Die Duisburger Filmwoche bleibt das klügste, konzentrierteste Forum des deutschsprachigen Dokumentarfilms – ein Festival, das mit Filmen denkt statt sie nur zu zeigen. Zwei herausragende Beiträge kommen in diesem Jahr aus Köln: Danila Lipatovs Elbows in Shatters und Suse Itzels Ich hätte lieber einen anderen Film gemacht, beide entstanden an der KHM.
Von Werner Busch.
Die Duisburger Filmwoche bleibt auch in ihrer 49. Ausgabe der vielleicht konzentrierteste Ort für den deutschsprachigen Dokumentarfilm. Vom 3. bis 9. November 2025 zeigt sie im filmforum am Dellplatz eine kuratierte Auswahl aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – ohne parallele Vorführungen, dafür mit Zeit für das Wesentliche: die Filmgespräche. Die Debatten sind hier keine Kür, sondern Programm; ihre Protokolle werden im Online-Archiv Protokult fortgeschrieben und machen die Diskursgeschichte des Festivals öffentlich nachvollziehbar.
Prägend ist die viel zitierte „Duisburger Topographie“: Kino und Diskussionssaal bilden ein zusammenhängendes Erfahrungsfeld – erst die konzentrierte Projektion, dann das öffentliche Gespräch gegenüber, in diesem Jahr im BORA. Dieses Format schafft eine seltene Intensität zwischen Filmschaffenden und Publikum und erklärt, warum das Festival seit 1977 als Ort für präzises Nachdenken über Form, Methode und gesellschaftlichen Kontext des Dokumentarischen gilt.
Dass Reflexion und Anerkennung zusammengehen, zeigt der Preisabend am 8. November: Vergeben werden u. a. der 3sat- und ARTE-Dokumentarfilmpreis (je 6.000 €), der Preis der Stadt Duisburg (5.000 €) für kurze und mittellange Arbeiten, die „Carte blanche“ des Landes NRW (5.000 €) sowie ein Publikumspreis. Die Auszeichnungen markieren keine Konkurrenzlogik, sondern würdigen Arbeiten, die im Duisburger Gespräch bestehen.
Zwei Positionen aus Köln: Danila Lipatov und Suse Itzel (beide KHM)
ELBOWS IN SHATTERS – Danila Lipatov Mi, 5.11., 12:00 Uhr, Uraufführung, OmU (Tadschikisch/Russisch/Englisch) Lipatov erkundet in lose verbundenen Bildern Duschanbe, die Hauptstadt Tadschikistans. Ausgangspunkt ist eine persönliche Spurensuche: Verwandte lebten hier bis zur Flucht in den 1990er-Jahren; rund um das Jugendkulturzentrum Bactria findet der Regisseur eine temporäre Gemeinschaft, die Gegenwart umarmt und Geschichte streift. Der Film formt Tableaus des Zusammenseins – ein autobiografischer Blick, der sich in Stadtraum, Stimmen und Beziehungen einschreibt.
ICH HÄTTE LIEBER EINEN ANDEREN FILM GEMACHT – Suse Itzel Fr, 7.11., 14:30 Uhr, Deutsch mit englischen Untertiteln Itzel entwirft einen dokumentarischen Essay über die Arbeit am Unsagbaren. Projektionen wandern über Wände, aus Familienfotos sind Figuren ausgeschnitten, eine grüne Couch wird zur Skulptur. Aus dem Off spricht eine Stimme über den Versuch, Kontrolle über eine von sexualisierter Gewalt geprägte Vergangenheit zurückzugewinnen. Das Ergebnis ist ein ebenso formbewusster wie schonungslos präziser Film über Schmerz, Erinnerung und Autorschaft.
Beide Arbeiten entstanden an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) – Lipatovs Film als Diplomproduktion, Itzels Film als experimenteller Essay – und schlagen exemplarisch die Brücke zwischen Kölner Ausbildungspraxis und der diskursiven Bühne in Duisburg.
ICH HÄTTE LIEBER EINEN ANDEREN FILM GEMACHTvon Suse Itzel, Foto: KHM
Warum das wichtig ist
Die Filmwoche zeigt seit jeher, dass Dokumentarfilm mehr ist als Recherche plus Beobachtung. Er ist eine öffentliche Methode, die im Gespräch überprüft wird. Lipatovs Poetik des Ankommens und Itzels selbstreflexiver Zugriff auf autobiografisches Material stehen für zwei der stärksten Bewegungen im aktuellen Dokumentarfilm: transnationale Spurensuche und radikale Subjektivität. In Duisburg bekommen diese Ansätze die Gesprächsbedingungen, die sie brauchen – präzise, widerspruchsfreundlich, ohne Ablenkung durch Nebenschauplätze.
Leiter der Duisburger Filmwoche ist Alexander Scholz, der selbst aus Köln stammt. Seit 2021 prägt er das Profil des Festivals mit einer Mischung aus analytischer Schärfe und offener Gesprächskultur. Scholz, der zuvor als Kurator, Autor und Lehrbeauftragter im Bereich Dokumentarfilm tätig war, versteht die Filmwoche als Ort gemeinsamer Erkenntnis – ein Labor des Dokumentarischen, das sich jedes Jahr neu erfindet, ohne seine Haltung zu verlieren.
Hinweis: Termine, Sprachen und Vorführstatus: Elbows in ShattersMi, 5.11., 12:00 Uhr, Uraufführung; Ich hätte lieber einen anderen Film gemachtFr, 7.11., 14:30 Uhr. Ort: filmforum am Dellplatz, Debatten im BORA. Weitere Informationen über die Festival-Website: www.duisburger-filmwoche.de
Titelbild: ELBOWS IN SHATTERS von Danila Lipatov, Foto: KHM
Die Duisburger Filmwoche bleibt das klügste, konzentrierteste Forum des deutschsprachigen Dokumentarfilms – ein Festival, das mit Filmen denkt statt sie nur zu zeigen. Zwei herausragende Beiträge kommen in diesem Jahr aus Köln: Danila Lipatovs Elbows in Shatters und Suse Itzels Ich hätte lieber einen anderen Film gemacht, beide entstanden an der KHM.
Von Werner Busch.
Die Duisburger Filmwoche bleibt auch in ihrer 49. Ausgabe der vielleicht konzentrierteste Ort für den deutschsprachigen Dokumentarfilm. Vom 3. bis 9. November 2025 zeigt sie im filmforum am Dellplatz eine kuratierte Auswahl aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – ohne parallele Vorführungen, dafür mit Zeit für das Wesentliche: die Filmgespräche. Die Debatten sind hier keine Kür, sondern Programm; ihre Protokolle werden im Online-Archiv Protokult fortgeschrieben und machen die Diskursgeschichte des Festivals öffentlich nachvollziehbar.
Prägend ist die viel zitierte „Duisburger Topographie“: Kino und Diskussionssaal bilden ein zusammenhängendes Erfahrungsfeld – erst die konzentrierte Projektion, dann das öffentliche Gespräch gegenüber, in diesem Jahr im BORA. Dieses Format schafft eine seltene Intensität zwischen Filmschaffenden und Publikum und erklärt, warum das Festival seit 1977 als Ort für präzises Nachdenken über Form, Methode und gesellschaftlichen Kontext des Dokumentarischen gilt.
Dass Reflexion und Anerkennung zusammengehen, zeigt der Preisabend am 8. November: Vergeben werden u. a. der 3sat- und ARTE-Dokumentarfilmpreis (je 6.000 €), der Preis der Stadt Duisburg (5.000 €) für kurze und mittellange Arbeiten, die „Carte blanche“ des Landes NRW (5.000 €) sowie ein Publikumspreis. Die Auszeichnungen markieren keine Konkurrenzlogik, sondern würdigen Arbeiten, die im Duisburger Gespräch bestehen.
Zwei Positionen aus Köln: Danila Lipatov und Suse Itzel (beide KHM)
ELBOWS IN SHATTERS – Danila Lipatov
Mi, 5.11., 12:00 Uhr, Uraufführung, OmU (Tadschikisch/Russisch/Englisch)
Lipatov erkundet in lose verbundenen Bildern Duschanbe, die Hauptstadt Tadschikistans. Ausgangspunkt ist eine persönliche Spurensuche: Verwandte lebten hier bis zur Flucht in den 1990er-Jahren; rund um das Jugendkulturzentrum Bactria findet der Regisseur eine temporäre Gemeinschaft, die Gegenwart umarmt und Geschichte streift. Der Film formt Tableaus des Zusammenseins – ein autobiografischer Blick, der sich in Stadtraum, Stimmen und Beziehungen einschreibt.
ICH HÄTTE LIEBER EINEN ANDEREN FILM GEMACHT – Suse Itzel
Fr, 7.11., 14:30 Uhr, Deutsch mit englischen Untertiteln
Itzel entwirft einen dokumentarischen Essay über die Arbeit am Unsagbaren. Projektionen wandern über Wände, aus Familienfotos sind Figuren ausgeschnitten, eine grüne Couch wird zur Skulptur. Aus dem Off spricht eine Stimme über den Versuch, Kontrolle über eine von sexualisierter Gewalt geprägte Vergangenheit zurückzugewinnen. Das Ergebnis ist ein ebenso formbewusster wie schonungslos präziser Film über Schmerz, Erinnerung und Autorschaft.
Beide Arbeiten entstanden an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) – Lipatovs Film als Diplomproduktion, Itzels Film als experimenteller Essay – und schlagen exemplarisch die Brücke zwischen Kölner Ausbildungspraxis und der diskursiven Bühne in Duisburg.
Warum das wichtig ist
Die Filmwoche zeigt seit jeher, dass Dokumentarfilm mehr ist als Recherche plus Beobachtung. Er ist eine öffentliche Methode, die im Gespräch überprüft wird. Lipatovs Poetik des Ankommens und Itzels selbstreflexiver Zugriff auf autobiografisches Material stehen für zwei der stärksten Bewegungen im aktuellen Dokumentarfilm: transnationale Spurensuche und radikale Subjektivität. In Duisburg bekommen diese Ansätze die Gesprächsbedingungen, die sie brauchen – präzise, widerspruchsfreundlich, ohne Ablenkung durch Nebenschauplätze.
Leiter der Duisburger Filmwoche ist Alexander Scholz, der selbst aus Köln stammt. Seit 2021 prägt er das Profil des Festivals mit einer Mischung aus analytischer Schärfe und offener Gesprächskultur. Scholz, der zuvor als Kurator, Autor und Lehrbeauftragter im Bereich Dokumentarfilm tätig war, versteht die Filmwoche als Ort gemeinsamer Erkenntnis – ein Labor des Dokumentarischen, das sich jedes Jahr neu erfindet, ohne seine Haltung zu verlieren.
Hinweis: Termine, Sprachen und Vorführstatus: Elbows in Shatters Mi, 5.11., 12:00 Uhr, Uraufführung; Ich hätte lieber einen anderen Film gemacht Fr, 7.11., 14:30 Uhr. Ort: filmforum am Dellplatz, Debatten im BORA. Weitere Informationen über die Festival-Website: www.duisburger-filmwoche.de
Titelbild: ELBOWS IN SHATTERS von Danila Lipatov, Foto: KHM