Slider

Junge Perspektiven auf osteuropäisches Kino: goEast im Filmhaus Köln

Im Rahmen eines Filmbildungsprojekts des Filmhaus Köln besuchten Studierende das renommierte goEast-Festival in Wiesbaden – nun bringen sie zwei außergewöhnliche Filme und spannende Gäste mit zurück nach Köln die am 10. und 19. Juni zu sehen sein werden. Filmszene Köln hat im Vorfeld mit Lara Alyssa Neuhaus gesprochen, die an der Planung mitwirkt.

Von Jonas Neldner.


Vom 23. bis 29. April fand die 25. Ausgabe des goEast-Festivals statt. Auch in diesem Jahr haben Student:innen im Zuge des Filmbildungsprojekts vom Filmhaus Köln das Festival besucht um nachträglich zwei Abende im Filmhaus zu veranstalten, bei denen Festivalbeiträge gezeigt werden und anschließende Gespräche den Abend abrunden. An beiden Abenden übernehmen die Student:innen des Projekts die Moderation und Planung.

Vorab sprach Filmszene Köln mit der Studentin Lara Alyssa Neuhaus, die zu den Teilnehmer:innen des Seminars gehört und an der Moderation und Planung der beiden Filmabende mitwirkt.

Am Dienstag, den 10. Juni, wird “My Armenian Phantoms” (2025) gezeigt. Ein Dokumentarfilm der aus Familienaufnahmen, Archivbildern und ikonischen Filmszenen montiert ist, generiert eine Hommage an Privates, Politisches, Verlust und filmische Utopien der armenischen Geschichte. In dem anschließenden Gespräch ist die Regisseurin Tamara Stepanyan eingeladen und das Gespräch findet in englischer Sprache statt.

Am 19. Juni geht es mit “My Grandmother” knapp 100 Jahre zurück. Mit Livemusik begleitet ist der Stummfilm von Kote Mikaberidze eine wilde, satirische Abrechnung mit den autoritären Verwaltungsmechanismen der damaligen Sowjetunion. Wegen der Systemkritik schnell verboten, ist der Film mittlerweile ein wichtiger Eckpfeiler des georgischen Kinos. Zu Gast an diesem Abend ist Thomas Tode, ein Experte für sowjetische Avantgarde.

Auch der Stummfilm My Grandmother (ჩემი ბებია) von 1929 wird im Filmhaus zu sehen sein, Foto: Cinematheque Vancouver

Interview

Jonas Neldner: Wie hast du von dem Programm gehört und war es deine erste Erfahrung im Kontext der Festivalarbeit?

Lara Alyssa Neuhaus: Ich studiere Medienkulturwissenschaften und Medieninformation in Köln und habe über den Verteiler der Uni davon erfahren. Ich war auch schon vorher für einzelne Screenings bei Filmfestivals, aber für das goEast Festival war ich zum ersten Mal als akkreditierte Teilnehmerin dabei. Unter uns Programmteilnehmer:innen war es gemischt, zum Teil waren einige schon bei anderen Festivals dabei und andere wiederum zum ersten Mal.

Also hat es für dich und einige andere bedeutet, dass ihr zum ersten Mal das volle Programm mitgemacht habt? Wie habt ihr euch das Programm als Gruppe aufgeteilt?

Wir haben uns als Gruppe immer auf zwei Filme pro Tag geeinigt, die wir geschlossen als Gruppe ansehen. Und meistens haben wir einen dritten oder vierten Film in kleineren Gruppen oder alleine geschaut. Für die spätere Auswahl für die Filmhausveranstaltungen war die Regel, dass mindestens zwei Personen des Teams den Film geschaut haben sollten, in solchen Fällen haben wir den Film dann zu einem späteren ZeitpunktimProgramm oder in der goEast-Mediathek nachträglich geguckt.

Nun studierst du mit Medienkulturwissenschaften ja ein Studium, in dem es auch Filmwissenschaftliche Betrachtungen gibt und Fachvokabular erlernt wird. Gab es auch Teilnehmer:innen die da eher fachfremd sind und diese Begriffe teilweise zum ersten Mal gehört haben?

Ja, durchaus. Ich fand es richtig cool, dass wir so gemischt waren als Gruppe, wir hatten Slawistik-, Dokumentarfilm- und Gender und Queer Studies Studierende. Wir haben nach jedem Screening über das Gesehene gesprochen und wegen der zeitlichen Taktung den Film auch erst im Gespräch angefangen zu verarbeiten. Dabei war es sehr interessant zu sehen, welche Aspekte den einzelnen mit ihrem unterschiedlichen (Vor)wissen aufgefallen sind. Diese neuen Perspektiven von den Filmemacher:innen der Gruppe, oder denen, die Slawistik studieren, haben uns allen sehr viel gebracht und waren ein echtes Highlight. Und da wir uns vorher quasi gar nicht kannten, konnten wir uns direkt so besser kennenlernen.

Ja, stimmt, ihr habt euch nur kurz vorher getroffen, oder?

Genau. Wir haben uns einmal vorher getroffen und eine Runde zum Kennenlernen gemacht. Dazu sollte jeder einen Filmstill von einem osteuropäischen Film mitbringen, den wir als Startpunkt der Runde genutzt haben.

Welchen Film hast du mitgebracht?

Ich hab Cold War von Paweł Pawlikowski mitgebracht.

Und würdest du sagen, dass sich eure Seherfahrung verändert hat, weil ihr die Screenings mit einem kuratorischen Blick für ein späteres Programm im Filmhaus besucht habt?

Beim Schauen der Filme ist es für mich persönlich gar nicht mal so sehr gewesen, dass man darauf geachtet hat, dass es immer gut zu der Veranstaltung passt. Das kam eher im Gespräch und der Diskussion über die Filme auf wo es immer darum ging, ob wir den Film auch im Filmhaus sehen wollen würden. Für die Filmauswahl ging es weniger darum ob uns der Film ganz persönlich gut gefallen hat, sondern welche Gäst:innen wir einladen könnten oder welche Themen verhandelt werden für eine spätere Diskussion und dass die Filme ein rundes Programm ergeben. Da gab es schon Unterschiede zu einem rein ‘privaten’ Filmschauen.

Und welche Themen waren euch da besonders wichtig? Ihr zeigt ja “My Armenian Phantoms” und “My Grandmother”, einen recht aktuellen und einen eher älteren Film. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Der georgische Stummfilm, “My Grandmother”, ist von 1929 und war in diesem Jahr der Eröffnungsfilm des Festivals, den wir beim Festival mit Begleitung von Livemusik zeigen. Dabei fanden wir das andere Erleben von Bild und Ton besonders spannend, was wir den Besucher:innen gerne nochmal zeigen möchten.

Welche Herausforderung birgt eine Auseinandersetzung mit osteuropäischem Kino, welche Sehgewohnheiten werden dabei hinterfragt?

Insbesondere zum klassischeren Hollywoodkino, wo es oft einen Twist hin zum Happy End gibt, gab es dies überhaupt nicht zu sehen. Zu Beginn des Festivals war die eher drückendere Thematik der Filme noch etwas Neues für einige von uns, woran wir uns dann aber schnell gewöhnt haben. Ein großer Anteil der dokumentarischen Filme, haben Themen wie Tod und Vergänglichkeit thematisiert, taten dies auf eine vermeintlich alltäglichere Art. Für mich spannend waren da vor allem die Meinung der Slawistikstudent:innen, die uns die historischen Hintergründe vermitteln konnten, was mir z.B. durchaus gefehlt hat. In den Gesprächen habe ich dann viel Kontext dazugewinnen können, um es historisch besser einzuordnen.

Anders als bei einem internationalen Festival wie dem goEast, was dieses Jahr zum 25. Mal stattgefunden hat, kommt hier ja auch ein etwas anderes Publikum zustande, wie schätzt ihr diese andere Gruppenkonstellation ein und wie geht ihr damit um?

Mit diesem Blick haben wir auch die Filme ausgewählt. Ich finde, dass die Filme, die wir ausgewählt haben, auch gut mit einer breiteren Masse funktionieren. Der Dokumentarfilm “My Armenian Phantoms” hat einen sehr persönlichen und poetischen Blick, den Zuschauer:innen ohne Vorkenntnisse von osteuropäischem Film schauen können und sehr gut verstehen können. Der Film zeigt in starken Bildern sowohl die armenische Geschichte als auch die armenische Filmgeschichte und ist dabei einladend. Wir freuen uns außerdem besonders dass wir die Regisseurin des Films, Tamara Stepanyan, als Gästin einladen konnten. “My Grandmother” braucht vielleicht ein bisschen mehr historische Kontext Arbeit, weil es viel um Kritik an der ehemaligen Sowjetunion geht, weshalb wir auch einen Gast eingeladen haben, um im Filmgespräch darüber zu sprechen. Nicht nur wegen der musikalischen Begleitung, aber auch wegen der verschiedenen Filmtechniken in der Montage, ist der Film sehr schön als Erlebnis wahrnehmbar. Außerdem hat der Film einige Slapstick Momente, die durchaus vom Plot losgelöst funktionieren. Bei dem Film ist der Gast Thomas Tode, ein Experte für Sowjetavangarde. 

Das klingt doch super, dann bedanke ich mich für das Gespräch und wünsche ich euch viel Spaß bei den Screenings und vor allem gute Gespräche.

Dankeschön 🙂

Interview: Jonas Neldner

Veranstalter*innen..