Allgemein Filmszene Aktuell

Ein Kessel Buntes bei sommerlicher Hitze – die Kölner Kino Nächte 2023

Eigentlich ist die Sommerzeit keine Kinozeit. Biergartenbesuche und andere Outdoor-Events halten das Publikum oft lieber an der frischen Luft als im Kinosaal, egal wie gut dieser klimatisiert sein mag. Doch eine Institution der hiesigen Filmszene trotzt dem Trend bereits seit Jahren erfolgreich: Die Kölner Kino Nächte. 40 Filme an 13 Spielorten gibt es bei der 15. Ausgabe an vier Tagen (und vier Nächten) zwischen dem 29. Juni und 2. Juli zu bewundern.

Den Quasi-Startschuss am Donnerstag, den 29. Juni, gibt die Dokumentation Lagunaria (2022), den das Italienische Kulturinstitut im Filmhaus Kino in Anwesenheit des Regisseurs Giovanni Pellegrini zeigt. Wie eine Art Klammer präsentiert das Institut Francais einen der letzten Filme des Festivals: Am Sonntag, den 2. Juli, läuft um 19 Uhr im Filmforum im Museum Ludwig Chocolat (1988). Der Debütfilm der Arthouse-Regisseurin Claire Denis ist ein autobiographisch geprägtes Drama über eine Französin, die im Benin der 1950er aufgewachsen ist und in der Rückschau die kolonialen Machtverhältnisse in dem Land reflektiert.

Auch die beiden großen Kölner Filmschulen sind im Programm vertreten. Die KHM zeigt unter dem Titel „Woman Make Film“ eine Auswahl von Diplomfilmen von Absolventinnen. Basis des Programmpunktes ist ein gleichnamiges Seminar aus dem Wintersemester 22/23, in dem Studierende die (Un)Sichtbarkeit von Frauen in der Filmgeschichte untersuchten (29. Juni, 19 Uhr, Filmpalette Köln). Die ifs Internationale Filmschule hingegen präsentiert gemeinsam mit dem Festival Edimotion den John-Cassavetes-Klassiker A Woman Under the Influence (1974). Cassavetes‘ Frau Gena Rowlands spielt eine Hausfrau und dreifache Mutter, die den Rollenerwartungen gerecht werden will und mit selbigen hadert. Über die Montage des Films diskutiert im Rahmen der Reihe „ifs Begegnung Edimotion“ Kyra Scheurer mit Editor Ulf Albert in einem anschließenden Filmgespräch (30. Juni, 19 Uhr, Filmforum im Museum Ludwig).

Nicht nur Edimotion, auch weitere Kölner Festivals präsentieren Programmpunkte der Kölner Kinonächte. Das Film Festival Cologne zeigt am Samstagabend im Cinenova ein Double Feature mit zwei OSS 117-Filmen. Die vergnüglichen Parodien auf James Bond und Co. zeigen Jean Dujardin als trotteligen, chauvinistischen Geheimagenten Hubert Bonisseur de la Bath unter der Regie von Michel Hazanavicius – das Duo drehte später auch The Artist (2011). In OSS 117 – Der Spion, der sich liebte (2006) sucht der titelgebende Agent im Nahen Osten nach einem verschwundenen Kollegen, in OSS 117 – Er ist sich selbst genug (2009) jagt er Altnazis in Brasilien (1. Juli, 20:30 & 22:30 Uhr). Das Internationale Frauen Film Fest Köln + Dortmund präsentiert mit Blooming on the Asphalt (2022) einen Film, der ebenfalls in Brasilien spielt, im Gegensatz zu dem OSS 117-Jux jedoch nicht vergnüglich ist. Die Dokumentation beschreibt anhand des trans-Sohns von Regisseurin Coraci Ruiz, wie queeres Leben unter der Bolsonaro-Administration abläuft (2. Juli, 19 Uhr, Odeon). Ortsungebunden zeigt sich das traditionelle Programm „Shorts on Wheels“, welches das Kurzfilmfestival Köln veranstaltet: Die Teilnehmenden treffen sich zu einer Fahrradtour durch Köln, während derer Shorts an Hauswände projiziert werden. Der Kurzfilm als mobile Street Art und Fitnessprogramm (1. Juli, 21:30 Uhr, Startpunkt: Petershof, Lövenicher Weg 8, 50933 Köln).

OSS 117 – Spion liebte

Im Rahmen der Kölner Kino Nächte 2023 finden auch Teile der ukrainischen Filmtage NRW statt, präsentiert von Allerweltskino e.V. in Kooperation mit Blau-Gelbes Kreuz e.V., der auch schon an Veranstaltungen wie der Filmreihe #standwithukraine beteiligt war. Während der Krieg in der Ukraine sich bereits in seinem zweiten Jahr befindet, kann man sich an jedem Tag der Kölner Kinonächte ein Bild vom aktuellen ukrainischen Filmemachen verschaffen. Es geht los mit dem Drama How is Katia? (2022) über eine Rettungssanitäterin und deren titelgebende Tochter (29. Juni, 19 Uhr, Filmforum im Museum Ludwig). Es folgen Homeward (2019) über einen trauernden Vater, der die Leiche seines gefallenen Sohnes auf die Krim bringen will (30. Juni, 17 Uhr, Weisshaus Kino), das Thrillerdrama Pamfir (2022) über einen unfreiwilligen Schmuggler und die Gefahren, denen er ausgesetzt ist (1. Juli, 20 Uhr, Filmforum im Museum Ludwig) und The Forgotten (2019) über die Liebe einer 30-jährigen Ukrainischlehrerin und eines 17-jährigen Schülers im von Separatisten besetzten Luhansk (2. Juli, 17 Uhr, OFF Broadway).

Goldhammer

Hinzu kommt ein bunter Strauß an Filmen, die sich in Ausrichtung, Erscheinungsjahr und Genre unterscheiden. Da wäre beispielsweise die von Homochrom e.V. präsentierte Agitprop-Dokumentation Armee der Liebenden (1972), in der Rosa von Praunheim die homosexuelle Szene in den USA nicht nur portraitierte, sondern auch zu Solidarität mit ihr aufrief (2. Juli, 19 Uhr, Filmhaus Kino). Oder die Marius-Müller-Westernhagen-Doku Das Pfefferminz-Experiment (2019), das die Kino Gesellschaft Köln als Open-Air-Event zeigt (1. Juli, ca. 22 Uhr, MAAK). FilmInitiativ e.V. hingegen präsentiert mit La Gravité (2023) dystopische Science Fiction aus Frankreich über Ganggewalt und Untergangspanik (1. Juli, 19 Uhr, Filmhaus Kino). Auch in Heißes Pflaster Köln (1967) geht es um Machtkämpfe im Straßenmilieu, der die Rheinmetropole der 1960er als Crime City Deutschland darstellt. Genau der richtige Stoff für eine Kooperation von Köln in Film und dem Filmclub 813 (29. Juni, 20 Uhr, Kino 813 in der Brücke). Oder Goldhammer (2023), den Pablo Ben Yakow, Regisseur des ebenso gefeierten wie umstrittenen Lord of the Toys (2019), gemeinsam mit André Krummel inszenierte. Wieder eine dokumentarische Beobachtung rechter Influencer, in diesem Falle Marcel Goldammer, der homosexuell und früherer Sexarbeiter ist, in den Reihen der Neuen Rechten aber die schnellsten politischen Aufstiegsmöglichkeiten sieht. Ein Film über einen Menschen, der Überzeugungen und Identitäten wechseln kann wie Outfits, zumindest in der Öffentlichkeit (30. Juni, 21 Uhr, Odeon).

Das komplette Programm sowie alle Infos zu Filmen, Tickets und Veranstaltungsorten gibt es auf der Homepage der Kölner Kino Nächte.

Nils Bothmann

Veranstalter*innen..

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