Mit Amrum erzählt Fatih Akin die Jugendgeschichte seines Mentors Hark Bohm – ein stilles, eindringliches Drama über Schuld, Sehnsucht und das Erwachsenwerden im Schatten des Kriegsendes.
Von Andreas Füser.
Der neue Film von Fatih Akin basiert auf den Jugenderinnerungen von Schauspieler und Filmemacher Hark Bohm, die er in seinem 2024 erschienenem Roman „Amrum“ beschreibt. Das Drehbuch zum Film entstand vor dem Roman, der Film ist also keine Adaption des Buches. Ursprünglich geplant als letzte Regiearbeit von Hark Bohm sprang Fatih Akin ein, als klar wurde, dass Bohm (mittlerweile 86) nicht mehr die Kraft hatte, den Stoff selbst zu inszenieren. Akin selbst hatte Bohm als seinen einstigen Mentor bezeichnet, dieser war zum Beispiel an den Drehbüchern zu „Tschick“ und „Aus dem Nichts“ beteiligt und so passte diese Kombination. Folgerichtig steht dem Film voran: „Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin“. Akin bezeichnet den Film als ein besonderes Projekt: „Amrum handelt von der Vertreibung aus dem Paradies. Dieser Film war eine Mission, eine Reise in die Tiefen meiner ‚Deutschen Seele’“.
Das eindringliche Coming-of-Age-Drama handelt von Schuld, Verdrängung und der Suche nach Wahrheit in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, irgendwann im Frühjahr 1945. Während der 12-jährige Nanning (Jasper Billerbeck) sich abmüht, seiner Mutter zu helfen, die Familie zu ernähren, rückt das Kriegsende immer näher und so ist er in der Sehnsucht nach dem Frieden hin- und hergerissen zwischen fanatischen Familienangehörigen in ihrer Verehrung für Hitler und den kritischen Stimmen, die das Kriegsende und das Ende von Hitler herbeisehnen.
Ein weiteres Thema, weniger augenscheinlich, ist das Thema „Migration“. Die Familie von Nanning kommt aus Hamburg und so wird er auch von anderen Kindern als „Nicht-Amumer“ beschimpft und ausgeschlossen. Die Frage, was einen „Amrumer“ ausmacht, taucht immer wieder im Film auf. Viele Amrumer waren in die USA gegangen, um dort als Walfänger zu arbeiten. Einige sind geblieben, andere zurückgekommen. Und die Frage ist: Ist die Heimat da, wo man herkommt oder da, wo man ist und sich wohlfühlt? Diese Frage stellt sich auch Nanning.
Zum ersten Mal vor der Kamera steht der 12-jährige Jasper Billerbeck, der die Hauptrolle
Hauptdarsteller ist der 12-jährige Jasper Billerbeck, der zum ersten Mal vor der Kamera steht und seine Rolle mit viel Einfühlungsvermögen und mimischer Ausdruckskraft. Er verkörpert glaubhaft den Versuch, der Mutter (Laura Tonke) zu gefallen und ihre Zuneigung zu gewinnen, trotzt zugleich den Anfeindungen als „Nazi-Kind“ und lässt die Zerrissenheit zwischen kindlicher Liebe und den kritischen Stimmen der Inselbewohner eindrucksvoll spürbar werden.
Der Film hätte leicht ins Kitschige oder allzu Dramatische kippen können – doch er bleibt ruhig, präzise und eindrücklich erzählt. Die Figuren wirken nahbar und lebendig, was nicht zuletzt der sensiblen Kameraarbeit von Karl Walter Lindenlaub zu verdanken ist. Neben den intimen Familienszenen entfaltet sich zugleich eine Hommage an die Insel Amrum, mit weiten Strandpanoramen und fein beobachteten Aufnahmen der dort lebenden Tiere. Die Tiersequenzen wurden tatsächlich vor Ort und analog gedreht; die Schauspieler*innen wurden erst im Schnitt eingefügt.
Editor Andrew Bird, der bereits für zahlreiche herausragende Arbeiten ausgezeichnet wurde (zuletzt für Die Saat des heiligen Feigenbaums), erweitert hier seine beeindruckende Filmografie um eine weitere präzise und einfühlsame Montageleistung.
Getragen werden die Bilder von einem ungewöhnlich atmosphärischen Sounddesign des Komponisten Hainbach, der den Wind durch eine Windharfe spielen ließ, die Brandung aufnahm und daraus einen organisch fließenden Score entwickelte.
Die Kinobesucher*innen erwartet eine berührende Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Kriegsendes – und zugleich eine poetische Liebeserklärung an Amrum und an Hark Bohm. Dieser erscheint im letzten Bild selbst noch einmal auf der Leinwand – ein stiller, bewegender Abschluss.
Amrum startet am 9. Oktober in deutschen Kinos und wird in Köln unter anderem im Cinenova, Odeon und Weisshaus zu sehen sein.
Mit Amrum erzählt Fatih Akin die Jugendgeschichte seines Mentors Hark Bohm – ein stilles, eindringliches Drama über Schuld, Sehnsucht und das Erwachsenwerden im Schatten des Kriegsendes.
Von Andreas Füser.
Der neue Film von Fatih Akin basiert auf den Jugenderinnerungen von Schauspieler und Filmemacher Hark Bohm, die er in seinem 2024 erschienenem Roman „Amrum“ beschreibt. Das Drehbuch zum Film entstand vor dem Roman, der Film ist also keine Adaption des Buches. Ursprünglich geplant als letzte Regiearbeit von Hark Bohm sprang Fatih Akin ein, als klar wurde, dass Bohm (mittlerweile 86) nicht mehr die Kraft hatte, den Stoff selbst zu inszenieren. Akin selbst hatte Bohm als seinen einstigen Mentor bezeichnet, dieser war zum Beispiel an den Drehbüchern zu „Tschick“ und „Aus dem Nichts“ beteiligt und so passte diese Kombination. Folgerichtig steht dem Film voran: „Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin“. Akin bezeichnet den Film als ein besonderes Projekt: „Amrum handelt von der Vertreibung aus dem Paradies. Dieser Film war eine Mission, eine Reise in die Tiefen meiner ‚Deutschen Seele’“.
Das eindringliche Coming-of-Age-Drama handelt von Schuld, Verdrängung und der Suche nach Wahrheit in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, irgendwann im Frühjahr 1945. Während der 12-jährige Nanning (Jasper Billerbeck) sich abmüht, seiner Mutter zu helfen, die Familie zu ernähren, rückt das Kriegsende immer näher und so ist er in der Sehnsucht nach dem Frieden hin- und hergerissen zwischen fanatischen Familienangehörigen in ihrer Verehrung für Hitler und den kritischen Stimmen, die das Kriegsende und das Ende von Hitler herbeisehnen.
Ein weiteres Thema, weniger augenscheinlich, ist das Thema „Migration“. Die Familie von Nanning kommt aus Hamburg und so wird er auch von anderen Kindern als „Nicht-Amumer“ beschimpft und ausgeschlossen. Die Frage, was einen „Amrumer“ ausmacht, taucht immer wieder im Film auf. Viele Amrumer waren in die USA gegangen, um dort als Walfänger zu arbeiten. Einige sind geblieben, andere zurückgekommen. Und die Frage ist: Ist die Heimat da, wo man herkommt oder da, wo man ist und sich wohlfühlt? Diese Frage stellt sich auch Nanning.
Hauptdarsteller ist der 12-jährige Jasper Billerbeck, der zum ersten Mal vor der Kamera steht und seine Rolle mit viel Einfühlungsvermögen und mimischer Ausdruckskraft. Er verkörpert glaubhaft den Versuch, der Mutter (Laura Tonke) zu gefallen und ihre Zuneigung zu gewinnen, trotzt zugleich den Anfeindungen als „Nazi-Kind“ und lässt die Zerrissenheit zwischen kindlicher Liebe und den kritischen Stimmen der Inselbewohner eindrucksvoll spürbar werden.
Der Film hätte leicht ins Kitschige oder allzu Dramatische kippen können – doch er bleibt ruhig, präzise und eindrücklich erzählt. Die Figuren wirken nahbar und lebendig, was nicht zuletzt der sensiblen Kameraarbeit von Karl Walter Lindenlaub zu verdanken ist. Neben den intimen Familienszenen entfaltet sich zugleich eine Hommage an die Insel Amrum, mit weiten Strandpanoramen und fein beobachteten Aufnahmen der dort lebenden Tiere. Die Tiersequenzen wurden tatsächlich vor Ort und analog gedreht; die Schauspieler*innen wurden erst im Schnitt eingefügt.
Editor Andrew Bird, der bereits für zahlreiche herausragende Arbeiten ausgezeichnet wurde (zuletzt für Die Saat des heiligen Feigenbaums), erweitert hier seine beeindruckende Filmografie um eine weitere präzise und einfühlsame Montageleistung.
Getragen werden die Bilder von einem ungewöhnlich atmosphärischen Sounddesign des Komponisten Hainbach, der den Wind durch eine Windharfe spielen ließ, die Brandung aufnahm und daraus einen organisch fließenden Score entwickelte.
Die Kinobesucher*innen erwartet eine berührende Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Kriegsendes – und zugleich eine poetische Liebeserklärung an Amrum und an Hark Bohm. Dieser erscheint im letzten Bild selbst noch einmal auf der Leinwand – ein stiller, bewegender Abschluss.
Amrum startet am 9. Oktober in deutschen Kinos und wird in Köln unter anderem im Cinenova, Odeon und Weisshaus zu sehen sein.