Amin Farzanefar kuratiert verschiedene Filmreihen in Köln wie „Tüpisch Türkisch“ und ist Festivalleiter des iranischen Filmfestival „Visions of Iran“, das heute im Filmforum Kino im Museum Ludwig startet. Außerdem ist er als freier Journalist und Autor tätig. Als Filmkritiker besucht er regelmäßig Filmfestivals u. a. in Iran, Kairo, Afghanistan, Türkei und Tunesien. Mit Journalistin Maxi Braun sprach er über seine Arbeit.
Maxi Braun: Was bedeutet interkulturelle Filmvermittlung für Sie?
Amin Farzanefar: Filmvermittlung ist ja an sich fast immer »interkulturell« – unser Alltag, unsere Sprache, unser Habitus ist stark durch Filme aus Hollywood, aus England, Frankreich, Italien und auch aus anderen Ländern geprägt. Und jenseits bekannter Filmkulturen gibt es eine ganze Welt zu entdecken. An dieser Stelle setzen auch Festivals wie „Tüpisch Türkisch“ oder „Visions of Iran“ an. Außerdem organisieren wir seit 2015 noch ein Programm von und für Geflüchtete. Damals hieß es, Geflüchtete sollen Deutsch lernen und sich in die Kultur und die Strukturen integrieren. Wir haben uns aber gefragt: Was können wir andersherum von den Geflüchteten erfahren, die selbst auch eigene Filmkulturen mitbringen? Zuletzt gab es im Mai eine schöne Kooperation mit Gästen von Kino Asyl aus München und Filmen aus Afghanistan und der Ukraine.
Warum sind Festivals für diese Form der Filmvermittlung besonders geeignet?
Auf internationalen Festivals erlebt man ein großes Angebot an Filmnationen, von denen man früher gar nicht wusste, dass es sie gibt. Und auch allgemein hat das Publikum dort Bereitschaft, sich auf Neues, Unbekanntes einzulassen – im Kino wird nicht weggezappt oder auf Pause gedrückt. Und Festivals bieten Anlass, um direkt miteinander in Kontakt zu kommen – bei den Filmgesprächen mit den Regisseur:innen oder auch mit anderen Gästen. Bei uns ist es am schönsten, wenn die Diskussion im Foyer oder später sogar noch bei einem gemeinsamen Essen fortgesetzt wird.
Welche Herausforderungen stellen sich bei der Programmierung?
Ein Kriterium ist die Übersetzbarkeit. Es sollte in den Filmen um universal menschliche Thematiken gehen. Der ein oder andere Film wird aber nur in Iran oder der Türkei verstanden, weil hierzulande der Kontext fehlen würde. Und wir wollen mit beiden Festivals auch, aber nicht nur die jeweiligen Communities ansprechen. Deswegen zeigen wir die Filme selbstverständlich auch mit Untertiteln. Ich spreche ja zum Beispiel auch gar kein Türkisch. Dem »biodeutschen«, kulturaffinen Publikum fehlt trotzdem oft noch der letzte Impuls, einfach mal bei uns vorbeizukommen.
Wie politisch ist interkulturelle Filmvermittlung?
Ursprünglich stand der politische Aspekt nicht im Vordergrund. Der Anlass für Tüpisch Türkisch war 2004 der Aufschwung des türkischen beziehungsweise deutsch‐türkischen Kinos. International dank Nuri Bilge Ceylan oder durch Fatih Akins Erfolg hierzulande. Da es für die 60.000 türkischstämmigen Menschen allein in Köln kein Angebot gab, haben wir mit dem Festival eines geschaffen. Bei „Visions of Iran“ wollten wir abseits der Schlagzeilen einen diversen Iran zeigen und das fast schon postmoderne, urbane Teheran kuratorisch mit den traditionellen Lebensweisen etwa im Südiran konfrontieren. Es gibt dort eine ganz andere Ästhetik und Bildsprachen zu entdecken, die von afrikanisch‐indischen Einflüssen geprägt sind. In den letzten Jahren konnten wir aber die teilweise dramatischen politischen Entwicklungen beider Länder nicht ignorieren, das beschäftigt unser Publikum – und auch die Filmschaffenden.
Was hat sich an Ihrer Arbeit in den vergangenen Jahren noch verändert?
Wir sind an einem Punkt, wo besonders die jüngere Generation ein verstärktes Interesse an Globalisierungsthemen und Interkulturalität mitbringt. Auch queere Zuschauer:innen gehen mit einem geschärften Bewusstsein in unsere türkischen oder iranischen Filme, was wir toll finden. Wir werden auch von informellen Kino‐Orten wie soziokulturellen Zentren vermehrt wegen Nachspiel oder Kooperationen angefragt. Das Kino wagt sich postpandemisch so an neue Orte vor. Außerdem versuchen wir noch intensiver mit möglichst vielen Kölner Festivals zu kooperieren. Denn über den interkulturellen Aspekt hinaus kann das Kino insgesamt alle Verbündeten und Mitstreiter:innen gebrauchen.
Interview: Maxi Braun
Dieses Interview erschien zuerst im Magazin der Film- und Medienstiftung NRW, Ausgabe 2/2023.
Amin Farzanefar kuratiert verschiedene Filmreihen in Köln wie „Tüpisch Türkisch“ und ist Festivalleiter des iranischen Filmfestival „Visions of Iran“, das heute im Filmforum Kino im Museum Ludwig startet. Außerdem ist er als freier Journalist und Autor tätig. Als Filmkritiker besucht er regelmäßig Filmfestivals u. a. in Iran, Kairo, Afghanistan, Türkei und Tunesien. Mit Journalistin Maxi Braun sprach er über seine Arbeit.
Maxi Braun: Was bedeutet interkulturelle Filmvermittlung für Sie?
Amin Farzanefar: Filmvermittlung ist ja an sich fast immer »interkulturell« – unser Alltag, unsere Sprache, unser Habitus ist stark durch Filme aus Hollywood, aus England, Frankreich, Italien und auch aus anderen Ländern geprägt. Und jenseits bekannter Filmkulturen gibt es eine ganze Welt zu entdecken. An dieser Stelle setzen auch Festivals wie „Tüpisch Türkisch“ oder „Visions of Iran“ an. Außerdem organisieren wir seit 2015 noch ein Programm von und für Geflüchtete. Damals hieß es, Geflüchtete sollen Deutsch lernen und sich in die Kultur und die Strukturen integrieren. Wir haben uns aber gefragt: Was können wir andersherum von den Geflüchteten erfahren, die selbst auch eigene Filmkulturen mitbringen? Zuletzt gab es im Mai eine schöne Kooperation mit Gästen von Kino Asyl aus München und Filmen aus Afghanistan und der Ukraine.
Warum sind Festivals für diese Form der Filmvermittlung besonders geeignet?
Auf internationalen Festivals erlebt man ein großes Angebot an Filmnationen, von denen man früher gar nicht wusste, dass es sie gibt. Und auch allgemein hat das Publikum dort Bereitschaft, sich auf Neues, Unbekanntes einzulassen – im Kino wird nicht weggezappt oder auf Pause gedrückt. Und Festivals bieten Anlass, um direkt miteinander in Kontakt zu kommen – bei den Filmgesprächen mit den Regisseur:innen oder auch mit anderen Gästen. Bei uns ist es am schönsten, wenn die Diskussion im Foyer oder später sogar noch bei einem gemeinsamen Essen fortgesetzt wird.
Welche Herausforderungen stellen sich bei der Programmierung?
Ein Kriterium ist die Übersetzbarkeit. Es sollte in den Filmen um universal menschliche Thematiken gehen. Der ein oder andere Film wird aber nur in Iran oder der Türkei verstanden, weil hierzulande der Kontext fehlen würde. Und wir wollen mit beiden Festivals auch, aber nicht nur die jeweiligen Communities ansprechen. Deswegen zeigen wir die Filme selbstverständlich auch mit Untertiteln. Ich spreche ja zum Beispiel auch gar kein Türkisch. Dem »biodeutschen«, kulturaffinen Publikum fehlt trotzdem oft noch der letzte Impuls, einfach mal bei uns vorbeizukommen.
Wie politisch ist interkulturelle Filmvermittlung?
Ursprünglich stand der politische Aspekt nicht im Vordergrund. Der Anlass für Tüpisch Türkisch war 2004 der Aufschwung des türkischen beziehungsweise deutsch‐türkischen Kinos. International dank Nuri Bilge Ceylan oder durch Fatih Akins Erfolg hierzulande. Da es für die 60.000 türkischstämmigen Menschen allein in Köln kein Angebot gab, haben wir mit dem Festival eines geschaffen. Bei „Visions of Iran“ wollten wir abseits der Schlagzeilen einen diversen Iran zeigen und das fast schon postmoderne, urbane Teheran kuratorisch mit den traditionellen Lebensweisen etwa im Südiran konfrontieren. Es gibt dort eine ganz andere Ästhetik und Bildsprachen zu entdecken, die von afrikanisch‐indischen Einflüssen geprägt sind. In den letzten Jahren konnten wir aber die teilweise dramatischen politischen Entwicklungen beider Länder nicht ignorieren, das beschäftigt unser Publikum – und auch die Filmschaffenden.
Was hat sich an Ihrer Arbeit in den vergangenen Jahren noch verändert?
Wir sind an einem Punkt, wo besonders die jüngere Generation ein verstärktes Interesse an Globalisierungsthemen und Interkulturalität mitbringt. Auch queere Zuschauer:innen gehen mit einem geschärften Bewusstsein in unsere türkischen oder iranischen Filme, was wir toll finden. Wir werden auch von informellen Kino‐Orten wie soziokulturellen Zentren vermehrt wegen Nachspiel oder Kooperationen angefragt. Das Kino wagt sich postpandemisch so an neue Orte vor. Außerdem versuchen wir noch intensiver mit möglichst vielen Kölner Festivals zu kooperieren. Denn über den interkulturellen Aspekt hinaus kann das Kino insgesamt alle Verbündeten und Mitstreiter:innen gebrauchen.
Interview: Maxi Braun
Dieses Interview erschien zuerst im Magazin der Film- und Medienstiftung NRW, Ausgabe 2/2023.