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Filmkritik: Alien Romulus

Back to the roots: Der neue „Alien“-Film knüpft dort an, wo die Filmreihe unbestreitbar am besten war. Nämlich irgendwo zwischen Ridley Scotts Scifi-Horror-Meilenstein „Alien“ (1979) und James Camerons Action-Spektakel „Aliens“ (1986). Aber kann Regisseur Fede Alvarez wirklich an diese riesigen filmischen Vorbilder anknüpfen? Filmjournalist Frank Olbert hat sich „Alien: Romulus“ für Filmszene.Köln bereits angeschaut:

Der Weg, den Ridley Scott als Mentor der „Alien“-Reihe zurückgelegt hat, führt von einer Katze bis zur Künstlichen Intelligenz. Schließlich war es der Kater Jones, den Ellen Ripley im ersten Film unter Scotts Regie vor der Gefräßigkeit des Weltraum-Parasiten in den Cryo-Schlaf rettete, und nun möchte ihre Nachfolgerin namens Rain dasselbe Kunststück mit dem Androiden Andy wiederholen. Überhaupt hat Rain viel Ähnlichkeit mit Ripley, der Soldatin wider Willen, die 1979 ihre Darstellerin Sigourney Weaver zum Superstar machte. Neben Frisur, Kleidung und Jugendlichkeit ist es vor allem ihr Wille, das Ungeheuer auf ewig ins All zu schicken, der sie mit dem Ur-Typus aller Alien-Jäger:innen verbindet.

Rom wurde bekanntlich nicht an einem Tag erbaut – wer sollte also erwarten dürfen, dass sich das Alien so rasch bändigen ließe? Auf sechs Filme hat es das Franchise bislang gebracht, nun folgt mit „Alien: Romulus“ Teil Sieben, und wieder ist Ridley Scott, wenn schon nicht als Regisseur, so doch als Produzent mit von der Partie. Die Regie hat diesmal der mit 46 Jahren um einiges jüngere Südamerikaner Fede Alvarez („The Girl in the Spider’s Web“, „Don’t Breathe“) übernommen, und irgendwie ist das ja auch das Ziel des Films: „Alien“ der nächsten Generation, nun ja, schmackhaft zu machen.

Schauplatz ist die Raumstation Romulus und Remus, und wie man weiß, ist bei der Gründung der Stadt Rom nur derjenige der verwaisten Zwillinge siegreich geblieben, der nun im Filmtitel glänzt. In der Auseinandersetzung mit dem Alien bedeutet das allerdings nicht viel. Wie auch immer, die Motive des „Alien“-Mythos sind mit der Namensgebung treffsicher versammelt: Hier ist statt der Wölfin das Monster die Mutter aller Dinge, und es ist eine frische Brut, die sie heransäugt, so dass sich entsprechend eine neue Menschengeneration mit ihr herumplagen muss.

Eine Ripley für’s neue Jahrtausend? Cailee Spaeny als Rain Carradine in ALIEN: ROMULUS. © 2024 20th Century Studios.

Diese wächst in einer sonnenlosen Malocherstadt auf dem Planeten Varga auf, wo sich Rain und ihre Freunde dagegen wehren, wie ihre Vorfahren in der Mine verheizt zu werden. Deswegen wollen sie die verlassene Raumstation „Romulus“ ausschlachten: Mit seinen stählernen Türen, die wie ein Gebiss ineinander fahren, mit Schläuchen, die wie Adern Höhlen, Gänge und Lager durchziehen, vor allem aber mit seinen finsteren, verschatteten Winkeln und Falten wirkt das Gebilde selbst wie ein monströser Organismus – ganz so wie früher die „Nostromo“, auf der Ripley einer numinosen „Organisation“ diente. Diese hat auch jetzt ihre Finger im Spiel und schickt zur Durchsetzung ihrer Ziele – der Nutzung des Alien für die Herstellung von Biowaffen – den synthetischen Schläfer Ash vor. Das ist filmisch in zweifacher Weise bemerkenswert: weil es ein Wiedersehen nicht allein mit der ikonischen Figur des Androiden beschert, sondern auch mit dessen Darsteller Ian Holm, der 2020 gestorben ist. Mit bestem Dank an die Kollegin KI.

In gewisser Weise könnte „Alien 7“ also wie sein eigenes Remake wirken, oder besser, wie ein Best-Of aus den ersten Filmen der Reihe, die ja tatsächlich die wuchtigsten und eindrucksvollsten Beiträge waren: Die Mine auf Varga, die Art, wie Rain ihre Waffe trägt, die Hoffnungslosigkeit, in die der ungleiche Kampf gegen die Kreatur die Figuren stürzt, und die ungeheure Unwirtlichkeit der Szenerie aus Industrielook und Monsterekel – alles ist wieder da in Alvarez Reanimation der „Alien-Reihe“, die sich damit nach viel gepflegter Langeweile wieder auf die Urprünge besinnt: auf die Kombination von rasantem Horror und Zukunftstechnologie, vor allem aber auf die existenzielle Schlacht zwischen einem scheinbar perfekten Killer und seinen scheinbar wehrlosen Opfern.

Eine vorab veröffentlichte Szene sollte nach dem Willen Alvarez‘ übrigens auf VHS gepresst werden – James Cameron, 1986 Regisseur des zweiten „Alien“, hätte seine helle Freude gehabt. Doch Alvarez gelingt mehr als ein bloßes Selbstzitat, „Alien 7“ ist nicht nur eine einzige Retro-Hommage an große Zeiten. Ja, da sind KI und überaus flotte Effekte, die dafür sorgen, dass man beim Start des Raumschiffs auch als Zuschauer im Sessel erbebt; da ist die Filmmusik von Benjamin Wallfisch, die zwischen sinfonischer Triumphgeste und wüster Kakophonie vibriert. Und da sind die Darsteller, allen voran Cailee Spaeny als zugleich sensible und energiegeladene Rain, sowie David Jonsson als Android Andy, der sich von einem zart empfindsamen Zeitgenossen in einen Agenten der Organisation und zurück verwandelt – sie sorgen für neue Kraft.

Vor allem aber ist es eine gewagte, mitunter quasi-religiöse Bildsprache, mit der Alvarez nicht allein den Romulus-Mythos mit seinen Anklängen etwa an die biblische Geschichte von Kain und Abel aktiviert. Auch der Xenomorph selbst erfährt eine Metamorphose, der den Zuschauer:innen anno 2024 auf äußerst beunruhigende Weise signalisiert: Der Satan wandelt unter uns. Was will man von Science Fiction mehr? Alien ist wieder in der Gegenwart angekommen.

Frank Olbert

Alien: Romulus startet am 15. August 2024 in den deutschen Kinos. In Köln wird er zunächst im Cinedom, Filmpalast, Rex und dem Metropolis zu sehen sein.

Titelbild: © 20th Century Studios.

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