Das größte Kölner Publikumsfestival zeigt vom 10. bis 17. Oktober in über 100 Einzelvorstellungen eine aktuelle Auswahl der besten und wichtigsten Kino- und TV-Produktionen. Da ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Filmszene.koeln Autor Werner Busch hat sich das Programm genauer angesehen und stellt euch fünf persönliche Highlights vor:
1. DEERSKIN (2019) von Quentin Dupieux
Der französische Regisseur und Musiker Quentin Dupieux blickt nach beinahe 20 Jahren filmischer Karriere schon auf ein ausgewachsenes Œuvre zurück, das immer schon vor Kreativität und verrückten Einfällen strotzte. Mit Rubber (2010) machte er etwa einen Gummireifen zum gemeingefährlichen Serienkiller-Hauptdarsteller. Ja, genau, einen Gummireifen. Sein jüngster Streich Deerskin ist der Eröffnungsfilm des Film Festival Cologne und steht dem gutgelaunten Wahnwitz dieses Films nicht nach. Denn die Hirschlederjacke von Protagonist Georges duldet keine Nebenbuhlerinnen. Fast 8000 Euro hat der gerade von seiner Frau verlassene Franzose für sie ausgegeben und eine alte Videokamera dazu geschenkt bekommen. Jetzt gibt er sich in einem kleinen Bergkaff als Filmemacher aus – und verbietet anderen Menschen eine Jacke zu tragen. Quentin Dupieux etabliert sich weiter als letzter großer Surrealist des Kinos und bringt große Tragik in eine absurd-komische Geschichte. Übrigens: Jeder hat schon mal was von Dupieux gehört. Seine Hit-Single Flat Beat, die er als Mr. Oizo veröffentlichte, war 1999 nicht nur in Deutschland auf Platz 1 der Charts.
2. IF FOOTMEN TIRE YOU, WHAT WOULD HORSES DO? (1971) von Ron & June Ormond und Estus W. Pirkle
Okay, ganz andere Nummer… Was passiert, wenn amerikanische Exploitation-Regisseure in den frühen 1970ern an einen sendungsbewussten Baptisten-Prediger vom Land geraten, der seine Kirchengemeinde als Statisten zu einem Anti-Kommunismus-Flick mitbringt? Richtig! Massenerschießungen, Kindsfolterungen sonder Zahl, und jede Menge Predigt. Dieser Film wurde nur selten außerhalb von Kirchen gezeigt – und niemals der breiten Öffentlichkeit. Auf Youtube geisterte eine übel dreinschauende VHS-Kopie seit Jahren herum. Doch FFCNG-Preisträger Nicolas Winding Refn nahm sich dieses Kleinodes grässlicher Menschenerziehung an und ließ eine restaurierte Fassung für seine (kostenlose) Online-Streamingplattform byNWR anfertigen. Doch diesen schlanken 52-Minüter einmal in Köln in einem Kino zu sehen, das wird eine einmalige Erfahrung bleiben. Einige weitere herausragende Exploitation-Filme, häufig wenig bekannt, gibt es in dieser Reihe in der Filmpalette zu bestaunen. Mein persönlicher Geheimtipp für Leute, die glauben, schon alles gesehen zu haben. Und eine kleine Refn-Retrospektive gibt es obendrauf!
3. GÖTTER VON MOLENBEEK (2019) von Reetta Huhtanen
Neben den besten fiktionalen Filmen haben in der Reihe „Best of Cinema Documentary“ nun auch herausragende aktuelle Dokumentarfilme einen festen und exponierten Platz im Festialgefüge. Jeden einzelnen könnte man als fabelhaftes Beispiel hervorheben, für mich ist Götter von Molenbeek durch seine Protagonisten ganz besonders: Athos‘ Mutter ist Finnin, sein Vater Chilene. Der Sechsjährige lebt im Brüsseler Stadtteil Molenbeek, der bekannt ist als Islamistenhochburg. Mit seinem besten Freund Amine und der coolen Flo denkt er viel nach: über andere Länder, über den Tod – und über Götter. Die Dokumentarfilmerin Reetta Huhtanen zeigt die Welt von Athos‘ Augenhöhe aus. Während im Hintergrund Terror-Alarm herrscht, diskutieren die Kinder spielerisch über den Sinn des Lebens – es ist einer der hoffnungsvollsten Filme des Jahres. Ein berührender, ernsthafter und sehr wahrhaftiger Film, dem man sich nicht entziehen kann. Das Filmteam ist am 12. Oktober für die Premiere zu Gast.
Das Film Festival Cologne ist ein internationales Festival, das viele herausragende Filme aus aller Welt in seinem Programm versammelt. Mit der Reihe Made in NRW gibt es aber auch regionalen Produktionen die Gelegenheit zu scheinen. Denn die sind nicht selten genauso „international“ wie die Werke der ausländischen Kollegen. Ein tolles Beispiel dafür ist der Thriller 7500 von Patrick Vollrath. Worum geht es? Ein Flug von Berlin nach Paris. Co-Pilot Tobias Ellis bereitet routiniert den Abflug der Maschine vor. Der Start verläuft wie immer reibungslos. Doch dann versucht eine Gruppe junger Männer, ins Cockpit einzudringen. Tobias gerät in die Position, über Leben und Tod entscheiden zu müssen. Patrick Vollrath, der für seinen Kurzfilm Alles wird gut eine Oscar-Nominierung und den Studenten-Oscar erhielt, inszeniert sein Langfilmdebüt als klaustrophobischen Cockpit-Thriller. Eine Tour de Force für den brillanten Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt.
5. TODESSPIEL: ENTFÜHRT DIE LANDSHUT (1997) von Heinrich Breloer
Vom Cockpit ins Flugzeuginnere und hin zu einem der bedeutensten deutschen Fernsehfilme der 1990er Jahre: Der Zweiteiler Todesspiel von Heinrich Breloer verquickt auf eine einzigartige Weise Spielszenen mit dokumentarischen Bildern und neu gedrehten Interviews, die zum Markenzeichen des in Gelsenkirchen geborenen Regisseurs und Drehbuchautors wurden. Der zweite Teil stellt die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ ins Zentrum eines bis dahin nicht gekannten, intensiven Doku-Fiction-Filmevents. Damit nicht genug: Das Filmteam und Heinrich Breloer selbst geben sich anschließend die Ehre für ein Filmgespräch. Das Festival würdigt den bahnbrechenden Filmemacher in diesem Jahr mit einer großen Retrospektive.
Diese fünf ausgesuchten Filme illustrieren fünf Reihen des Festivals, aber insgesamt gibt es ganze 12 Reihen zu entdecken. Dazu bietet das Film Festival Cologne auch viele Fachveranstaltungen vom 10. bis 17. Oktober. Es nützt also alles nichts, am Ende muss man doch die (gut sortierte) Programmseite besuchen, um sich seinen eigenen Überblick zu verschaffen.
Das größte Kölner Publikumsfestival zeigt vom 10. bis 17. Oktober in über 100 Einzelvorstellungen eine aktuelle Auswahl der besten und wichtigsten Kino- und TV-Produktionen. Da ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Filmszene.koeln Autor Werner Busch hat sich das Programm genauer angesehen und stellt euch fünf persönliche Highlights vor:
1. DEERSKIN (2019) von Quentin Dupieux
Der französische Regisseur und Musiker Quentin Dupieux blickt nach beinahe 20 Jahren filmischer Karriere schon auf ein ausgewachsenes Œuvre zurück, das immer schon vor Kreativität und verrückten Einfällen strotzte. Mit Rubber (2010) machte er etwa einen Gummireifen zum gemeingefährlichen Serienkiller-Hauptdarsteller. Ja, genau, einen Gummireifen. Sein jüngster Streich Deerskin ist der Eröffnungsfilm des Film Festival Cologne und steht dem gutgelaunten Wahnwitz dieses Films nicht nach. Denn die Hirschlederjacke von Protagonist Georges duldet keine Nebenbuhlerinnen. Fast 8000 Euro hat der gerade von seiner Frau verlassene Franzose für sie ausgegeben und eine alte Videokamera dazu geschenkt bekommen. Jetzt gibt er sich in einem kleinen Bergkaff als Filmemacher aus – und verbietet anderen Menschen eine Jacke zu tragen. Quentin Dupieux etabliert sich weiter als letzter großer Surrealist des Kinos und bringt große Tragik in eine absurd-komische Geschichte. Übrigens: Jeder hat schon mal was von Dupieux gehört. Seine Hit-Single Flat Beat, die er als Mr. Oizo veröffentlichte, war 1999 nicht nur in Deutschland auf Platz 1 der Charts.
Donnerstag, 10. Oktober 2019 / 20:00 Uhr / Filmpalast 7 / TICKETS
2. IF FOOTMEN TIRE YOU, WHAT WOULD HORSES DO? (1971) von Ron & June Ormond und Estus W. Pirkle
Okay, ganz andere Nummer… Was passiert, wenn amerikanische Exploitation-Regisseure in den frühen 1970ern an einen sendungsbewussten Baptisten-Prediger vom Land geraten, der seine Kirchengemeinde als Statisten zu einem Anti-Kommunismus-Flick mitbringt? Richtig! Massenerschießungen, Kindsfolterungen sonder Zahl, und jede Menge Predigt. Dieser Film wurde nur selten außerhalb von Kirchen gezeigt – und niemals der breiten Öffentlichkeit. Auf Youtube geisterte eine übel dreinschauende VHS-Kopie seit Jahren herum. Doch FFCNG-Preisträger Nicolas Winding Refn nahm sich dieses Kleinodes grässlicher Menschenerziehung an und ließ eine restaurierte Fassung für seine (kostenlose) Online-Streamingplattform byNWR anfertigen. Doch diesen schlanken 52-Minüter einmal in Köln in einem Kino zu sehen, das wird eine einmalige Erfahrung bleiben. Einige weitere herausragende Exploitation-Filme, häufig wenig bekannt, gibt es in dieser Reihe in der Filmpalette zu bestaunen. Mein persönlicher Geheimtipp für Leute, die glauben, schon alles gesehen zu haben. Und eine kleine Refn-Retrospektive gibt es obendrauf!
Freitag, 11. Oktober 2019 / 21:00 Uhr / Filmpalette / TICKETS
3. GÖTTER VON MOLENBEEK (2019) von Reetta Huhtanen
Neben den besten fiktionalen Filmen haben in der Reihe „Best of Cinema Documentary“ nun auch herausragende aktuelle Dokumentarfilme einen festen und exponierten Platz im Festialgefüge. Jeden einzelnen könnte man als fabelhaftes Beispiel hervorheben, für mich ist Götter von Molenbeek durch seine Protagonisten ganz besonders: Athos‘ Mutter ist Finnin, sein Vater Chilene. Der Sechsjährige lebt im Brüsseler Stadtteil Molenbeek, der bekannt ist als Islamistenhochburg. Mit seinem besten Freund Amine und der coolen Flo denkt er viel nach: über andere Länder, über den Tod – und über Götter. Die Dokumentarfilmerin Reetta Huhtanen zeigt die Welt von Athos‘ Augenhöhe aus. Während im Hintergrund Terror-Alarm herrscht, diskutieren die Kinder spielerisch über den Sinn des Lebens – es ist einer der hoffnungsvollsten Filme des Jahres. Ein berührender, ernsthafter und sehr wahrhaftiger Film, dem man sich nicht entziehen kann. Das Filmteam ist am 12. Oktober für die Premiere zu Gast.
Samstag, 12. Oktober 2019 / 15:30 Uhr / Filmpalast 3 / Tickets
Montag, 14. Oktober 2019 / 14:00 Uhr / Filmpalast 6 / Tickets
4. 7500 (2019) von Patrick Vollrath
Das Film Festival Cologne ist ein internationales Festival, das viele herausragende Filme aus aller Welt in seinem Programm versammelt. Mit der Reihe Made in NRW gibt es aber auch regionalen Produktionen die Gelegenheit zu scheinen. Denn die sind nicht selten genauso „international“ wie die Werke der ausländischen Kollegen. Ein tolles Beispiel dafür ist der Thriller 7500 von Patrick Vollrath. Worum geht es? Ein Flug von Berlin nach Paris. Co-Pilot Tobias Ellis bereitet routiniert den Abflug der Maschine vor. Der Start verläuft wie immer reibungslos. Doch dann versucht eine Gruppe junger Männer, ins Cockpit einzudringen. Tobias gerät in die Position, über Leben und Tod entscheiden zu müssen. Patrick Vollrath, der für seinen Kurzfilm Alles wird gut eine Oscar-Nominierung und den Studenten-Oscar erhielt, inszeniert sein Langfilmdebüt als klaustrophobischen Cockpit-Thriller. Eine Tour de Force für den brillanten Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt.
Montag, 14. Oktober 2019 / 20:45 Uhr / Filmpalast 1 / Tickets
Mittwoch, 16. Oktober 2019 / 16:30 Uhr / Filmpalast 6 / Tickets
5. TODESSPIEL: ENTFÜHRT DIE LANDSHUT (1997) von Heinrich Breloer
Vom Cockpit ins Flugzeuginnere und hin zu einem der bedeutensten deutschen Fernsehfilme der 1990er Jahre: Der Zweiteiler Todesspiel von Heinrich Breloer verquickt auf eine einzigartige Weise Spielszenen mit dokumentarischen Bildern und neu gedrehten Interviews, die zum Markenzeichen des in Gelsenkirchen geborenen Regisseurs und Drehbuchautors wurden. Der zweite Teil stellt die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ ins Zentrum eines bis dahin nicht gekannten, intensiven Doku-Fiction-Filmevents. Damit nicht genug: Das Filmteam und Heinrich Breloer selbst geben sich anschließend die Ehre für ein Filmgespräch. Das Festival würdigt den bahnbrechenden Filmemacher in diesem Jahr mit einer großen Retrospektive.
Freitag, 11. Oktober 2019 / 19:30 Uhr / Filmpalast 7 / Tickets
Diese fünf ausgesuchten Filme illustrieren fünf Reihen des Festivals, aber insgesamt gibt es ganze 12 Reihen zu entdecken. Dazu bietet das Film Festival Cologne auch viele Fachveranstaltungen vom 10. bis 17. Oktober. Es nützt also alles nichts, am Ende muss man doch die (gut sortierte) Programmseite besuchen, um sich seinen eigenen Überblick zu verschaffen.
www.filmfestival.cologne
Text: Werner Busch / Fotos: Film Festival Cologne