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Solidarität, Strategien und Selbstbehauptung von Next Generation Filmemacherinnen

Wie gelingt der Einstieg in eine Branche, die Kreativität verlangt, aber selten Sicherheit bietet? Bei der LaDOC-Veranstaltung Next Generation: Strategien der Filmemacherinnen von morgen im Filmhaus Köln sprachen drei junge Regisseurinnen über ihren Weg zwischen künstlerischem Anspruch, Geldsorgen und Gemeinschaft. Es ging um Strategien des Überlebens, um Solidarität statt Konkurrenz – und darum, wie man Filmemachen lernt, ohne dabei sich selbst zu verlieren.

Von Sandra Riedmair.


Letzte Woche war ich im Filmhaus bei bei Ladoc Veranstaltung Next Generation: Strategien der Filmemacherinnen von morgen. Zu Gast waren Kim Lea Sakkal, Laura Heinig und Lenia Friedrich, deren Kurzfilme zuletzt viel Aufmerksamkeit auf internationalen Festivals bekamen. Die Ladoc Gründerinnen, die selbst wie zwei der Gäste an der KHM studiert haben, wollten wissen, wie es so läuft oder besser: laufen kann. Da ich selbst dieser nächsten Generation angehöre, hat mich natürlich interessiert, was die Strategien sind, sich in der Branche zu behaupten. Die Situationen für Filmemacherinnen hat sich zwar bekanntermaßen verbessert, gleichberechtigt ist sie jedoch noch lange nicht. LaDOC hat sich aus diesen Gründen 2003 gegründet, ein  Netzwerk aus Dokumentarfilmemacherinnen, mit dem Anliegen sich zu solidarisieren und Wissen über die Branche zu teilen.

An der Kunsthochschule für Medien wird man bekanntermaßen so gut wie gar nicht auf den sogenannten Markt vorbereitet. „Filmemachen“ und „auf den Markt vorbereitet werden“ sind zwei streng voneinander getrennte Sphären. Das gibt einem viel künstlerische Freiheit – bis man Markt kennenlernt und sich wundert, warum Markt ganz andere Vorstellungen von der Beziehung hat. Was Markt genau erwartet, trifft einen unerwartet. Vage Versprechungen, plötzliche Gefühlskälte, love bombing – wenn man Glück hat. Immer wieder muss man sich erinnern, warum man Markt überhaupt in sein Leben gelassen hat. Beginnt sich aus Selbstschutz anderweitig umzusehen. Nach neuen potenziellen Partnern, die Markt ähneln, um weiterhin für Markt attraktiv zu bleiben. Überhaupt versucht man alles mögliche, um für Markt attraktiv zu sein, all das hat mit dem Filmemachen nichts zu tun. Findet Markt einen kurzzeitig gut, eröffnen sich Chancen das Power Game von Markt zu beeinflussen. Denn wer Markt verändern will – und dass wollten schon viele – sollte sich wappnen.

An diesem Abend wird viel darüber gesprochen, wie man sich Markt überhaupt leisten kann. Eine Zuschauerin fragt frech, wieso sich die nächste Generation die Dumping Preise gefallen lässt und sich im Prekariat einrichtet. Warum fordert ihr nicht mehr? Kurze Empörung. Ich bin auch empört – wie soll man darauf antworten? – und frage mich später, ja warum eigentlich nicht? Alle schauen nach vorne in Richtung nächster Generation. Kim Lea Sakkal versucht es mit dem Hinweis, dass heute viel mehr Filme gemacht werden, die Konkurrenz sei viel größer. Laura Heinig fragt zurück, wo denn das Geld liege, das man fordern soll. Das weiß niemand. Aus dem Publikum kommt der Hinweis, dass auch der WDR immer mehr Stellen abbaut und Freie immer weniger Schichten bekämen. Das ist die Stimmung.

Die Situation für Frauen* in der Filmbranche hat sich verbessert. Das ist ein Fortschritt, trotzdem will jemand wissen, ob es ein Problem sei, dass man jetzt Jobs bekomme, weil man eine Frau* ist. Kim Lea Sakkal sagt: Ist doch egal. Männer kriegen seit immer Jobs, weil sie Männer sind.

Eine Strategie, die an diesem Abend ausgemacht wird, ist die Kollektivbildung, wie es die Absolvent:innen der KHM rund um die Produktionsfirma Filmfaust betreiben. Kim war Regieassistentin bei Mehmet Akif Büyükatalays Film HYSTERIA. Der wiederum hat Kims Kurzfilm und anstehenden Langfilm produziert. Man gibt sich gegenseitig Jobs, das findet Luzia Schmidt spannend, weil da gehe es ja tatsächlich um Geld. Und Geld fehlt immer, wenn Drehbücher 5 Jahre entwickelt werden. Wie stellt man sich da schlau auf? Die Frage steht im Raum, ob es unter diesen Umständen doch schlauer ist, polygam zu leben, zwei bis fünf Projekte, irgendwas klappt dann schon. Lenia Friedrich hat sich über die Jahre so breit aufgestellt, dass sie ihre Themen in ganz verschiedenen Medien verarbeiten kann, arbeitet als Animatorin und Grafikerin. Flexibel sein, sich breit aufstellen, im richtigen Moment wirklich am eigenen Projekt arbeiten anstatt immer wieder Jobs anzunehmen, die das Schreiben verhindern, vorausgesetzt man kann es sich leisten. Das ist der Seiltanz.

Doch die Frage, warum wir uns alle im Prekariat einrichten, hallt noch lange nach. Sie betrifft nicht nur junge Filmemacherinnen sondern die Kulturszene generell. Wie viel Sicherheit brauchen wir, um in ihr zu bestehen? Der konservative Kurs im Land droht die immer noch bestehenden Ungleichheiten wieder zu manifestieren anstatt sie aufzubrechen. Da mag es gerade noch ein glücklicher Umstand sein, dass Diversitäts- und Gleichstellungsziele in Förderrichtlinien vorkommen. Doch die Arbeit, diese Ziele zu verteidigen und weiter zu verfolgen, bedarf umfangreicher Ressourcen, die meist von Betroffenen aufgebracht werden. Formate wie dieses oder New Frames, das sich im Zuge der mangelnden Aufarbeitung des Film Festival Cologne gegründet hat, sind deshalb wichtiger denn je.

Die beste Strategie ist vielleicht also der Abend selbst. Gemeinsam im Kino zu sitzen und sich gegenseitig zu befragen, Zeit zu verbringen und sich erinnern, dass man Markt nicht alleine aushalten sollte und muss.

LaDOC-Lecture „Next generation“ – Strategien der Filmemacherinnnen von morgen, Fotos: Angelika Huber | LaDOC

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