Cineville – ein günstiges Kino-Abo-Modell für Deutschland startet am 15. August. Filmjournalist Frank Olbert sprach für uns mit einem der Initiatoren, dem Kölner Kinobetreiber und Filmverleiher Jürgen Lütz vom Odeon. Nach einem enttäuschenden Kinojahr 2022 war für ihn klar, dass neue Wege nötig sind, um das Publikum zurückzugewinnen. Das Cineville-Abo soll dies durch eine Kombination aus vereinfachtem Zugang zu Filmen und verbessertem Marketing für Kinos erreichen. Mit Unterstützung erfahrener Anbieter und erfolgreichen Beispielen aus dem Ausland will Cineville diesen Plan nun in Deutschland umsetzen.
Frank Olbert: Auf der Berlinale 2023 haben Du und andere Arthouse-Kinobetreiber den Plan für ein deutsches Cineville-Kino-Abo vorgestellt – was waren die Hintergründe?
Jürgen Lütz: Das Kinojahr 2022 war wider Erwarten ein schlechtes Kinojahr. Nach Corona hatten wir damit gerechnet, dass es wieder deutlich bergauf geht, aber dem war nicht so. Vieles hatte sich verändert: Wir haben ein bestimmtes Stammpublikum verloren, auch die Presselandschaft hatte sich grundlegend verändert, und so wurde auf Branchentreffen wie der Filmmesse Leipzig der Wunsch immer lauter, hier gegenzusteuern.
War euch das Konzept für Cineville bekannt?
Ja, die AG Kino hatte das bereits vorgestellt, außerdem wussten wir vom Erfolg der Yorck-Karte in Berlin – das war ja sozusagen bislang die deutsche Variante von Cineville, wenn auch auf einen einzigen Betrieb begrenzt. Ein solches Abo-Modell ist nicht zuletzt technisch herausfordernd. Einige vertraten die Ansicht, dass wir das selber bauen können, wobei ich zu der Fraktion gehörte, die das nicht so gesehen hat – bevor so etwas funktioniert, können Jahre vergehen.
Ihr habt die Technik nun angekauft …
Genau. Der niederländische Anbieter von Cineville möchte das Modell auch gerne exportieren. Zum Beispiel wurde es bereits erfolgreich nach Belgien und nach Österreich verkauft – das sind wichtige Vorbilder und gibt uns schlicht und ergreifend den Mut, das in Deutschland durchzuziehen.
Wie sieht das konkret aus?
Es geht im Kern um eine Homepage oder App, vor allem aber um ein Kunden-Managementsystem, mit dem die Abonnenten verwaltet werden. Man kann damit die Abo-Tickets identifizieren und den Kinos automatisch ihr Geld zuschicken. Es darf nicht zu einem personalintensiven Abrechnungsaufwand kommen
Noch mal zur Entwicklung der Besucherzahlen: Haben sich diese nach dem schlechten Jahr 2022 wieder verändert?
Ja, es geht leicht bergauf, doch strukturell beobachten wir, dass es in denjenigen Kinos schneller bergauf geht, die viel Aufwand bei der Besucherbindung betreiben.
Was heißt das?
Wenn ich unser Odeon als Beispiel nehmen darf, so haben wir im vergangenen Jahr unsere Vor-Corona-Zahlen wiedererlangt. Einzelhäuser krebsen hingehen hinterher. Unser Kino läuft immer dann gut, wenn wir viel Zeit in Social Media investieren. Vielen fehlt es aber an Know how und vor allem an Personal für eine modernen Kommunikationsstrategie, um neue potenzielle Nutzer zu erreichen. Deshalb ist eine der Grundideen von Cineville, dass es vom Prinzip her zwar ein Kino-Abo ist, ein Abo jedoch, dass besseres Marketing für die Kinos und die Filme finanziert.
Das funktioniert bislang für zu wenige Filme?
Es gibt Blockbuster im Arthouse-Bereich wie „Poor Things“, die sich auf ein Major-Marketing stützen können – für viele mittelständische Unternehmen, Kinos wie Filmverleihe, passt das aber nicht, und da setzen wir an.
Ist das Zielpublikum für Cineville jung?
De facto richten wir uns an alle, die sich für Filmkunst interessieren. Doch durch die Kommunikationswege, das sieht man in allen Ländern, in denen das Abo schon gestartet ist, kommen erst mal viele junge Menschen. Die Niederländer nennen das das Schnecken-Modell: Vorne sind die Fühler, das sind die 18- bis 30-Jährigen mit einem starken Anstieg der Abonnenten. Dann kommt es zur Berufsfindungsphase und Familiengründung, in denen die Zahlen zurückgehen – und am Ende kommt das Schneckenhaus mit den Älteren, die, weil sie wieder mehr Zeit haben, wieder für einen Anstieg sorgen.
Habt Ihr zu diesem Verlauf mit Kinobetreibern in den entsprechenden Ländern gesprochen?
Klar. Die niederländischen Kinobetreiber in den Studentenstädten sagen: Bei uns läuft das super – aber die von den Landkinos zum Beispiel sagen: Moment mal, bei uns kommen auch die Alten! Ein Kollege erzählte mir, dass er extra einen Saal gebaut hat, damit er Filme länger im Programm halten kann, weil seine Kunden einfach länger brauchen, bis sie sich für den Besuch eines bestimmten Films entscheiden. Das ist der Grund, warum es in den Niederlanden zu ausgedehnteren Auswertungszeiten kommt.
Warum also erst jetzt anfangen mit Cineville?
Das werde ich tatsächlich oft gefragt. Solange man sich anders durchwursteln kann, macht man es halt nicht – es ist, wie gesagt, technisch und kommunikativ aufwendig. Vielleicht brauchte es einen Leidensdruck wie 2022, und es kam eins zum anderen. Die Film- und Medienstiftung NRW veranstaltete im Rahmen des Filmfestival Cologne eine Veranstaltung für Verleiher – European Work in Progress –, und dort hat der Geschäftsführer von Cineville Niederlande sein Vertriebsmodell sehr überzeugend vorgestellt.
Wer macht in Köln mit – alle Arthouse-Kinos?
Alle, die wir nach der Berlinale angesprochen haben, waren davon überzeugt. Es gibt einen Verein, der eine Betriebs-UG gegründet hat, die die eigentliche Arbeit leistet. Dort haben wir eine Geschäftsführerin eingestellt. Der Verein Cineville selbst erzielt keine Gewinne, oder nur indirekt, indem er für mehr Besucher in seine Mitgliedskinos sorgt.
Cineville gilt aber in ganz Deutschland, beziehungsweise in allen Städten, die sich dem Modell anschließen?
So ist es. Zu den Gründungsstädten zählen – außer Köln – Hamburg, Nürnberg, Berlin und Freiburg. Die Niederländer haben uns geraten, nicht zu schnell zu wachsen – weil die technischen Herausforderungen groß sind. Das muss alles in den Computerkassen funktionieren, und davon gibt es in Deutschland fünf unterschiedliche Systeme. Das heißt, dass sich die Betreiber dieser Systeme an den Gedanken gewöhnen müssen, neue Wege zu gehen. Auf der anderen Seite gibt es eine große Nachfrage – zahlreiche Ruhrgebiets-Kinos möchten dabei sein, Düsseldorf natürlich, Münster, Bremen, München. Wir werden also kontinuierlich Nachrückkandidaten aufnehmen.
Interview: Frank Olbert
Titelbild: Jürgen Lütz beim Kinoprogrammpreis NRW 2023, Foto: Hojabr Riahi / Film- und Medienstiftung NRW
In diesen Kölner Kinos kann das Cineville-Abo genutzt werden:
Cineville – ein günstiges Kino-Abo-Modell für Deutschland startet am 15. August. Filmjournalist Frank Olbert sprach für uns mit einem der Initiatoren, dem Kölner Kinobetreiber und Filmverleiher Jürgen Lütz vom Odeon. Nach einem enttäuschenden Kinojahr 2022 war für ihn klar, dass neue Wege nötig sind, um das Publikum zurückzugewinnen. Das Cineville-Abo soll dies durch eine Kombination aus vereinfachtem Zugang zu Filmen und verbessertem Marketing für Kinos erreichen. Mit Unterstützung erfahrener Anbieter und erfolgreichen Beispielen aus dem Ausland will Cineville diesen Plan nun in Deutschland umsetzen.
Frank Olbert: Auf der Berlinale 2023 haben Du und andere Arthouse-Kinobetreiber den Plan für ein deutsches Cineville-Kino-Abo vorgestellt – was waren die Hintergründe?
Jürgen Lütz: Das Kinojahr 2022 war wider Erwarten ein schlechtes Kinojahr. Nach Corona hatten wir damit gerechnet, dass es wieder deutlich bergauf geht, aber dem war nicht so. Vieles hatte sich verändert: Wir haben ein bestimmtes Stammpublikum verloren, auch die Presselandschaft hatte sich grundlegend verändert, und so wurde auf Branchentreffen wie der Filmmesse Leipzig der Wunsch immer lauter, hier gegenzusteuern.
War euch das Konzept für Cineville bekannt?
Ja, die AG Kino hatte das bereits vorgestellt, außerdem wussten wir vom Erfolg der Yorck-Karte in Berlin – das war ja sozusagen bislang die deutsche Variante von Cineville, wenn auch auf einen einzigen Betrieb begrenzt. Ein solches Abo-Modell ist nicht zuletzt technisch herausfordernd. Einige vertraten die Ansicht, dass wir das selber bauen können, wobei ich zu der Fraktion gehörte, die das nicht so gesehen hat – bevor so etwas funktioniert, können Jahre vergehen.
Ihr habt die Technik nun angekauft …
Genau. Der niederländische Anbieter von Cineville möchte das Modell auch gerne exportieren. Zum Beispiel wurde es bereits erfolgreich nach Belgien und nach Österreich verkauft – das sind wichtige Vorbilder und gibt uns schlicht und ergreifend den Mut, das in Deutschland durchzuziehen.
Wie sieht das konkret aus?
Es geht im Kern um eine Homepage oder App, vor allem aber um ein Kunden-Managementsystem, mit dem die Abonnenten verwaltet werden. Man kann damit die Abo-Tickets identifizieren und den Kinos automatisch ihr Geld zuschicken. Es darf nicht zu einem personalintensiven Abrechnungsaufwand kommen
Noch mal zur Entwicklung der Besucherzahlen: Haben sich diese nach dem schlechten Jahr 2022 wieder verändert?
Ja, es geht leicht bergauf, doch strukturell beobachten wir, dass es in denjenigen Kinos schneller bergauf geht, die viel Aufwand bei der Besucherbindung betreiben.
Was heißt das?
Wenn ich unser Odeon als Beispiel nehmen darf, so haben wir im vergangenen Jahr unsere Vor-Corona-Zahlen wiedererlangt. Einzelhäuser krebsen hingehen hinterher. Unser Kino läuft immer dann gut, wenn wir viel Zeit in Social Media investieren. Vielen fehlt es aber an Know how und vor allem an Personal für eine modernen Kommunikationsstrategie, um neue potenzielle Nutzer zu erreichen. Deshalb ist eine der Grundideen von Cineville, dass es vom Prinzip her zwar ein Kino-Abo ist, ein Abo jedoch, dass besseres Marketing für die Kinos und die Filme finanziert.
Das funktioniert bislang für zu wenige Filme?
Es gibt Blockbuster im Arthouse-Bereich wie „Poor Things“, die sich auf ein Major-Marketing stützen können – für viele mittelständische Unternehmen, Kinos wie Filmverleihe, passt das aber nicht, und da setzen wir an.
Ist das Zielpublikum für Cineville jung?
De facto richten wir uns an alle, die sich für Filmkunst interessieren. Doch durch die Kommunikationswege, das sieht man in allen Ländern, in denen das Abo schon gestartet ist, kommen erst mal viele junge Menschen. Die Niederländer nennen das das Schnecken-Modell: Vorne sind die Fühler, das sind die 18- bis 30-Jährigen mit einem starken Anstieg der Abonnenten. Dann kommt es zur Berufsfindungsphase und Familiengründung, in denen die Zahlen zurückgehen – und am Ende kommt das Schneckenhaus mit den Älteren, die, weil sie wieder mehr Zeit haben, wieder für einen Anstieg sorgen.
Habt Ihr zu diesem Verlauf mit Kinobetreibern in den entsprechenden Ländern gesprochen?
Klar. Die niederländischen Kinobetreiber in den Studentenstädten sagen: Bei uns läuft das super – aber die von den Landkinos zum Beispiel sagen: Moment mal, bei uns kommen auch die Alten! Ein Kollege erzählte mir, dass er extra einen Saal gebaut hat, damit er Filme länger im Programm halten kann, weil seine Kunden einfach länger brauchen, bis sie sich für den Besuch eines bestimmten Films entscheiden. Das ist der Grund, warum es in den Niederlanden zu ausgedehnteren Auswertungszeiten kommt.
Warum also erst jetzt anfangen mit Cineville?
Das werde ich tatsächlich oft gefragt. Solange man sich anders durchwursteln kann, macht man es halt nicht – es ist, wie gesagt, technisch und kommunikativ aufwendig. Vielleicht brauchte es einen Leidensdruck wie 2022, und es kam eins zum anderen. Die Film- und Medienstiftung NRW veranstaltete im Rahmen des Filmfestival Cologne eine Veranstaltung für Verleiher – European Work in Progress –, und dort hat der Geschäftsführer von Cineville Niederlande sein Vertriebsmodell sehr überzeugend vorgestellt.
Wer macht in Köln mit – alle Arthouse-Kinos?
Alle, die wir nach der Berlinale angesprochen haben, waren davon überzeugt. Es gibt einen Verein, der eine Betriebs-UG gegründet hat, die die eigentliche Arbeit leistet. Dort haben wir eine Geschäftsführerin eingestellt. Der Verein Cineville selbst erzielt keine Gewinne, oder nur indirekt, indem er für mehr Besucher in seine Mitgliedskinos sorgt.
Cineville gilt aber in ganz Deutschland, beziehungsweise in allen Städten, die sich dem Modell anschließen?
So ist es. Zu den Gründungsstädten zählen – außer Köln – Hamburg, Nürnberg, Berlin und Freiburg. Die Niederländer haben uns geraten, nicht zu schnell zu wachsen – weil die technischen Herausforderungen groß sind. Das muss alles in den Computerkassen funktionieren, und davon gibt es in Deutschland fünf unterschiedliche Systeme. Das heißt, dass sich die Betreiber dieser Systeme an den Gedanken gewöhnen müssen, neue Wege zu gehen. Auf der anderen Seite gibt es eine große Nachfrage – zahlreiche Ruhrgebiets-Kinos möchten dabei sein, Düsseldorf natürlich, Münster, Bremen, München. Wir werden also kontinuierlich Nachrückkandidaten aufnehmen.
Interview: Frank Olbert
Titelbild: Jürgen Lütz beim Kinoprogrammpreis NRW 2023, Foto: Hojabr Riahi / Film- und Medienstiftung NRW
In diesen Kölner Kinos kann das Cineville-Abo genutzt werden: