Am 11. Dezember fand im Filmhaus Köln das Symposium „Eskalation. Diskussionskultur im Medienwandel“ statt. Die ganztägige Veranstaltung des Filmbüro NW widmete sich dem Konzept der gewaltfreien Kommunikation, Meinungsfreiheit im Film und politischem Diskurs. Emotionalität in gesellschaftlichen Debatten und die Strahlkraft von Social Media standen dabei häufig im Mittelpunkt.
In einem einleitenden Grußwort nutzt Sonja Hofmann, Geschäftsführerin vom Filmbüro NW, den Titel der nächsten Berlinale Talents Sektion 2025, die „Listen Courageously – Cinematic Narratives in Times of Dissonance“ heißen wird, um auch für das Symposium an die Notwendigkeit des Zuhörens und miteinander Sprechens zu erinnern. Um das Gegenüber zu verstehen und in einen Austausch zu kommen, vor dem Hintergrund einer ambivalenten und sich eskalierenden Diskussionskultur.
Es folgen zwei Keynotes, die diese Form des Verstehens auf die Probe stellen sollen. Jenni Zylka erwähnt, dass Eskalation entstehen kann, wenn es zum Missverständnis zwischen Sprache und Humor kommt. Die Schwierigkeit in der Vermittlung von Humor und Ironie legt dabei offen, wie zeitanfällig Humor ist und Sprachgebrauch und -Wandel dazu führen, dass sich Sinnzusammenhänge ändern und Personengruppen einander (miss)verstehen.
Die Keynote von Marcus Bösch, so seine Worte, war zwar erst vor wenigen Tagen fertigstellt, sei aber bereits heute schon wieder total veraltet. Die Schnelligkeit des Mediendiskurses macht er an der Memeculture fest, anhand derer er den Aufstieg von Haliey Welch (‚Hawk Tuah Girl‘) mit dem Wahlkampf Donald Trumps zusammenführt. Außerdem geht es um Luigi Mangione, der am 4. Dezember den CEO der United Health Group, Brian Thompson, erschossen hat, vor dem Hintergrund des alles bestimmenden ‚it is what is‘-Memes.
Marcus Seibert öffnet das Panel für die Gäst:innen, die neben Marcus Bösch auch die beiden Social Media Redakteurinnen Özge Asanbayli und Viktoria Parker von Deutschlandfunk Nova, den Relations Manager Marcello V. Orlik vom Volksverpetzer und die Regisseur:innen Esra und Patrick Phul einlädt, die die Netflix-Serie „Hype“ verantworten, um über die Potentiale und Gefahren von Social Media und im speziellen TikTok und Instagram, zu sprechen.
Im Gespräch geht es um unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten von Social Media, dem digitalen Raum als solchem, gerahmt von Hierarchisierung, Hass und Hetze. Und es geht auch um Perspektiven, Chancen und Konzepte, diese neuen Räume subversiver zu erschließen und gegen rechte Polemik vorzugehen. Marcello V. Orlik berichtet von Strategien des Volksverpetzers, die im digitalen Raum eine Moderation möglich macht und außerhalb dessen – wie beispielsweise auf der letzten Frankfurter Buchmesse, die Platz für rechte Verlage bot – so nicht funktioniert und die Diskrepanz zwischen On- und Offlinewelt offenlegt. Im Gegenzug zeigen Esra und Patrick Phul, die von Rassismus-Erfahrungen bei Pitches berichten, inwiefern Social Media ihnen überhaupt erst die Möglichkeit bot, ihren Cast zu rekrutieren und auf ihre Idee und spätere Vermarktung der Serie aufmerksam zu machen.
Emotionen, die Eskalation implizieren, sind Mittelpunkt von Panel Nummer zwei. Lara Kuom, Leiterin des Panels, öffnet mit der Frage, wie mit (politischen) Gefühlen und der Emotionalität in Debatten und Diskursen umzugehen ist. Dazu berichtet Leopold Grün, Filmemacher und Geschäftsführer von Vision Kino, von den Dreharbeiten des Dokumentarfilms „Am Ende der Milchstraße“, der in dem kleinen 50-Seelen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern gedreht wurde und die Lebensrealitäten der Menschen abbildet. Es geht um die Frage, welche Räumen bestehen gegenüberstellt dem, was erzeugt wird, erzeugt werden kann, oder auch werden muss. Welche Räume erlauben es also, wem und auch wo über Emotionen zu sprechen? Und was benötigt ein Raum, um Eskalation zuzulassen – und ist Eskalation überhaupt nur positiv besetzt?
All das entwickelt ein Geflecht aus der Rolle der Moderation, des Publikums und dem Framing von Veranstaltung und Inhalten, die Haltung bedingen. Im Gespräch wird an die Erfahrungen eines geplanten Screenings von „Liebe, D-Mark und Tod“ von Cem Kaya erinnert, welches vom Bürgerverein Volkhoven/Weiler v. 1955 e.V. aufgrund der hanebüchenen Sorge vor ‚Ressentiments gegenüber Deutschen‘ abgesagt wurde und zeigt, wie rechtes Gedankengut als Emotionalität instrumentalisiert wird. Dies macht deutlich, dass rechte Hetze von Emotionalität durchtränkt, sich nicht im Zuge einer Eskalation befindet, sondern eskaliert ist!
Die andere Hälfte des Symposiums beginnt mit einem Panel zur Zensur und Meinungsfreiheit im Netz und Film. Dazu hält Prof. Dr. Marc Ziegele von der HHU Düsseldorf einen Vortrag über Hasssprache im Netz und veranschaulicht anhand von empirischen Studien, dass sich rund 80% der Deutschen nicht in den Kommentarspalten von (sozialen) Plattformen bewegen. Der Jurist Dr. Jörg Frederik Ferreau knüpft an, was als rechtswidrig so auch zur Anzeige gebracht werden kann, und verdeutlicht die Komplexität des Spielraums zwischen Hasssprache und Meinungsfreiheit und Meinungsäußerungen, die rechtswidrig oder systemkonform sein können. Ebenjene Rechtsfragen bieten einen Verbindungspunkt zu den beiden vorherigen Panels, nämlich welchen Raum Plattformen haben und wo interveniert werden kann, um populistischen Stimmen weniger Fläche zu bieten und ihnen sinnstiftender zu begegnen. Zensur von ebenjenen Stimmen zu fordern sei dabei weniger fördernd für den Diskurs, denn es muss viel eher darum gehen, diese Stimmen inhaltlich zu stellen, ohne ihnen die Kritik allzu einfach zu machen.
Im letzten Panel des Tages rekurrieren Johanna Faltinat und Letícia Milano vom Büro für vielfältiges Erzählen auf die Probleme einer Dominanzgesellschaft, die sowohl Akzeptanz von Gewalt in Sprache und Tat als auch das Konstrukt einer Leitkultur propagiert, die weiß und ableistisch organisiert ist. Gezielt wird dabei nicht der Begriff einer Mehrheitsgesellschaft verwendet, um das Narrativ zu entrücken und die Unterdrückungen nicht zu verharmlosen. Es braucht neue Formen des Erzählens, um Beteiligung von bisher ungehörten und unausgesprochenen Stimmen überhaupt zu ermöglichen und auch eine Sprache gefreit von Diskriminierung, was in einer Übung mit dem Publikum durch Formen des Sprechens über und mit anderen geprobt wird. In der Bewegung der Disability Studies beispielswese heißt es ‘nichts über uns ohne uns’, was die vier Panel zum Schluss noch einmal zusammenführt, ging es doch in allen um das (Er)lernen von Diskussionskultur, die Medienwandel überhaupt antreibt. Wenngleich Social Media ein verhältnismäßig junges Phänomen für Debattenkultur ist und sich dessen Ausmaß erst noch bemessen lassen wird, so formt es nichtsdestoweniger oktopusartig jeglichen Diskurs, wie auch den des Symposiumstages.
Am 11. Dezember fand im Filmhaus Köln das Symposium „Eskalation. Diskussionskultur im Medienwandel“ statt. Die ganztägige Veranstaltung des Filmbüro NW widmete sich dem Konzept der gewaltfreien Kommunikation, Meinungsfreiheit im Film und politischem Diskurs. Emotionalität in gesellschaftlichen Debatten und die Strahlkraft von Social Media standen dabei häufig im Mittelpunkt.
In einem einleitenden Grußwort nutzt Sonja Hofmann, Geschäftsführerin vom Filmbüro NW, den Titel der nächsten Berlinale Talents Sektion 2025, die „Listen Courageously – Cinematic Narratives in Times of Dissonance“ heißen wird, um auch für das Symposium an die Notwendigkeit des Zuhörens und miteinander Sprechens zu erinnern. Um das Gegenüber zu verstehen und in einen Austausch zu kommen, vor dem Hintergrund einer ambivalenten und sich eskalierenden Diskussionskultur.
Es folgen zwei Keynotes, die diese Form des Verstehens auf die Probe stellen sollen. Jenni Zylka erwähnt, dass Eskalation entstehen kann, wenn es zum Missverständnis zwischen Sprache und Humor kommt. Die Schwierigkeit in der Vermittlung von Humor und Ironie legt dabei offen, wie zeitanfällig Humor ist und Sprachgebrauch und -Wandel dazu führen, dass sich Sinnzusammenhänge ändern und Personengruppen einander (miss)verstehen.
Die Keynote von Marcus Bösch, so seine Worte, war zwar erst vor wenigen Tagen fertigstellt, sei aber bereits heute schon wieder total veraltet. Die Schnelligkeit des Mediendiskurses macht er an der Memeculture fest, anhand derer er den Aufstieg von Haliey Welch (‚Hawk Tuah Girl‘) mit dem Wahlkampf Donald Trumps zusammenführt. Außerdem geht es um Luigi Mangione, der am 4. Dezember den CEO der United Health Group, Brian Thompson, erschossen hat, vor dem Hintergrund des alles bestimmenden ‚it is what is‘-Memes.
Marcus Seibert öffnet das Panel für die Gäst:innen, die neben Marcus Bösch auch die beiden Social Media Redakteurinnen Özge Asanbayli und Viktoria Parker von Deutschlandfunk Nova, den Relations Manager Marcello V. Orlik vom Volksverpetzer und die Regisseur:innen Esra und Patrick Phul einlädt, die die Netflix-Serie „Hype“ verantworten, um über die Potentiale und Gefahren von Social Media und im speziellen TikTok und Instagram, zu sprechen.
Im Gespräch geht es um unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten von Social Media, dem digitalen Raum als solchem, gerahmt von Hierarchisierung, Hass und Hetze. Und es geht auch um Perspektiven, Chancen und Konzepte, diese neuen Räume subversiver zu erschließen und gegen rechte Polemik vorzugehen. Marcello V. Orlik berichtet von Strategien des Volksverpetzers, die im digitalen Raum eine Moderation möglich macht und außerhalb dessen – wie beispielsweise auf der letzten Frankfurter Buchmesse, die Platz für rechte Verlage bot – so nicht funktioniert und die Diskrepanz zwischen On- und Offlinewelt offenlegt. Im Gegenzug zeigen Esra und Patrick Phul, die von Rassismus-Erfahrungen bei Pitches berichten, inwiefern Social Media ihnen überhaupt erst die Möglichkeit bot, ihren Cast zu rekrutieren und auf ihre Idee und spätere Vermarktung der Serie aufmerksam zu machen.
Emotionen, die Eskalation implizieren, sind Mittelpunkt von Panel Nummer zwei. Lara Kuom, Leiterin des Panels, öffnet mit der Frage, wie mit (politischen) Gefühlen und der Emotionalität in Debatten und Diskursen umzugehen ist. Dazu berichtet Leopold Grün, Filmemacher und Geschäftsführer von Vision Kino, von den Dreharbeiten des Dokumentarfilms „Am Ende der Milchstraße“, der in dem kleinen 50-Seelen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern gedreht wurde und die Lebensrealitäten der Menschen abbildet. Es geht um die Frage, welche Räumen bestehen gegenüberstellt dem, was erzeugt wird, erzeugt werden kann, oder auch werden muss. Welche Räume erlauben es also, wem und auch wo über Emotionen zu sprechen? Und was benötigt ein Raum, um Eskalation zuzulassen – und ist Eskalation überhaupt nur positiv besetzt?
All das entwickelt ein Geflecht aus der Rolle der Moderation, des Publikums und dem Framing von Veranstaltung und Inhalten, die Haltung bedingen. Im Gespräch wird an die Erfahrungen eines geplanten Screenings von „Liebe, D-Mark und Tod“ von Cem Kaya erinnert, welches vom Bürgerverein Volkhoven/Weiler v. 1955 e.V. aufgrund der hanebüchenen Sorge vor ‚Ressentiments gegenüber Deutschen‘ abgesagt wurde und zeigt, wie rechtes Gedankengut als Emotionalität instrumentalisiert wird. Dies macht deutlich, dass rechte Hetze von Emotionalität durchtränkt, sich nicht im Zuge einer Eskalation befindet, sondern eskaliert ist!
Die andere Hälfte des Symposiums beginnt mit einem Panel zur Zensur und Meinungsfreiheit im Netz und Film. Dazu hält Prof. Dr. Marc Ziegele von der HHU Düsseldorf einen Vortrag über Hasssprache im Netz und veranschaulicht anhand von empirischen Studien, dass sich rund 80% der Deutschen nicht in den Kommentarspalten von (sozialen) Plattformen bewegen. Der Jurist Dr. Jörg Frederik Ferreau knüpft an, was als rechtswidrig so auch zur Anzeige gebracht werden kann, und verdeutlicht die Komplexität des Spielraums zwischen Hasssprache und Meinungsfreiheit und Meinungsäußerungen, die rechtswidrig oder systemkonform sein können. Ebenjene Rechtsfragen bieten einen Verbindungspunkt zu den beiden vorherigen Panels, nämlich welchen Raum Plattformen haben und wo interveniert werden kann, um populistischen Stimmen weniger Fläche zu bieten und ihnen sinnstiftender zu begegnen. Zensur von ebenjenen Stimmen zu fordern sei dabei weniger fördernd für den Diskurs, denn es muss viel eher darum gehen, diese Stimmen inhaltlich zu stellen, ohne ihnen die Kritik allzu einfach zu machen.
Im letzten Panel des Tages rekurrieren Johanna Faltinat und Letícia Milano vom Büro für vielfältiges Erzählen auf die Probleme einer Dominanzgesellschaft, die sowohl Akzeptanz von Gewalt in Sprache und Tat als auch das Konstrukt einer Leitkultur propagiert, die weiß und ableistisch organisiert ist. Gezielt wird dabei nicht der Begriff einer Mehrheitsgesellschaft verwendet, um das Narrativ zu entrücken und die Unterdrückungen nicht zu verharmlosen. Es braucht neue Formen des Erzählens, um Beteiligung von bisher ungehörten und unausgesprochenen Stimmen überhaupt zu ermöglichen und auch eine Sprache gefreit von Diskriminierung, was in einer Übung mit dem Publikum durch Formen des Sprechens über und mit anderen geprobt wird. In der Bewegung der Disability Studies beispielswese heißt es ‘nichts über uns ohne uns’, was die vier Panel zum Schluss noch einmal zusammenführt, ging es doch in allen um das (Er)lernen von Diskussionskultur, die Medienwandel überhaupt antreibt. Wenngleich Social Media ein verhältnismäßig junges Phänomen für Debattenkultur ist und sich dessen Ausmaß erst noch bemessen lassen wird, so formt es nichtsdestoweniger oktopusartig jeglichen Diskurs, wie auch den des Symposiumstages.
Jonas Neldner
Fotos: Conny Beißler / Filmbüro NW