Eine neue Befragung, die jüngst auf der Duisburger Filmwoche vorgestellt wurde, legt offen, wie brüchig die finanzielle Basis vieler Filmkurator:innen ist – trotz hoher Qualifikation und teils jahrelanger Erfahrung. Die Zahlen zeigen: Kuratieren hält Filmkultur am Laufen, wird aber oft so vergütet, dass es ohne Nebenjobs, Unterstützung oder Selbstausbeutung kaum geht.
Von Werner Busch.
Auf der Duisburger Filmwoche 2025 wurde eine neue Studie zur prekären Lage von Filmkurator:innen durch Jenny Krüger (ifs Internationale Filmschule Köln / Edimotion Festival) vorgestellt. Grundlage ist eine Befragung mit Rückmeldungen 68 Kurator:innen und von 27 Veranstaltern – und schon diese Stichprobe zeichnet ein Bild, das viele in der Szene aus Erfahrung kennen, nun aber mit Zahlen unterlegt ist: viel Verantwortung, viel Vor- und Nachbereitung, hoher Anspruch – und Honorare, die selten dazu passen. In der Diskussion mit Filmjournalist Sven von Reden, Kulturwissenschaftler Johannes Franzen und Filmkuratorin Katharina Schröder wurde eingehend über diese neuen Zahlen gesprochen – und was sie bedeuten.
Wenn man übers Geld in der Kulturbranche reden muss, über Vergütungen und Arbeit, Arbeitszeiten und die Leben, die dahinterstehen, wird es schnell sehr ernst und existenziell. Besonders deutlich wurde dies bei der Vorstellung der Studie mit Blick auf die typischen Stundensätze. In der Erhebung liegt bei 45,8 % der genannte Satz unter 20 Euro, weitere 25 % bewegen sich bei 20–29 Euro, und 29,2 % bei 30–39 Euro. Damit wird Kuratieren in vielen Fällen auf einem Niveau bezahlt, das kaum Spielraum für Rücklagen, Krankheitstage oder Phasen ohne Aufträge lässt – obwohl es sich um eine Tätigkeit handelt, die Programmkompetenz, Netzwerkpflege, Textarbeit, Rechte- und Kopienlogistik, Moderation und oft auch Vermittlung umfasst.
Noch härter wirkt der Befund, wenn man das Jahreshonorar aus kuratorischer Arbeit betrachtet: 61,5 % der Befragten geben an, im letzten Jahr unter 10.000 Euro (netto) verdient zu haben; 26,9 % lagen zwischen 10.000 und 19.999 Euro. Höhere Bereiche kommen nur in kleinen Anteilen vor. Kuratieren erscheint damit für viele nicht als tragfähige Erwerbsbasis, sondern als Patchwork-Baustein – oder als Beruf, der nur funktioniert, wenn man ihn querfinanziert.
Genau das spiegelt die Frage nach weiteren Einkommensquellen: 21,4 % sagen, sie hätten keine zusätzlichen Quellen; die größte Gruppe nennt einen Job innerhalb der Kulturbranche (45,2 %). Außerdem tauchen Unterstützungsmodelle auf – etwa durch Partner:in/Familie (9,5 %) – und weitere kleine Anteile von Nebenjobs außerhalb der Kultur oder sozialen Leistungen. Hinter diesen Kategorien steckt eine Strukturfrage: Wer keine Rücklagen hat, wer keine familiäre Absicherung besitzt, wer nicht dauerhaft zusätzliche Arbeit leisten kann, wird aus dem Feld gedrängt – und mit ihm gehen Perspektiven, Diversität und Erfahrung verloren.
Auch bei der Vertragspraxis zeigt sich Unsicherheit. Nur 15,4 % erhalten immer vertragliche Regelungen zu Honorar und Leistung; jeweils 34,6 % sagen „meistens“ bzw. „selten“, und 15,4 % bekommen nie klare vertragliche Absprachen. Das ist nicht nur ein administratives Problem, sondern ein Macht- und Risikothema: Wenn Leistung, Umfang und Vergütung nicht sauber definiert sind, steigt die Wahrscheinlichkeit von unbezahlter Mehrarbeit – und die Hemmschwelle, über Geld zu sprechen, bleibt hoch.
Die demografischen Angaben unterstreichen den Widerspruch zwischen Qualifikation und Bezahlung: Zwei Drittel der Befragten ist im Kernalter der Berufsausübung (Schwerpunkt 30–49) und hoch ausgebildet – 78,6 % nennen als höchsten Abschluss einen Master. Gleichzeitig beschreiben Kommentare von Teilnehmer:innen der Studie eine Mischung aus Leidenschaft und Erschöpfung: Man liebe den Job, aber könne „keine Rücklagen bilden“; man fürchte, beim Verhandeln als „Störenfried“ zu gelten oder „auf einer schwarzen Liste zu landen“; und der Satz „Früher machten wir unser Hobby zum Beruf – und heute wird unser Beruf zum Hobby gemacht“ bringt die Abwärtsspirale bitter auf den Punkt.
Die Studie macht damit sichtbar, was kulturpolitisch oft übersehen wird: Kuratieren ist nicht „nice to have“, sondern Infrastruktur. Ohne faire Honorare, transparente Budgets und Mindeststandards bei Verträgen wird Filmkultur zur freiwilligen Selbstausbeutung – und am Ende zum Privileg derer, die es sich leisten können. Als nächste Schritte drängen sich Fragen auf, die man aus den Daten heraus direkt ableiten kann: Welche Mindesthonorare sind realistisch? Wie wird Vorbereitungszeit kalkuliert? Und wie lassen sich Standards so verankern, dass Verhandeln nicht mehr als persönliches Risiko empfunden werden muss?
Eine neue Befragung, die jüngst auf der Duisburger Filmwoche vorgestellt wurde, legt offen, wie brüchig die finanzielle Basis vieler Filmkurator:innen ist – trotz hoher Qualifikation und teils jahrelanger Erfahrung. Die Zahlen zeigen: Kuratieren hält Filmkultur am Laufen, wird aber oft so vergütet, dass es ohne Nebenjobs, Unterstützung oder Selbstausbeutung kaum geht.
Von Werner Busch.
Auf der Duisburger Filmwoche 2025 wurde eine neue Studie zur prekären Lage von Filmkurator:innen durch Jenny Krüger (ifs Internationale Filmschule Köln / Edimotion Festival) vorgestellt. Grundlage ist eine Befragung mit Rückmeldungen 68 Kurator:innen und von 27 Veranstaltern – und schon diese Stichprobe zeichnet ein Bild, das viele in der Szene aus Erfahrung kennen, nun aber mit Zahlen unterlegt ist: viel Verantwortung, viel Vor- und Nachbereitung, hoher Anspruch – und Honorare, die selten dazu passen. In der Diskussion mit Filmjournalist Sven von Reden, Kulturwissenschaftler Johannes Franzen und Filmkuratorin Katharina Schröder wurde eingehend über diese neuen Zahlen gesprochen – und was sie bedeuten.
Wenn man übers Geld in der Kulturbranche reden muss, über Vergütungen und Arbeit, Arbeitszeiten und die Leben, die dahinterstehen, wird es schnell sehr ernst und existenziell. Besonders deutlich wurde dies bei der Vorstellung der Studie mit Blick auf die typischen Stundensätze. In der Erhebung liegt bei 45,8 % der genannte Satz unter 20 Euro, weitere 25 % bewegen sich bei 20–29 Euro, und 29,2 % bei 30–39 Euro. Damit wird Kuratieren in vielen Fällen auf einem Niveau bezahlt, das kaum Spielraum für Rücklagen, Krankheitstage oder Phasen ohne Aufträge lässt – obwohl es sich um eine Tätigkeit handelt, die Programmkompetenz, Netzwerkpflege, Textarbeit, Rechte- und Kopienlogistik, Moderation und oft auch Vermittlung umfasst.
Noch härter wirkt der Befund, wenn man das Jahreshonorar aus kuratorischer Arbeit betrachtet: 61,5 % der Befragten geben an, im letzten Jahr unter 10.000 Euro (netto) verdient zu haben; 26,9 % lagen zwischen 10.000 und 19.999 Euro. Höhere Bereiche kommen nur in kleinen Anteilen vor. Kuratieren erscheint damit für viele nicht als tragfähige Erwerbsbasis, sondern als Patchwork-Baustein – oder als Beruf, der nur funktioniert, wenn man ihn querfinanziert.
Genau das spiegelt die Frage nach weiteren Einkommensquellen: 21,4 % sagen, sie hätten keine zusätzlichen Quellen; die größte Gruppe nennt einen Job innerhalb der Kulturbranche (45,2 %). Außerdem tauchen Unterstützungsmodelle auf – etwa durch Partner:in/Familie (9,5 %) – und weitere kleine Anteile von Nebenjobs außerhalb der Kultur oder sozialen Leistungen. Hinter diesen Kategorien steckt eine Strukturfrage: Wer keine Rücklagen hat, wer keine familiäre Absicherung besitzt, wer nicht dauerhaft zusätzliche Arbeit leisten kann, wird aus dem Feld gedrängt – und mit ihm gehen Perspektiven, Diversität und Erfahrung verloren.
Auch bei der Vertragspraxis zeigt sich Unsicherheit. Nur 15,4 % erhalten immer vertragliche Regelungen zu Honorar und Leistung; jeweils 34,6 % sagen „meistens“ bzw. „selten“, und 15,4 % bekommen nie klare vertragliche Absprachen. Das ist nicht nur ein administratives Problem, sondern ein Macht- und Risikothema: Wenn Leistung, Umfang und Vergütung nicht sauber definiert sind, steigt die Wahrscheinlichkeit von unbezahlter Mehrarbeit – und die Hemmschwelle, über Geld zu sprechen, bleibt hoch.
Die demografischen Angaben unterstreichen den Widerspruch zwischen Qualifikation und Bezahlung: Zwei Drittel der Befragten ist im Kernalter der Berufsausübung (Schwerpunkt 30–49) und hoch ausgebildet – 78,6 % nennen als höchsten Abschluss einen Master. Gleichzeitig beschreiben Kommentare von Teilnehmer:innen der Studie eine Mischung aus Leidenschaft und Erschöpfung: Man liebe den Job, aber könne „keine Rücklagen bilden“; man fürchte, beim Verhandeln als „Störenfried“ zu gelten oder „auf einer schwarzen Liste zu landen“; und der Satz „Früher machten wir unser Hobby zum Beruf – und heute wird unser Beruf zum Hobby gemacht“ bringt die Abwärtsspirale bitter auf den Punkt.
Die Studie macht damit sichtbar, was kulturpolitisch oft übersehen wird: Kuratieren ist nicht „nice to have“, sondern Infrastruktur. Ohne faire Honorare, transparente Budgets und Mindeststandards bei Verträgen wird Filmkultur zur freiwilligen Selbstausbeutung – und am Ende zum Privileg derer, die es sich leisten können. Als nächste Schritte drängen sich Fragen auf, die man aus den Daten heraus direkt ableiten kann: Welche Mindesthonorare sind realistisch? Wie wird Vorbereitungszeit kalkuliert? Und wie lassen sich Standards so verankern, dass Verhandeln nicht mehr als persönliches Risiko empfunden werden muss?
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Titelbild: (c) Duisburger Filmwoche / Simon Bierwald