus dem Schnabel, wie er gewachsen ist (Donnerstag, 30. Juni, 18.30 Uhr, Filmhaus Köln).

Wer sich auf das erwähnte Iron-Maiden-Konzert cineastisch einstimmen will, der kann dies mit Total Thrash – The Teutonic Story (2022) am 1. Juli im Filmpalast tun. Beziehungsweise könnte es, denn die Premiere der Metal-Doku ist bereits ausverkauft. Regisseur Daniel Hofmann erzählt vom Aufstieg der deutschen Trash-Metal-Szene, die als härteste und schnellste ihrer Zeit galt, mit Fans und Protagonist*innen der Musik als Interviewpartner*innen. Neben dem Filmteam nehmen auch die Bands Sodom und Pripjat an der Veranstaltung teil.

Total Thrash – The Teutonic Story (2022) – leider bereits ausverkauft.

Vom europäischen Arthouse-Film bis zum Hollywood-Blockbuster, vom Kinderfilm bis zum Kurzfilmprogramm sind Screenings für jeden Geschmack dabei, ehe am Sonntag dann schon wieder Schicht im Schacht ist. „Rausschmeißer“ als zeitlich letzte Veranstaltung ist die Vorführung von Willkommen in Siegheilkirchen (2021) im MAKK am Sonntag. Einlass ist um 20:30 Uhr, Filmbeginn bei der Open-Air-Veranstaltung ist jedoch erst bei Einbruch der Dunkelheit. Dabei handelt es sich um eine Preview der österreichischen Animationskomödie.

Unsere Redaktion stellt ein paar persönliche Highlights der diesjährigen Kinonächte vor.

Redaktions-Tipps:

Die Praxis der Liebe (1985)
Donnerstag, 30. Juni, 20 Uhr
Filmforum NRW

In dem Spielfilm-Klassiker der Künstlerin Valie Export wird die Journalistin Judith mit dem männlich dominierten Machtapparat in den Medien und der Politik konfrontiert: Ihre Recherchen werden nicht veröffentlicht und bleiben nur für sie selbst und ihr Privatleben relevant. Valie Exports dritter Langfilm ist nicht-linear erzählt, seine Handlung spinnt sich lose um den Kern eines Kriminalfalls. Die Fäden laufen in der mit Tonbandgeräten und Bildschirmen ausgestatteten Wohnung von Judith zusammen. Private und berufliche Verbindungen queren sich im Liebesdreieck von Judith und ihren beiden Liebhabern Alfons und Josef. Als Vorfilm ist der Kurzfilm Birds of my Weakness (2018) von Úna Quigley zu sehen.

Die Praxis der Liebe (1985) von Valie Export ist im Filmforum NRW zu sehen.

Die Moskauer Prozesse (2014)
Donnerstag, 30. Juni, 21 Uhr
Filmhaus Kino

Pussy Riot auf der Anklagebank der russischen Justiz. Doch diesmal ist es nicht ein weiterer politischer Schauprozess, die die Bandmitglieder tatsächlich erleben mussten. Sondern eine künstlerische Inszenierung unter der Regie von Milo Rau, aus dem sein Dokumentarfilm entstand. Jedoch mit realen Protagonist:innen, inklusive Putin-Freunden, Orthodoxen und faschistischen Kunstfeinden. Die Moskauer Prozesse ist ein beeindruckendes und gerade heute erschreckend-erhellendes Zeitzeugnis einer sich zuspitzenden Radikalisierung, zu deren Folgen auch der Ukraine-Krieg gehört. Produzent Arne Birkenstock spricht anschließend über die Entstehung des Films.

Alles über meine Mutter (1999)
Freitag, 1. Juli, 19 Uhr
Filmforum NRW

Die Krankenschwester Manuela krempelt nach dem Unfalltod ihres 17-jährigen Sohns ihr Leben um. Sie sucht, um seinen letzten Wunsch zu erfüllen, nach dem Vater des Jungen, doch Esteban lebt inzwischen als Lola in Barcelona. Auf der Suche nach ihr baut Manuela sich eine Ersatzfamilie auf, deren Chaos sie ihre Trauer fast vergessen lässt. In seinem vielfach preisgekrönten Meisterwerk fächerte Pedro Almodóvar eine ungewöhnliche Bandbreite des Mutter-Seins auf und schuf einen modernen Klassiker des Queer Cinema und der spanischen Filmgeschichte. In der Reihe »ifs-Begegnung« Edimotion stellen Filmeditor*innen ihre Lieblingsfilme vor mit einem anschließenden Gespräch über die Montage des Films. Nach dem Film spricht die Editorin Ana de Mier y Ortuño, die im Jahr 2019 für den Deutschen Filmpreis – Bester Schnitt nominiert war, über die Montage des Meisterwerks.

Kurzfilme meet Fahrrad-Demo an besonderen Orten in der Stadt. Ausgerichtet vom Kurzfilmfestival Köln. Foto: Paul Hense

Shorts on Wheels
Freitag, 1. Juli, 21.30 Uhr (Start)
August-Sander-Park

Shorts on Wheels ist wieder im gewohnten Format zurück! Kommt mit dem Fahrrad, schmückt euch mit Licht und macht euch gefasst auf die 16. Ausgabe der cineastischen Fahrradtour durch die Kölner Veedel! Mit Beamer und Soundanlage im Gepäck verwandeln wir leere Fassaden und Mauern zu Leinwänden, Hinterhöfe zu Kinosälen und bespielen die Räume der jungen und unabhängigen Kulturszene Kölns mit einer Auswahl an Kurzfilmen. Shorts on Wheels bringt Fahrradkultur und Filmszene auf einzigartige Weise zusammen und lädt dazu ein, neue Orte in der Stadt zu entdecken. Die Tour startet gegen 21.30 Uhr im August-Sander-Park (Nähe Saturn / Hansaring). Der Eintritt ist natürlich frei.

Paddington (2014) – ukrainische Sprachfassung
Samstag, 2. Juli, 14.30 Uhr
Odeon

Die erste Kinoadaption der Kinderbücher von Autor Michael Bond ist längst schon ein kleiner Klassiker des Familienkinos. Im ersten Teil der Reihe kommt der titelgebende Bär in London an, wo er bei Familie Brown unterkommt und ins Blickfeld einer gerissenen Tierpräparatorin (sensationell fies: Nicole Kidman) gerät. Im Original spricht Ben Whishaw den Bären, in der deutschen Fassung Elyas M’Barek und in der ukrainischen Synchronisation Wlodymyr Selenskyj, der damalige Schauspieler, Komiker und Synchronsprecher und heutige Präsident des Landes. Genau in dieser Sprachfassung zeigen die Kinonächte den Film und laden ukrainische Geflüchtete sowie deren Helfer ein. Der Eintritt ist frei.

Im Himmel ist die Hölle los (1984) mit Gästen
Samstag, 2. Juli, 18 Uhr
Filmhaus Kino

Was wären die 80er und 90er Jahre ohne Kölner Kult-Stars wie Dirk Bach, Ralph Morgenstern, Samy Orfgen oder Dada Stievermann? Zum Zeitpunkt der Filmroduktion waren sie noch völlig unbekannt, bei Wally Bockmayer in die „Lehre“ gegangen, haben sie durch ihre Auftritte in seinen Film- und Theaterproduktionen Erfolge feiern und später bundesweite Bekanntheit erlangen können. Hier zu sehen in der genialen musikalischen Mediensatire Im Himmel ist die Hölle los über die „heile Welt“ des Unterhaltungsfernsehens. Als weitsichtige, witzige und schrille Persiflage auf das noch junge Privatfernsehen zählt die Komödie mit zu den besten und eigenwilligsten der 80er-Jahre. Sie ist zugleich ein Zeugnis der großen Kreativität, die der Kölner queeren Community dieser Zeit entsprang. Für ein anschließendes Filmgespräch werden Ralph Morgenstern, Samy Orfgen und Dada Stievermann zu Gast sein!

Beim Screening von Im Himmel ist die Hölle los (1984) sind auch Ralph Morgenstern, Samy Orfgen und Dada Stievermann zu Gast.

Mad Max: Fury Road (2015)
Samstag, 2. Juli, 23 Uhr
Weisshaus Kino

Blut, Schweiß, Chrom – der vierte Teil der Mad Max-Reihe, in dem Tom Hardy die Titelrolle von Mel Gibson übernimmt, ist eine Actionoper der Extraklasse, vom 70-jährigen George Miller mit der Virilität eines 30-Jährigen inszeniert. Noch dazu mit feministischem Touch: Max erhält mit der toughen Imperator Furiosa (Charlize Theron) eine gleichwertige Partnerin. Mad Max: Fury Road erhielt 2016 nicht nur Oscars in technischen Kategorien, sondern war – fürs Actionkino eine Seltenheut – auch in Sparten wie beste Regie und bester Film nominiert. Die Poesie der Bilder und die Attraktion der Action dieses Spektakels sollte man auf Großleinwand gesehen haben.

Supermarkt (1974) mit Regisseur Roland Klick
Sonntag, 3. Juli, 19 Uhr
Filmhaus Kino

Superman – Supergirl – Supermarkt. Die Welt, in der man alles kaufen kann. Träume gegen Bargeld. Wer zahlt, hat recht. Wer nicht zahlen kann, der schießt … Supermarkt ist „ein Film über die Kunst mit einer eisernen Scheckkarte einkaufen zu gehen“ (Roland Klick), ein Actionthriller aus dem Großstadtdschungel, in der Tradition von Filmen wie Scorsese’s Taxi Driver. Hinter der Kamera stand der noch unbekannte Jost Vacano, der später für die spektakulären Kamerafahrten in Wolfgang Petersens Das Boot verantwortlich zeichnete, bevor er Regielegende Paul Verhoeven mit seiner Karriere Richtung Hollywood abbog. Der Regisseur Roland Klick wird bei der Filmvorführung und für ein anschließendes Filmgespräch anwesend sein.

Nils Bothmann & Werner Busch
Titelbild: Alles über meine Mutter (1999)

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