Das Iranische Filmfestival in Köln bringt vom 6. bis 9. Juni 2024 erneut herausragende Filme aus dem Iran auf die Leinwand des Filmforum Kinos im Museum Ludwig. Wir sprachen mit Festivalleiter Amin Farzanefar über eine besondere Festivalausgabe in sehr unruhigen Zeiten, in denen der Iran erneut im Fokus der Weltöffentlichkeit steht.
Werner Busch: In den letzten Jahren ist unglaublich viel im Iran passiert. Die großen Demonstrationen im Land wurden durch brutale Verfolgung und viele Hinrichtungen niedergeschlagen. Wir erinnern uns an einen großen Raketenangriff auf Israel, die Attacken im Golf, der Präsident ist gerade bei einem Hubschrauberunglück gestorben … Wie beeinflussen die aktuellen politischen Entwicklungen im Iran die Filmindustrie und die Arbeit von Filmemacher:innen?
Amin Farzanefar: Die staatliche Filmindustrie, die immer mehr Einfluss auch im Arthausbereich ausüben möchte, ist durch die Demonstrationen, deren Anliegen ja auch sehr viele Filmschaffende geteilt haben, herausgefordert worden: Viele Filme haben erstmalig im Iran bewusst mit dem Zensurkanon gebrochen, sichtbarstes Zeichen war der Verzicht auf das Kopftuch dort, wo es auch im Alltag nicht getragen wird. Dies hatte verschiedenste, teils harte Konsequenzen für die Filmschaffenden, aber damit sind unwiderruflich neue Räume besetzt worden. Ein Politikum ist natürlich die Flucht Mohammad Rasoulofs kurz vor seiner Teilnahme in Cannes, Endpunkt der fast 15-jährigen Schikane eines Regisseurs von Weltrang.
Inwieweit ist es für Filmemacher:innen im Iran überhaupt möglich Filme zu machen? Ich habe davon keine Vorstellung.
Der Iran ist unter anderem auch deshalb eine produktive Kinonation, weil seit der Revolution von 1979 systematisch eine Filmindustrie aufgebaut und gefördert wurde. Ziel war, auf jedem größeren internationalen Festival mindestens einen iranischen Film zu präsentieren. Da dies von vorneherein eine staatlich, also islamisch konrollierte Produktion war, gehörte die Zensur untrennbar dazu. Die Filmemacher mussten dann immer neue Wege finden, trotz dieses Druckes ihre Themen zu formulieren. Inzwischen gibt es private Produktionsgesellschaften und eine zunehmende Aufweichung der Zensur, die aber immer noch hart zugreifen kann.
Welche Möglichkeiten haben Filmemacher:innen ihre Filme zu zeigen? International aber auch im Iran selbst …
Es gibt im Iran begeisterte Kinogänger, die das internationale Kino ebenso verfolgen wie das einheimische. Und es gibt eine Vielzahl von Filmzentren, von größeren und kleineren Festivals. Die bekanntesten sind das Fadjr International Film Festival und im Dokumentarischen das „Cinema Verite“. Beide haben in den letzten Jahren aber erheblich an Zuspruch verloren: weil sie sich nicht mit den Forderungen von „Frau, Leben, Freiheit“ solidarisch erklärt haben, wurden sie von großen Teilen der Filmszene boykottiert.
Und auf internationalen Festivals sind iranische Filme dauerhaft vertreten – neben den ganz großen auch in San Sebastian, Karlovy Vary, Nyon, Rotterdam u. a. Diese Präsenz bedeutet für die Filmschaffenden immer den ersehnten Blick durch das sprichwörtliche „Fester zur Welt“, mit der Aussicht auf internationale Koproduktionen.
„Woman, Life, Freedom“ hat natürlich aktuell die Präsenz auf großen Festivals verstärkt, so dass wir dort gleich mehrere Filme für unser Festival in Köln gefunden haben – „The Sund will Rise“ in Venedig, „Critical Zone“ in Locarno und „My Favourite Cake“ und noch drei weitere auf der Berlinale.
Welche Bedeutung haben Internationale Festivals wie eures für die Wahrnehmung des iranischen Kinos?
Die großen „Leuchtfeuer“ – Cannes, Venedig & co. – pflegen ja vor allem die Stars, aktuell beispielsweise Mohammad Rasoulof, oder auch Jafar Panahi. Kleinere Festivals und Filmtage wie unsere bieten darüber hinaus die Möglichkeit, einmal die gesamte Vielfalt des Iran und des iranischen Kinos auszuleuchten: wir haben in den letzten zehn Jahren bewusst unerwartete oder unterrepräsentierte Perspektiven hineingenommen, darunter Kurz- und Animationsfilm, Filme zu Umwelthemen und zu den vielen ethnischen Gruppen, zivilgesellschaftliche Aspekte … Dauerhaft wichtig ist uns der Blick weiblicher Filmschaffender und auch der filmische Nachwuchs.
Mit Blick auf die Zuschauer: Natürlich hat das Festival für die „Community“ eine Bedeutung, Iraner*innen, die teils seit vielen Jahren nicht in den Iran reisen, bekommen bei uns aktuelle Impulse; dann möchten wir gerne auch die jüngeren Deutsch-Iraner*innen der zweiten und dritten Generation ansprechen, die den Iran nur aus den Erzählungen der Eltern und Großeltern kennen. All diese Gruppen diskutieren intensiv bei den Filmgesprächen und auch im Foyer. Und es gibt eine große Gruppe von an iranischer Kultur interessierter biodeutscher Zuschauer*innen. Reine Cineasten kommen bei uns aber auch voll auf ihre Kosten.
Welche Bedeutung haben iranische Filme in der deutschen und internationalen Kinoauswertung?
Es haben schon jedes Jahr mehrere iranische Filme einen deutschen Kinostart, zuletzt etwa „Leere Netze“, „Die Sirene“ oder „Black Rider“ und andere; dieses Jahr dürften es sogar mehr sein. Man muss aber auch sagen, dass angesichts der Qualität und Vielfalt des iranischen Kinos mehr möglich wäre – in einem erklärten Kinoland wie Frankreich findet Asghar Farhadi hunderttausende Zuschauer*innen, das ist hier doch deutlich weniger.
Aber insgesamt sollte ein gesunder Kinobetrieb ja das gesamte „Weltkino“ berücksichtigen, und auch die Liebhaber des skandinavischen, afrikanischen, asiatischen, lateinamerikanischen Kinos. Da ist es toll, wenn immer eine Handvoll iranischer Filme den Weg auf unsere Leinwände findet.
Was ist sonst noch von den großen Protesten geblieben?
Die Proteste haben das schwierige Verhältnis zwischen der Iranischen Bevölkerung und der Diaspora, dem Exil, neu belebt. Faraz Fesharakis Beitrag „Was hast du gestern geträumt, Parajanov?“ dokumentiert die Stimmungslage dieser globalen Community. Auch allgemein lohnt sich der Blick auf die deutsch-iranische Beziehungen: iranisches Kino ist ja inhaltlich zunehmend attraktiv für Ko-Produktionen, aber bereits in den 1970ern wirkte in der BRD Sohrab Shahid Salles, den Kenner als einen wichtigen Motor des neuen Deutschen Filmes bezeichnen. Da freuen wir uns über den Dokumentarfilm „Meteor“ unseres Hamburger Gastes Mahmud Behraznia.
Das Iranische Filmfestival in Köln bringt vom 6. bis 9. Juni 2024 erneut herausragende Filme aus dem Iran auf die Leinwand des Filmforum Kinos im Museum Ludwig. Wir sprachen mit Festivalleiter Amin Farzanefar über eine besondere Festivalausgabe in sehr unruhigen Zeiten, in denen der Iran erneut im Fokus der Weltöffentlichkeit steht.
Werner Busch: In den letzten Jahren ist unglaublich viel im Iran passiert. Die großen Demonstrationen im Land wurden durch brutale Verfolgung und viele Hinrichtungen niedergeschlagen. Wir erinnern uns an einen großen Raketenangriff auf Israel, die Attacken im Golf, der Präsident ist gerade bei einem Hubschrauberunglück gestorben … Wie beeinflussen die aktuellen politischen Entwicklungen im Iran die Filmindustrie und die Arbeit von Filmemacher:innen?
Amin Farzanefar: Die staatliche Filmindustrie, die immer mehr Einfluss auch im Arthausbereich ausüben möchte, ist durch die Demonstrationen, deren Anliegen ja auch sehr viele Filmschaffende geteilt haben, herausgefordert worden: Viele Filme haben erstmalig im Iran bewusst mit dem Zensurkanon gebrochen, sichtbarstes Zeichen war der Verzicht auf das Kopftuch dort, wo es auch im Alltag nicht getragen wird. Dies hatte verschiedenste, teils harte Konsequenzen für die Filmschaffenden, aber damit sind unwiderruflich neue Räume besetzt worden. Ein Politikum ist natürlich die Flucht Mohammad Rasoulofs kurz vor seiner Teilnahme in Cannes, Endpunkt der fast 15-jährigen Schikane eines Regisseurs von Weltrang.
Inwieweit ist es für Filmemacher:innen im Iran überhaupt möglich Filme zu machen? Ich habe davon keine Vorstellung.
Der Iran ist unter anderem auch deshalb eine produktive Kinonation, weil seit der Revolution von 1979 systematisch eine Filmindustrie aufgebaut und gefördert wurde. Ziel war, auf jedem größeren internationalen Festival mindestens einen iranischen Film zu präsentieren. Da dies von vorneherein eine staatlich, also islamisch konrollierte Produktion war, gehörte die Zensur untrennbar dazu. Die Filmemacher mussten dann immer neue Wege finden, trotz dieses Druckes ihre Themen zu formulieren. Inzwischen gibt es private Produktionsgesellschaften und eine zunehmende Aufweichung der Zensur, die aber immer noch hart zugreifen kann.
Welche Möglichkeiten haben Filmemacher:innen ihre Filme zu zeigen? International aber auch im Iran selbst …
Es gibt im Iran begeisterte Kinogänger, die das internationale Kino ebenso verfolgen wie das einheimische. Und es gibt eine Vielzahl von Filmzentren, von größeren und kleineren Festivals. Die bekanntesten sind das Fadjr International Film Festival und im Dokumentarischen das „Cinema Verite“. Beide haben in den letzten Jahren aber erheblich an Zuspruch verloren: weil sie sich nicht mit den Forderungen von „Frau, Leben, Freiheit“ solidarisch erklärt haben, wurden sie von großen Teilen der Filmszene boykottiert.
Und auf internationalen Festivals sind iranische Filme dauerhaft vertreten – neben den ganz großen auch in San Sebastian, Karlovy Vary, Nyon, Rotterdam u. a. Diese Präsenz bedeutet für die Filmschaffenden immer den ersehnten Blick durch das sprichwörtliche „Fester zur Welt“, mit der Aussicht auf internationale Koproduktionen.
„Woman, Life, Freedom“ hat natürlich aktuell die Präsenz auf großen Festivals verstärkt, so dass wir dort gleich mehrere Filme für unser Festival in Köln gefunden haben – „The Sund will Rise“ in Venedig, „Critical Zone“ in Locarno und „My Favourite Cake“ und noch drei weitere auf der Berlinale.
Welche Bedeutung haben Internationale Festivals wie eures für die Wahrnehmung des iranischen Kinos?
Die großen „Leuchtfeuer“ – Cannes, Venedig & co. – pflegen ja vor allem die Stars, aktuell beispielsweise Mohammad Rasoulof, oder auch Jafar Panahi. Kleinere Festivals und Filmtage wie unsere bieten darüber hinaus die Möglichkeit, einmal die gesamte Vielfalt des Iran und des iranischen Kinos auszuleuchten: wir haben in den letzten zehn Jahren bewusst unerwartete oder unterrepräsentierte Perspektiven hineingenommen, darunter Kurz- und Animationsfilm, Filme zu Umwelthemen und zu den vielen ethnischen Gruppen, zivilgesellschaftliche Aspekte … Dauerhaft wichtig ist uns der Blick weiblicher Filmschaffender und auch der filmische Nachwuchs.
Mit Blick auf die Zuschauer: Natürlich hat das Festival für die „Community“ eine Bedeutung, Iraner*innen, die teils seit vielen Jahren nicht in den Iran reisen, bekommen bei uns aktuelle Impulse; dann möchten wir gerne auch die jüngeren Deutsch-Iraner*innen der zweiten und dritten Generation ansprechen, die den Iran nur aus den Erzählungen der Eltern und Großeltern kennen. All diese Gruppen diskutieren intensiv bei den Filmgesprächen und auch im Foyer. Und es gibt eine große Gruppe von an iranischer Kultur interessierter biodeutscher Zuschauer*innen. Reine Cineasten kommen bei uns aber auch voll auf ihre Kosten.
Welche Bedeutung haben iranische Filme in der deutschen und internationalen Kinoauswertung?
Es haben schon jedes Jahr mehrere iranische Filme einen deutschen Kinostart, zuletzt etwa „Leere Netze“, „Die Sirene“ oder „Black Rider“ und andere; dieses Jahr dürften es sogar mehr sein. Man muss aber auch sagen, dass angesichts der Qualität und Vielfalt des iranischen Kinos mehr möglich wäre – in einem erklärten Kinoland wie Frankreich findet Asghar Farhadi hunderttausende Zuschauer*innen, das ist hier doch deutlich weniger.
Aber insgesamt sollte ein gesunder Kinobetrieb ja das gesamte „Weltkino“ berücksichtigen, und auch die Liebhaber des skandinavischen, afrikanischen, asiatischen, lateinamerikanischen Kinos. Da ist es toll, wenn immer eine Handvoll iranischer Filme den Weg auf unsere Leinwände findet.
Was ist sonst noch von den großen Protesten geblieben?
Die Proteste haben das schwierige Verhältnis zwischen der Iranischen Bevölkerung und der Diaspora, dem Exil, neu belebt. Faraz Fesharakis Beitrag „Was hast du gestern geträumt, Parajanov?“ dokumentiert die Stimmungslage dieser globalen Community. Auch allgemein lohnt sich der Blick auf die deutsch-iranische Beziehungen: iranisches Kino ist ja inhaltlich zunehmend attraktiv für Ko-Produktionen, aber bereits in den 1970ern wirkte in der BRD Sohrab Shahid Salles, den Kenner als einen wichtigen Motor des neuen Deutschen Filmes bezeichnen. Da freuen wir uns über den Dokumentarfilm „Meteor“ unseres Hamburger Gastes Mahmud Behraznia.
Interview: Werner Busch
Titelbild: Szenenbild aus dem Eröffnungsfilm „My Favorite Cake (کیک محبوب من)„