Ein Jahr lang begleitete Dokumentarfilmerin Cordula Kablitz-Post die deutschen Thrash-Metal-Ikonen von Kreator. Die Bandmitglieder, aber auch Freunde, Kollegen und Fans geben Einblick in die Karriere und die Bedeutung der Band, die es seit über 40 Jahren gibt, während der Film gleichzeitig ebenso authentische wie unterhaltsame Einsichten zu den Menschen hinter der Musik liefert.
Von Nils Bothmann.
Wenn es um die Stilrichtung des Thrash Metal geht, dann gibt es die Big Four: Metallica, Megadeth, Slayer und Anthrax. Eine Bezeichnung und ein Mythos, der spätestens dann gefestigt wurde, als die vier US-Bands 2010 ihr erstes gemeinsames Big-Four-Konzert in Warschau gaben. Alle vier Bands waren stilprägend, wurden in den Jahren 1981 bis 1983 gegründet – und sie hatten den Support der amerikanischen Presse. Vielleicht wird die deutsche Thrash-Metal-Band Kreator aus letzterem Grund nicht im gleichen Atemzug genannt, obwohl sie ähnlich prägend war, meint einer der Interviewpartner in Kreator – Hate and Hope (2025). Da es sich dabei um Chuck Billy, den Frontmann der amerikanischen Kollegen von Testament handelt, ist es durchaus eine Stimme von Gewicht. Nicht nur er, auch Anthrax-Gitarrist und -Mitgründer Scott Ian zollt den deutschen Metallern in dem Dokumentarfilm von Cordula Kablitz-Post Tribut.
Die Regisseurin und Produzentin kennt sich mit Musikdokumentationen aus, drehte zuvor unter anderem Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour (2019) und FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter (2022). Waren die Punk- und Techno-Ikonen aus den genannten Filmen deutscher Mainstream, so ist Kreator eher eine Szenengröße, aber dort fest verwurzelt. Als sie als Teutonic Big Four mit Sodom, Destruction und Tankard ein gemeinsames Konzert namens „Klash of the Ruhrpott“ in Gelsenkirchen auf die Beine stellen, kommen die Fans unter anderem aus Australien, Japan und Costa Rica. Kreator – Hate and Hope zeigt, wie sehr an diesem Abend Triumph und Niederlage beisammen liegen: Ausgerechnet beim Auftritt des Haupt-Acts wird der Regen zu stark, die Stadt ordnet den Abbruch des Konzerts an, wogegen weder Kreator noch die enttäuschten Fans etwas tun können. Bei der Nachbesprechung überlegt das Quartett, wie es sich bei den Fans revanchieren kann, die seit knapp vier Jahrzehnten so zu ihnen stehen.
Kablitz-Post hat die Thrash-Metal-Band ein Jahr lang begleitet. Ein Jahr, in dem sie nicht nur im Ruhrpott oder auf Wacken spielen, sondern auch Tourneen durch Asien und in die USA machen. Gerade in Amerika müsse man stets präsent sein, sonst werde man schnell vergessen, erklärt Frontmann Miland „Mille“ Petrozza. In Interview-Inserts räumt der 58-Jährige mit Klischees auf. Sex, Drugs and Rock’n Roll? Kann man machen, wenn man in seinen Zwanzigern ist und auch dann nur für zwei oder drei Jahre. „Ich kenne so viele Leute, die an Drogen gestorben sind, mit denen allein könnte ich eine große Party feiern“, klärt er auf. Und der Mann hinter martialischen Songs wie „Endless Pain“, „Murder Fantasies“ und „Hate über alles“ ist seit den 1990ern Vegetarier, seit 2008 Veganer, wie er etwa beim gemeinsamen Abendessen mit Lars Eidinger berichtet.
Doch nicht nur Mille, auch die anderen Mitglieder der aktuellen Besetzung bekommen ihren Raum. Da ist Schlagzeuger Jürgen „Ventor“ Reil, neben Sänger/Gitarrist Mille eines der drei Gründungsmitglieder der Band, der mit Ruhrpott-Charme und -Schnauze Einblicke in Bandgeschichte, Tourleben und Arbeitsprozesse bietet. Auch die Gründung von Kreator als Schülerband in den frühen 1980ern kommt zur Sprache, mit entsprechenden Anekdoten. Eigentlich sollte Ventor die Rolle des Sängers und Frontmanns übernehmen, war aber der Einzige, der noch genug Geld auf der hohen Kante hatte, um sich ein Schlagzeug kaufen zu können, weshalb der Part an ihn ging. Der Autodidakt brachte sich das Spielen unter anderem dadurch bei, dass er auf seinem Bett auf verschieden große Kissen trommelte, die alle ihren eigenen Sound hatten. Komplettiert wird das derzeitige Line-Up durch den finnischen Gitarristen Sami Yli-Sirniö (seit 2001 Teil der Band) und den französischen Bassisten Frédéric Leclercq (seit 2019).
Der Dokumentarfilm von Cordula Kablitz-Post ist nicht auf eine spezielle Fragestellung zugespitzt, sie ist auch keine chronologische Nacherzählung der Bandgeschichte. Stattdessen sammelt sie unterschiedliche Facetten und Aspekte von Kreator ein, um genau so ein möglichst rundes Bild der Band, ihrer Bedeutung und ihrer Fans zu zeichnen. Die Kamera von Ulf Behrens und Christopher Rowe ist rein beobachtend, taucht während eines Konzerts in den USA auch mal in das Moshpit ein. Wenn es um die Bandgeschichte geht, dann arbeitet Kreator – Hate and Hope zudem gewinnbringend mit Videomaterial, das die Bandmitglieder und ihr Management während Touren in den 1980ern und 1990ern aufgenommen haben. Manchmal kommentieren die Musiker und Weggefährten die alten Aufnahmen, manchmal montiert Editorin Mechthild Barth sie in einer Art Dialog mit aktuellem Material.
Neben den Musikern kommen auch alte Weggefährten zu Wort, etwa ihrer früherer Manager Stoney oder ihr ehemaliger Promoter Bogdan „Boggi“ Kopec. Lachend berichtet Kopec etwa, wie Mille nach dem Ende der ersten US-Tour eigentlich der Wehrdienst bevorstand und wie er seinen Schützling davon losbekam. Freunde und Kollegen aus der Musikszene sprechen über ihre Einschätzung der Bedeutung von Kreator, aber auch über ihre persönliche Beziehung zu den Musikern. Darunter sind Bela B von den Ärzten und Maik Weichert, Gitarrist der Metalcore-Band Heaven Shall Burn. Er kommt auch auf das politische Engagement der Band in einer eher unpolitischen Szene zu sprechen: Bei einem Auftritt kurz nach der Wende in Gera traten Kreator mit Anti-Nazi-Shirts auf, obwohl es dort rechtsradikale Strukturen gab. Weichert und Mille werden beim gemeinsamen Besuch des KZs Buchenwald gezeigt, denn beide engagieren sich aktiv gegen Rechtsextremismus und Faschismus.
Songs der Band liefern den Sound zum Film, egal ob als Konzertaufnahme, Musikvideo oder Einspieler aus dem Off. Wie diese Musik ein paar Arbeiterkindern eine Bestimmung gab und sie zu Stars machte, kommt ebenso zur Sprache wie die Anforderungen des Musikerlebens: Ventors Söhne etwa erzählen, wie es damals war, als der Papa in ihrer Kindheit oft auf Tour und daher daheim abwesend war. Ventor ist die heimliche Seele des Films, egal ob er seinen Kollegen Leclercq im hauseigenen Studio tätowiert, über die Bedeutung seiner Glückshose beim Proben philosophiert oder trockene Sprüche raushaut – „Ich brauche wen zum Umbringen, schafft mir einen heran“, scherzt er etwa nach dem Abbruch von „Klash of the Ruhrpott“.
Kreator – Hate and Hope ist ein sehenswertes Portrait einer Band, einer Musik, einer Szene, aber auch von vier Individuen, die in dieser Band zusammenkommen. Es ist ein Film, der nicht allein Fanservice betreibt, sondern auch Nicht-Metaller mit auf eine lohnenswerte Reise nimmt, für ebenso authentisch wie unterhaltsame Einblicke.
Ein Jahr lang begleitete Dokumentarfilmerin Cordula Kablitz-Post die deutschen Thrash-Metal-Ikonen von Kreator. Die Bandmitglieder, aber auch Freunde, Kollegen und Fans geben Einblick in die Karriere und die Bedeutung der Band, die es seit über 40 Jahren gibt, während der Film gleichzeitig ebenso authentische wie unterhaltsame Einsichten zu den Menschen hinter der Musik liefert.
Von Nils Bothmann.
Wenn es um die Stilrichtung des Thrash Metal geht, dann gibt es die Big Four: Metallica, Megadeth, Slayer und Anthrax. Eine Bezeichnung und ein Mythos, der spätestens dann gefestigt wurde, als die vier US-Bands 2010 ihr erstes gemeinsames Big-Four-Konzert in Warschau gaben. Alle vier Bands waren stilprägend, wurden in den Jahren 1981 bis 1983 gegründet – und sie hatten den Support der amerikanischen Presse. Vielleicht wird die deutsche Thrash-Metal-Band Kreator aus letzterem Grund nicht im gleichen Atemzug genannt, obwohl sie ähnlich prägend war, meint einer der Interviewpartner in Kreator – Hate and Hope (2025). Da es sich dabei um Chuck Billy, den Frontmann der amerikanischen Kollegen von Testament handelt, ist es durchaus eine Stimme von Gewicht. Nicht nur er, auch Anthrax-Gitarrist und -Mitgründer Scott Ian zollt den deutschen Metallern in dem Dokumentarfilm von Cordula Kablitz-Post Tribut.
Die Regisseurin und Produzentin kennt sich mit Musikdokumentationen aus, drehte zuvor unter anderem Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour (2019) und FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter (2022). Waren die Punk- und Techno-Ikonen aus den genannten Filmen deutscher Mainstream, so ist Kreator eher eine Szenengröße, aber dort fest verwurzelt. Als sie als Teutonic Big Four mit Sodom, Destruction und Tankard ein gemeinsames Konzert namens „Klash of the Ruhrpott“ in Gelsenkirchen auf die Beine stellen, kommen die Fans unter anderem aus Australien, Japan und Costa Rica. Kreator – Hate and Hope zeigt, wie sehr an diesem Abend Triumph und Niederlage beisammen liegen: Ausgerechnet beim Auftritt des Haupt-Acts wird der Regen zu stark, die Stadt ordnet den Abbruch des Konzerts an, wogegen weder Kreator noch die enttäuschten Fans etwas tun können. Bei der Nachbesprechung überlegt das Quartett, wie es sich bei den Fans revanchieren kann, die seit knapp vier Jahrzehnten so zu ihnen stehen.
Kablitz-Post hat die Thrash-Metal-Band ein Jahr lang begleitet. Ein Jahr, in dem sie nicht nur im Ruhrpott oder auf Wacken spielen, sondern auch Tourneen durch Asien und in die USA machen. Gerade in Amerika müsse man stets präsent sein, sonst werde man schnell vergessen, erklärt Frontmann Miland „Mille“ Petrozza. In Interview-Inserts räumt der 58-Jährige mit Klischees auf. Sex, Drugs and Rock’n Roll? Kann man machen, wenn man in seinen Zwanzigern ist und auch dann nur für zwei oder drei Jahre. „Ich kenne so viele Leute, die an Drogen gestorben sind, mit denen allein könnte ich eine große Party feiern“, klärt er auf. Und der Mann hinter martialischen Songs wie „Endless Pain“, „Murder Fantasies“ und „Hate über alles“ ist seit den 1990ern Vegetarier, seit 2008 Veganer, wie er etwa beim gemeinsamen Abendessen mit Lars Eidinger berichtet.
Doch nicht nur Mille, auch die anderen Mitglieder der aktuellen Besetzung bekommen ihren Raum. Da ist Schlagzeuger Jürgen „Ventor“ Reil, neben Sänger/Gitarrist Mille eines der drei Gründungsmitglieder der Band, der mit Ruhrpott-Charme und -Schnauze Einblicke in Bandgeschichte, Tourleben und Arbeitsprozesse bietet. Auch die Gründung von Kreator als Schülerband in den frühen 1980ern kommt zur Sprache, mit entsprechenden Anekdoten. Eigentlich sollte Ventor die Rolle des Sängers und Frontmanns übernehmen, war aber der Einzige, der noch genug Geld auf der hohen Kante hatte, um sich ein Schlagzeug kaufen zu können, weshalb der Part an ihn ging. Der Autodidakt brachte sich das Spielen unter anderem dadurch bei, dass er auf seinem Bett auf verschieden große Kissen trommelte, die alle ihren eigenen Sound hatten. Komplettiert wird das derzeitige Line-Up durch den finnischen Gitarristen Sami Yli-Sirniö (seit 2001 Teil der Band) und den französischen Bassisten Frédéric Leclercq (seit 2019).
Der Dokumentarfilm von Cordula Kablitz-Post ist nicht auf eine spezielle Fragestellung zugespitzt, sie ist auch keine chronologische Nacherzählung der Bandgeschichte. Stattdessen sammelt sie unterschiedliche Facetten und Aspekte von Kreator ein, um genau so ein möglichst rundes Bild der Band, ihrer Bedeutung und ihrer Fans zu zeichnen. Die Kamera von Ulf Behrens und Christopher Rowe ist rein beobachtend, taucht während eines Konzerts in den USA auch mal in das Moshpit ein. Wenn es um die Bandgeschichte geht, dann arbeitet Kreator – Hate and Hope zudem gewinnbringend mit Videomaterial, das die Bandmitglieder und ihr Management während Touren in den 1980ern und 1990ern aufgenommen haben. Manchmal kommentieren die Musiker und Weggefährten die alten Aufnahmen, manchmal montiert Editorin Mechthild Barth sie in einer Art Dialog mit aktuellem Material.
Neben den Musikern kommen auch alte Weggefährten zu Wort, etwa ihrer früherer Manager Stoney oder ihr ehemaliger Promoter Bogdan „Boggi“ Kopec. Lachend berichtet Kopec etwa, wie Mille nach dem Ende der ersten US-Tour eigentlich der Wehrdienst bevorstand und wie er seinen Schützling davon losbekam. Freunde und Kollegen aus der Musikszene sprechen über ihre Einschätzung der Bedeutung von Kreator, aber auch über ihre persönliche Beziehung zu den Musikern. Darunter sind Bela B von den Ärzten und Maik Weichert, Gitarrist der Metalcore-Band Heaven Shall Burn. Er kommt auch auf das politische Engagement der Band in einer eher unpolitischen Szene zu sprechen: Bei einem Auftritt kurz nach der Wende in Gera traten Kreator mit Anti-Nazi-Shirts auf, obwohl es dort rechtsradikale Strukturen gab. Weichert und Mille werden beim gemeinsamen Besuch des KZs Buchenwald gezeigt, denn beide engagieren sich aktiv gegen Rechtsextremismus und Faschismus.
Songs der Band liefern den Sound zum Film, egal ob als Konzertaufnahme, Musikvideo oder Einspieler aus dem Off. Wie diese Musik ein paar Arbeiterkindern eine Bestimmung gab und sie zu Stars machte, kommt ebenso zur Sprache wie die Anforderungen des Musikerlebens: Ventors Söhne etwa erzählen, wie es damals war, als der Papa in ihrer Kindheit oft auf Tour und daher daheim abwesend war. Ventor ist die heimliche Seele des Films, egal ob er seinen Kollegen Leclercq im hauseigenen Studio tätowiert, über die Bedeutung seiner Glückshose beim Proben philosophiert oder trockene Sprüche raushaut – „Ich brauche wen zum Umbringen, schafft mir einen heran“, scherzt er etwa nach dem Abbruch von „Klash of the Ruhrpott“.
Kreator – Hate and Hope ist ein sehenswertes Portrait einer Band, einer Musik, einer Szene, aber auch von vier Individuen, die in dieser Band zusammenkommen. Es ist ein Film, der nicht allein Fanservice betreibt, sondern auch Nicht-Metaller mit auf eine lohnenswerte Reise nimmt, für ebenso authentisch wie unterhaltsame Einblicke.
Fotos: Neue Visionen