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Förderprobleme in NRW: Warum Filmkultureinrichtungen um ihre Zukunft bangen

Erst in letzter Sekunde bewilligte Fördergelder, Kredite zur Überbrückung, fehlende Planungssicherheit – für Filmkultureinrichtungen in NRW ist die Finanzierung gegenwärtig ein existenzbedrohender Drahtseilakt. Das Netzwerk Filmkultur NRW stand vor wenigen Tagen kurz vor der Insolvenz, das Kölner Filmhaus musste sich Geld leihen. Warum kommt die Kulturförderung so ins Straucheln und wie reagieren Politik und Betroffene?

Von Frank Olbert.

Wie die gesamte Freie Kulturszene in Nordrhein-Westfalen mussten auch die Filminitiativen des Landes in den vergangenen Monaten eine ziemliche Hängepartie erleben, was ihre Finanzierung durch öffentliche Mittel betraf. Das Netzwerk Filmkultur NRW e. V. stand kurz vor der Insolvenzbeantragung, wie Geschäftsführerin Lucienne Laven auf Anfrage von Filmszene.Koeln berichtet. Das Filmhaus Köln musste einen Privatkredit bei der Stadtsparkasse beantragen, so dessen Geschäftsführer Dirk Steinkühler ebenfalls auf Anfrage.

Lucienne Laven, Geschäftsführerin des Netzwerk Filmkultur NRW, Foto: Netzwerk FKNRW

Beide Vorgänge sind allerdings unterschiedlich gelagert: Das Netzwerk Filmkultur NRW wird ausschließlich aus Landesmitteln finanziert, die buchstäblich im letzten Moment geflossen sind. „Wir haben uns seit Mitte des Jahres 2024 immer wieder erkundigt, wann mit der Bewilligung der Mittel zu rechnen sei, doch diese wurde immer wieder verschoben“, so Lucienne Laven. „Und just in dem Moment, als ich mit dem Rechtsanwalt einen Termin zum Insolvenzverfahren verabredet hatte, kam endlich die Bewilligung.“

Auch das Filmhaus in Köln wird zum Teil aus Landesmitteln finanziert, doch hier hakt es derzeit bei der Stadt, die ebenfalls einen Teil der Mittel bereitstellt. „Dort muss eine neue Fördervereinbarung abgeschlossen werden, die mit einer Beschlussvorlage zunächst sowohl in den Kultur- als auch in den Finanzausschuss und dann vom Rat verabschiedet werden muss. Das ist zwar nur eine Formalie, doch diese ist notwendig, damit wir Fördermittel der Stadt ausgezahlt bekommen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns um einen Kredit bei der Stadtsparkasse bemüht und diesen auch relativ schnell bekommen“, sagt Dirk Steinkühler.

Politische Hürden und finanzielle Engpässe

Dirk Steinkühler, Geschäftsführer des Filmhaus Köln, Foto: Hojabr Riahi / Film- und Medienstiftung NRW

Das Problem der verzögerten Finanzierung hat bereits den Düsseldorfer Landtag beschäftigt. Hier haben die Oppositionsparteien aus SPD und FDP eine Anfrage an die Regierung aus CDU und Grünen gestellt, die Mitte März im Ausschuss für Kultur und Medien diskutiert wurde – bei dieser Gelegenheit konnte neben Vertreter:innen von Tanz und Darstellenden Künsten auch Lucienne Laven auf die Situation des Films in NRW hinweisen. Im Antrag der Fraktionen von SPD und FPD unter dem Titel „Kulturelle Vielfalt sichern – Kulturförderung stabilisieren und Förderportale für 2025 unverzüglich freischalten“ heißt es: „Insbesondere die Freie Szene droht durch eine finanzielle Unterversorgung und mangelnde Planungssicherheit in eine existenzgefährdende Lage zu geraten.“ Weiter stellen die Oppositionsparteien fest: „Die Landesregierung lässt kein Konzept erkennen, wie die angespannte Lage im Kultursektor bewältigt werden soll und nimmt damit schwerwiegende Schäden für die Kulturszene billigend in Kauf.“

In der Ausschussitzung von 13. März 2025 war Lucienne Laven als Sachverständige im Ausschuss für Kultur und Medien des Landtags NRW geladen, um die freie Szene der Filmkultur in NRW zu vertreten und schilderte die dramatische gegenwärtige Situation, LINK ZUM VIDEO (Instagram).

Zuständige Ministerin für Kultur und Wissenschaft in Düsseldorf ist Ina Brandes von der CDU. Sie stellte in einer Befragung deutscher Landesminister:innen durch den Kulturrat zur Frage der Kulturfinanzierung jüngst fest, dass die politische Umbrüche der vergangenen Jahre und Monate auch die Landeshaushalte zu Einsparungen nötige – zu diesen Disruptionen zählt Brandes den russischen Angriff auf die Ukraine, die Energie-Engpässe sowie die US-Wahl. Auch ihr Haus, das Doppelministerium für Wissenschaft und Kultur, müsse Kürzungen im Umfang von 750 Millionen Euro hinnehmen. „Der Kulturhaushalt ist mit vergleichsweise moderaten 5,5 Millionen Euro – das entspricht 1,74 Prozent – betroffen.“ Es sei ihr gelungen, so Brandes, „die großen institutionellen Förderungen auf dem gleichen Niveau wie 2024 zu halten“. Die Opposition in Düsseldorf wie auch Vertreter der Freie Szene beklagen, dass Letztere in Brandes Äußerungen nicht oder nur am Rande vorkommt.

Existenzbedrohende Verzögerungen

Beim Netzwerk Filmkultur NRW handelt es sich um einen noch jungen Verein, dem noch keine eigenen Mittel zur Verfügung stehen. „Wir werden komplett durch das Land finanziert – bleibt also die Bewilligung aus, wie nun geschehen, fehlt uns entsprechend das Geld“, so Geschäftsführerin Lucienne Laven. „Wir haben jedoch ein Büro, Personal, wir müssen monatlich Sozialabgaben bezahlen – wir hätten das Büro schließen und das Personal entlassen müssen.“

Ina Brandes ist seit 2022 Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Foto: MKW/Anja Tiwisina

Die Grünen im Düsseldorfer Landtag bringen einerseits Verständnis für die Nöte der Freien Szene auf, verweisen andererseits aber auf politische Zwangslagen: Im Rahmen der Anhörung hätten viele Unklarheiten ausgeräumt und wichtige Perspektiven eröffnet werden können. „Eine grundlegende Forderung der Sachverständigen und Kulturschaffenden bleibt die langfristige Planbarkeit und die Verstetigung von Förderaufwendungen, wenngleich uns viel Verständnis für die angespannte Lage im Landeshaushalt und die damit einhergehenden Sachzwänge entgegenschlug“, heißt es im aktuellen Newsletter der Grünen. Die Fraktion sei sich der Herausforderungen und Belastungen, mit denen Kulturschaffende infolge befristeter oder spät bewilligter Förderungen zu kämpfen haben, sehr bewusst – „wir werden uns auch weiterhin für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und längerfristige Förderungen in diesem Bereich einsetzen“, heißt es seitens des kleineren Koalitionspartners.

Dirk Steinkühler vom Kölner Filmhaus verweist auf die schwierige Situation der vergangenen Monate: „Gerechterweise muss man sagen, dass die Finanzierung nicht immer so verzögert stattfindet – das ist ein Problem dieses Jahres. Es betrifft alle Sparten“, sagt er. Was die Finanzierung seines Hauses durch Düsseldorf betrifft, sei zuletzt alles rasch verlaufen. „Das Land hat, so muss man positiv sagen, sehr schnell reagiert. Nachdem sich die Beantragung hingezogen hat, ging die Bearbeitung schnell – vergangene Woche wurde eine Bewilligung ausgestellt, wir konnten auch sofort eine Rate abrufen.“

Was jetzt passieren muss

Die nordrhein-westfälische Kulturförderung unterscheidet zwischen verschiedenen Varianten – zwischen der Projektförderung, die für ein Jahr vergeben wird, sowie den Verpflichtungsermächtigungen (VE) für Organisationen wie zum Beispiel Filmfestivals, die auf eine längerfristige Planung angewiesen sind. „Es fragt sich, warum Institutionen der NRW-Filmkultur, die teilweise seit mehr als 20 oder 30 Jahren aktiv sind, noch immer von Projektmitteln abhängig sind“, gibt Lucienne Laven vom Netzwerk Filmkultur NRW zu bedenken. „Warum gibt es da keine institutionelle Förderung? Das werden wir zwar nicht so schnell verändern, doch das wäre der Weg, der eingeschlagen werden müsste.“

Andererseits habe man aktuell gesehen, dass auch die VE nicht wirklich Sicherheit geben, was eigentlich ihre Aufgabe wäre. „Wenn sie nicht bewilligt werden, gibt es nichts. Es handelt sich also um eine Scheinsicherheit.“

Umso wichtiger erscheint Lucienne Laven, jetzt gemeinsam mit dem Ministerium in einen strukturierten Dialog über tragfähige Fördermodelle für die Freie Szene zu treten. „Dafür gibt es gute Signale und dieser Austausch ist notwendig, wenn man neue verlässliche Strukturen entwickeln will. Doch solche Prozesse brauchen Zeit – Zeit für Gespräche, für sorgfältige Planung und transparente Kommunikation.“

Wer diesen Dialog ernst nehme, setze damit auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Freien Szene, meint die Geschäftsführerin des Netzwerks Filmkultur NRW. „Meiner Ansicht nach wäre es sinnvoll, jetzt Planungssicherheit für das kommende Jahr zu schaffen, und parallel in Ruhe und gemeinsam die Grundlagen für die Folgejahre zu erarbeiten. Es geht nicht allein um langfristige Sicherheit – es geht auch um Sicherheit jetzt. Wir müssen zweigleisig fahren.“

Frank Olbert


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