Der Schweizer Regisseur Simon Jaquemet, der 2014 mit seinem kompromisslosen Debüt Chrieg (War) für Gesprächsstoff sorgte, greift in Electric Child Ängste und Hoffnungen rund um das Thema Künstliche Intelligenz auf.
Von Andreas Füser.
Beim Thema KI ist gegenwärtig das Meinungsspektrum riesig: von grenzenlosen Möglichkeiten für die Menschheit bis hin zu Dystopien, in denen die Maschinen die Kontrolle übernehmen, ist alles vertreten. Zwischen diesen beiden Polen lotet auch Jaquemets ambitioniertes Werk sein Terrain aus und verbindet dabei Familiendrama mit Elementen der Science-Fiction. Er zeichnet eine faszinierende Welt, doch gelingt die Umsetzung nicht durchweg. Die emotional bedrückende Situation des Paares Sonny (Elliott Crosset Hove) und Akiko (Rila Fukushima), deren neugeborener Sohn direkt nach der Geburt eine tödliche Diagnose erfährt, lässt nach einem starken Beginn die Zuschauer:innen erstaunlich distanziert das weitere Geschehen verfolgen.
Im Zentrum des Films steht der Vater, ein hervorragender Programmierer, der nach der Diagnose für seinen Sohn ein selbstlernendes KI-System zu dessen Rettung einsetzen will. Die Hoffnung ist groß, doch seine Forschungen haben Auswirkungen, die über die Lebensrettung des Kindes weit hinausgehen. Sonny wirkt von Beginn an nicht wie ein rationaler Wissenschaftler, sondern agiert wie ein emotionsloser Einzelgänger, der immer besessener die Entwicklung seiner KI vorantreibt, und immer weniger Interesse an seinem Kind und seiner Frau zeigt. Dabei agiert Hauptdarsteller Elliott Crosset Hove sehr variantenarm in Ausdruck und Mimik. So sind auch seine Begegnungen in der virtuellen Welt mit der KI (gespielt von Sandra Guldberg Kampp, die leider wenig Möglichkeiten hat, ihr Potential zu zeigen) nicht nachvollziehbar und inkonsequent. Emotionaler Mittelpunkt des Films ist darum Mutter Akiko, die die wenige Zeit mit ihrem Kind intensiv nutzen will und ratlos sowie hilflos versucht, ihren Mann von seinem Weg abzubringen.
Eine interessante Nebenfigur ist Sonnys Arbeitskollege Raul (João Nunes Monteiro): ein vielschichtiger Charakter, der zwischen moralischer Verantwortung und persönlicher Freundschaft hin und her gerissen ist. Leider taucht Raul dann im letzten Drittel des Films überhaupt nicht mehr auf und so bleibt im Film vieles offen. Die Besessenheit von Sonny ist bis zum Ende nicht nachvollziehbar und auch die KI-Figur bleibt seltsam blass. Da hat man bei anderen Filmen wesentlich charismatischere Künstliche Intelligenzen erleben dürfen wie z. B. bei Ex Machina mit Alicia Vikander.
Auch die moralischen Fragen der Nutzung der KI für individuelle Ziele, ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Auswirkungen, werden nur oberflächlich angerissen. Die Fragen, wie weit man gehen darf, wenn es um Leben und Tod geht oder die durchaus aktuelle Frage, ob alles, was technisch möglich ist, umgesetzt werden sollte, hätten mehr Tiefgang gebraucht und verdient.
Fazit
Electric Child ist ein interessanter, visuell gut gestalteter Film, der zum Nachdenken anregt. Trotz emotionaler Distanz zeigt er ein spannendes, aktuelles Thema und so reißt der Film viele Fragen an, ohne diese allerdings konsequent zu durchleuchten. Hervorzuheben ist die Kamera von Gabriel Sandru, die nah an die Protagonisten herangeht und die unterschiedlichen Bereiche von Zuhause, Arbeitsplatz und KI-Welt durch interessante Farbkonzepte trennt.
Electric Child ist in Köln seit dem Kinostart am 21. August 2025 im Metropolis Kino zu sehen.
Unafilm (Titus Kreyenberg)
Titus Kreyenberg gründete 2004 die Firma Unafilm mit Ihrem Hauptsitz in Köln und einer Dependance in Berlin. Die Firma hat inzwischen über dreißig Filme produziert oder koproduziert, so auch Electric Child. Titus Kreyenberg war von Beginn an mit dem Schweizer Koproduktionspartner bei der Entwicklung des Buches und den Dreharbeiten maßgeblich beteiligt. Gedreht wurde 2022 zu großen Teilen in Leverkusen und auf den Philippinen. Der Film wurde bereits 2023 fertiggestellt, feierte 2024 in Locarno seine Premiere und startet nun mit 20 Kopien im Kino.
Der Schweizer Regisseur Simon Jaquemet, der 2014 mit seinem kompromisslosen Debüt Chrieg (War) für Gesprächsstoff sorgte, greift in Electric Child Ängste und Hoffnungen rund um das Thema Künstliche Intelligenz auf.
Von Andreas Füser.
Beim Thema KI ist gegenwärtig das Meinungsspektrum riesig: von grenzenlosen Möglichkeiten für die Menschheit bis hin zu Dystopien, in denen die Maschinen die Kontrolle übernehmen, ist alles vertreten. Zwischen diesen beiden Polen lotet auch Jaquemets ambitioniertes Werk sein Terrain aus und verbindet dabei Familiendrama mit Elementen der Science-Fiction. Er zeichnet eine faszinierende Welt, doch gelingt die Umsetzung nicht durchweg. Die emotional bedrückende Situation des Paares Sonny (Elliott Crosset Hove) und Akiko (Rila Fukushima), deren neugeborener Sohn direkt nach der Geburt eine tödliche Diagnose erfährt, lässt nach einem starken Beginn die Zuschauer:innen erstaunlich distanziert das weitere Geschehen verfolgen.
Im Zentrum des Films steht der Vater, ein hervorragender Programmierer, der nach der Diagnose für seinen Sohn ein selbstlernendes KI-System zu dessen Rettung einsetzen will. Die Hoffnung ist groß, doch seine Forschungen haben Auswirkungen, die über die Lebensrettung des Kindes weit hinausgehen. Sonny wirkt von Beginn an nicht wie ein rationaler Wissenschaftler, sondern agiert wie ein emotionsloser Einzelgänger, der immer besessener die Entwicklung seiner KI vorantreibt, und immer weniger Interesse an seinem Kind und seiner Frau zeigt. Dabei agiert Hauptdarsteller Elliott Crosset Hove sehr variantenarm in Ausdruck und Mimik. So sind auch seine Begegnungen in der virtuellen Welt mit der KI (gespielt von Sandra Guldberg Kampp, die leider wenig Möglichkeiten hat, ihr Potential zu zeigen) nicht nachvollziehbar und inkonsequent. Emotionaler Mittelpunkt des Films ist darum Mutter Akiko, die die wenige Zeit mit ihrem Kind intensiv nutzen will und ratlos sowie hilflos versucht, ihren Mann von seinem Weg abzubringen.
Eine interessante Nebenfigur ist Sonnys Arbeitskollege Raul (João Nunes Monteiro): ein vielschichtiger Charakter, der zwischen moralischer Verantwortung und persönlicher Freundschaft hin und her gerissen ist. Leider taucht Raul dann im letzten Drittel des Films überhaupt nicht mehr auf und so bleibt im Film vieles offen. Die Besessenheit von Sonny ist bis zum Ende nicht nachvollziehbar und auch die KI-Figur bleibt seltsam blass. Da hat man bei anderen Filmen wesentlich charismatischere Künstliche Intelligenzen erleben dürfen wie z. B. bei Ex Machina mit Alicia Vikander.
Auch die moralischen Fragen der Nutzung der KI für individuelle Ziele, ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Auswirkungen, werden nur oberflächlich angerissen. Die Fragen, wie weit man gehen darf, wenn es um Leben und Tod geht oder die durchaus aktuelle Frage, ob alles, was technisch möglich ist, umgesetzt werden sollte, hätten mehr Tiefgang gebraucht und verdient.
Fazit
Electric Child ist ein interessanter, visuell gut gestalteter Film, der zum Nachdenken anregt. Trotz emotionaler Distanz zeigt er ein spannendes, aktuelles Thema und so reißt der Film viele Fragen an, ohne diese allerdings konsequent zu durchleuchten. Hervorzuheben ist die Kamera von Gabriel Sandru, die nah an die Protagonisten herangeht und die unterschiedlichen Bereiche von Zuhause, Arbeitsplatz und KI-Welt durch interessante Farbkonzepte trennt.
Electric Child ist in Köln seit dem Kinostart am 21. August 2025 im Metropolis Kino zu sehen.
Unafilm (Titus Kreyenberg)
Titus Kreyenberg gründete 2004 die Firma Unafilm mit Ihrem Hauptsitz in Köln und einer Dependance in Berlin. Die Firma hat inzwischen über dreißig Filme produziert oder koproduziert, so auch Electric Child. Titus Kreyenberg war von Beginn an mit dem Schweizer Koproduktionspartner bei der Entwicklung des Buches und den Dreharbeiten maßgeblich beteiligt. Gedreht wurde 2022 zu großen Teilen in Leverkusen und auf den Philippinen. Der Film wurde bereits 2023 fertiggestellt, feierte 2024 in Locarno seine Premiere und startet nun mit 20 Kopien im Kino.