Filmkritik

Filmkritik: Milch ins Feuer

KHM-Absolventin Justine Bauer wagt mit Milch ins Feuer ein bemerkenswert authentisches Debüt: Ein Heimatfilm, der den Alltag dreier Bäuerinnen zeigt – ohne Kitsch, aber mit poetischer Wucht. Zwischen Heuernte, Hofarbeit und familiären Konflikten erzählt der Film von weiblicher Selbstbehauptung, ökonomischem Druck und den Rissen in einer Welt, die um ihren Fortbestand kämpft. Doch die Rohheit birgt auch problematische Momente.


Mit dem alten McCormick Heu wenden fahren, Bullen reiten, Schwimmen gehen, widerspenstige Kühe im Melkstand, den schlecht gelaunten Nachbar-Bauer ertragen, Oma erzählt von früher und die Tomaten sind dieses Jahr besonders gut. Milch im Feuer checkt sämtliche inhaltlichen Boxen für einen authentischen Film über Landwirtschaft. Kenner:innen der Materie merken sofort: Die Filmemacherin schöpft aus ihrer eigenen Biografie.

Das Langfilm-Debüt von Justine Bauer spielt in einem baden-württembergischen Dorf, in dem drei Generationen von Frauen in einem Sommer zwischen Tradition und Aufbruch leben. Im Zentrum steht Katinka, die den Hof weiterführen will – gegen alle Widrigkeiten. Ihre Mutter sieht darin eine Sackgasse, während die Schwester mit einer ungeplanten Schwangerschaft ringt. Milch ins Feuer zeigt patriarchale Strukturen, die in bäuerlichen Kontexten noch immer wirken, und macht daraus einen stillen Kampf um Selbstbestimmung.

Stilistisch geht Bauer ziemlich kompromisslose Wege: Gedreht im 4:3-Format, meidet der Film Postkartenpanoramen und konzentriert sich auf Gesichter, Hände und Arbeit. Der Alltag – Melken, Füttern, Heuwenden – wird im ruhigen Rhythmus der Bilder poetisch verdichtet, vermeidet aber die immer gefährlich nah scheinende Romantisierung. Laiendarstellerinnen, die in der Region verwurzelt sind, sprechen im Dialekt; Johanna Wokalek als Mutter ist die einzige prominente Besetzung. Die Bildsprache bleibt nah an der Erde, zugleich sensibel in den Gesten. Der ausdrucksstarke und sehr gelungene Soundtrack von Cris Derksen wird angenehm spärlich, dafür umso kraftvoller eingesetzt.

Die Erzählstruktur ist fragmentarisch, fast skizzenhaft. Statt klassischer Dramaturgie setzt der Film auf lose verbundene Szenen, die sich zu einem vielschichtigen Stimmungsbild fügen. Dieser „meditativer Realismus“ erlaubt eine ungefilterte Nähe zum Leben auf dem Land – mit seinen Ritualen, Mühen und kleinen Freiräumen.

Problematisch bleibt jedoch der Umgang mit Tieren. Schon die Eröffnung mit dem (symbolisch verklausulierten) Ersäufen von Katzenbabys setzt ein drastisches Bild. Später wird eine sterbende Katze am Straßenrand mit einer Schaufel geköpft, und die realen Hoden eines kastrierten Tieres landen als makabrer Gag im Maul eines Hundes. Diese Szenen wirken kalkuliert provokant, doch Bauers Haltung zum Spannungsfeld von Fürsorge und Gewalt bleibt unklar. Rohe Authentizität oder unkritische Grenzüberschreitung? Der Film gibt keine Antwort – und das dürfte bei vielen einen bitteren Beigeschmack hinterlassen.

Milch ins Feuer ist ein Heimatfilm ohne falsche Nostalgie, ein feministischer Gegenentwurf zu gängigen Landklischees. Justine Bauer und Kameramann Pedro Carncier finden kraftvolle Bilder für die Zerbrechlichkeit einer Lebensform – der Film scheut weder Härte noch Brüche. Doch wo rohe Wirklichkeit in beiläufige Grausamkeit kippt, wünscht sich der ängstliche Zuschauer wahrscheinlich eine klarere Haltung. Ein mutiger, intensiver Film, der nachwirkt – und provoziert.


Der Film feiert seine Köln-Premiere am Mittwoch, 6.8., 20:00 Uhr im Odeon mit Team, Cast & Filmstiftung NRW, die die Produktion förderte.

Kinostart ist am 7. August: der Film wird im Odeon und in der Filmpalette Köln laufen.


Update | 8. August | Bilder der Premiere im Odeon, Fotos: Kern des Ganzen

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