Von Annelie Pohlen.
2014, zum anstehenden 10. Geburtstag, wurde ich schon einmal nach der Bedeutung der Videonale gefragt. 2014 stellten mir die Akteure der Videonale selbst die Fragen. Zum 20. Geburtstag ist es ein Beobachter aus der Szene. Macht das einen großen Unterschied auf einem Spielfeld, das den Aufmerksamkeitshorizont zwar erweitern konnte, aber gemessen an den tradierten Medien wie Malerei und Skulptur auf dem Territorium der Bildenden Kunst doch immer noch um ein breites Publikum ringen musste. Als künstlerisches Medium sei Video inzwischen so selbstverständlich im Spektrum der bildenden Kunst verankert, dass nicht wenige kritische Stimmen die Festivals selbst als überholt einzustufen geneigt seien. So beherzt waren meine Worte 2014.
Gleichwohl findet das im Medien affinen Publikum unangefochtene Angebot in weiten Kreisen des Kulturbürgertums durchaus nicht die gebührende Aufmerksamkeit. Und – bedenklicher noch – so manche Hochschule der Bildenden Kunst erschwert in ihren Berufungsverfahren, respektive Klassenstrukturen, deren angemessene personelle und/oder auch ‚instrumentelle’ Ausstattung.
All diese immer noch nicht gänzlich ausgeräumten Holpersteine vor Augen gibt es für die Videonale – eines der ersten international ausgerichteten Festivals überhaupt – allen Anlass, das in die Tat umzusetzen, was sich hinter dem Terminus „Festival“ verbirgt: Als Fest für alle Anwesenden der vertrauten Eröffnungszeremonien. Das sind die eingeladenen Künstler:innen und alle, die diesen Auftritt im Festraum ermöglichen – mithin die Kurator:innen und ihr Team. Das ist aber auch das zur Eröffnung angereiste und in aller Regel neugierige Publikum. Selbst die weltweit wachsende Anzahl vergleichbarer Ereignisse steht dem nicht im Weg. Ganz im Gegenteil. Auch dieser Wettstreit erhöht die Aufmerksamkeit und stärkt die künstlerische Relevanz. Und animiert dazu, diesen ‚Festcharakter‘ im Verbund mit einer inzwischen fest etablierten Vortrags- und Diskussionskultur nicht nur zu erhalten, sondern weiter zu entwickeln.
Festzustellen, dass sich der Umgang mit dem bewegten Bild im Kunstkontext seit den 80er-Jahren verändert hat, liegt auf der Hand.
Dass die Kunstinstitutionen, die sich der Gegenwartskunst widmen, inzwischen dem bewegten Bild – ob den klassischen Formaten Film, Video, den neueren Computer- oder neuesten KI-generierten Formaten – erhöhte Aufmerksamkeit widmen, wurzelt unabhängig von der langsam gewachsenen institutionellen Offenheit schlicht und einfach in der Entwicklung der künstlerischen Produktion, sprich den dort längst geläufigen Praktiken eines in Wellen an- und abschwellenden Cross-over. Was mitnichten die Notwendigkeit mindert, jedes einzelne Medium – tradiert oder neu – immer wieder in seiner spezifischen Bedeutung zu reflektieren.
Wozu mich nun der Redaktionsleiter dieser Internet-Plattform mit nachfolgenden Worten gebeten hat. „Der Text soll sowohl einen Blick auf die Geschichte der Videonale werfen als auch die aktuelle Ausgabe kontextualisieren.“ Was ihrer verbalen Abnutzung wegen geeignet gewesen wäre, mich abzuschrecken, ganz so wie auch nachfolgende Erläuterungen „mit einem besonderen Fokus auf künstlerische, experimentelle und diskursive Positionen“, wäre da nicht sein nachhaltiges Engagement für eben dieses besondere Festival, das ich in meiner aktiven Zeit im Bonner Kunstverein und – inzwischen frei von den vielen organisatorischen Belastungen – unterstütze und endlich auch genieße.
Was unter anderen Umständen als der gängige Klüngel jenseits der immer wieder eingeforderten journalistischen Distanz zu würdigen wäre, dass nämlich die Plattform, für die diese Zeilen erbeten sind, zugleich ein Verein ist, in dem auch die Videonale Mitglied ist, zeigt im gegebenen Fall, in welchem Maße eben diese Videonale trotz inzwischen gewachsener finanzieller Unterstützung durch staatliche wie private Förderer vom engagierten Input der sie realisierenden Individuen lebt.
Und um diesmal die Geschichte von hinten aufzurollen, dass 2025 Tasja Langenbach die Videonale als „künstlerische und kuratorische Leitung“ mit ihrem dezidiert individuellen Engagement zum zweiten Mal ausrichtet, ist, wie die Geburtstagsfeier mit ihrem Rückblick auf die gesamte Geschichte unter Beweis stellt, nicht der Flucht vor den geläufigen Mühen und Schimpfkanonaden anlässlich des nach den 2005 eingeführten Ausstellungen immer noch im Zentrum stehenden Wettbewerbs geschuldet, sondern dem Wissen um den produktiven Mehrwert der im Anhalten möglichen kritischen Selbstwahrnehmung und vielleicht nicht minder wichtig, des verdienten Genusses der von den vielen Mitspieler:innen über zwei Jahrzehnte zusammen getragenen Werke, die bis heute als soziokulturelle Reflexion unserer Wirklichkeit nichts an Strahlkraft eingebüßt haben. Und eben aus dieser heutigen Wahrnehmung gelingt mir der Rückblick auf die beschwerlichen Anfänge umso intensiver, ja sogar mit dem größten Vergnügen.
Begonnen hat alles wie üblich in Bonn. Da finden sich ein paar Gleichgesinnte, die außerhalb aller institutionellen Bindungen auf die Idee kommen, dass es an der Zeit wäre, die Aufmerksamkeit auf eine nicht nur für die Kunst relevante Disziplin zu richten.
Ob Legende oder Wirklichkeit: Im Falle der Videonale ist der Geburtsort, an dem sich die drei Gründer:innen treffen, zu schön, um ihn schweigend zu übergehen. Es ist die Küche von Petra Unnützer, in der sie, Bärbel Moser und Dieter Daniels, alle drei noch Student:innen am nahe gelegenen Kunsthistorischen Institut der Friedrich Wilhelm Universität Bonn, das Festival ins Leben rufen. Die sieben zur Vereinsgründung nötigen Mitglieder sind schnell gefunden. Einen festen Raum zu finden ist dann schon schwieriger. Das gelingt mit mehr oder minder ausreichendem Aktionsraum für die beiden ersten Videonalen in der Bonner Altstadt, die sich in den 80er-Jahren zu einem für kulturelle Neuerungen offenen Stadtteil entwickelt hatte.
1987 öffnet in der unmittelbaren Nachbarschaft der umgebaute Blumenmarkt als Kunsthalle. 1988 startete hier das 3. Festival als Gast des Bonner Kunstvereins. Abgesehen von den 800 qm Spielfläche waren die äußeren Rahmenbedingungen – gelinde gesagt – einigermaßen dürftig. Das Engagement aller Beteiligten, insbesondere des Teams der Videonale um Petra Unnützer, aber auch das des gastgebenden Kunstvereins, der selbst den „neuen Medien“ eng verbunden bar jeder inhaltlichen Einmischung alle nur erdenklichen Anstrengungen unternahm, um die Tradition lastige Bonner Kulturszene zu vitalisieren. Für den Gastgeber, der diesen Ort gerade erst mit erheblichen Anstrengungen erkämpft hatte, war dieser Einsatz nicht nur aus meiner Sicht ein Gewinn.
Dieses Festival dauerhaft an Bonn zu binden, zählt zu den großen Leistungen in einer immer noch im Beethoven-Mythos schwelgenden Kulturpolitik. Und so sehr mich der Auszug der Videonale aus dem Bonner Kunstverein schmerzte, dass die Stadt selbst deren Abwanderung nach Köln durch die Unterstützung der neuen Spielstätte im Kunstmuseum Bonn verhinderte, betrachte ich bis heute als Glücksfall. Und da die Videonale als Spielerin und ich als Direktorin die Blumenhalle im gleichen Jahr verlassen haben, genieße ich nicht nur, aber besonders an jedem Geburtstag das inzwischen einigermaßen gesicherte Festival als kulturelles Highlight.
Annelie Pohlen ist Kunsthistorikerin und freie Autorin aus Bonn. Sie war langjährige Vorsitzende des Bonner Kunstvereins und engagiert sich seit Jahrzehnten für die Vermittlung und Förderung zeitgenössischer Kunst. Als Kritikerin und Kuratorin arbeitet sie für renommierte Fachzeitschriften, Ausstellungskataloge und Institutionen.
Titelbild: Videonale.20, Foto: David Ertl / Videonale
Von Annelie Pohlen.
2014, zum anstehenden 10. Geburtstag, wurde ich schon einmal nach der Bedeutung der Videonale gefragt. 2014 stellten mir die Akteure der Videonale selbst die Fragen. Zum 20. Geburtstag ist es ein Beobachter aus der Szene. Macht das einen großen Unterschied auf einem Spielfeld, das den Aufmerksamkeitshorizont zwar erweitern konnte, aber gemessen an den tradierten Medien wie Malerei und Skulptur auf dem Territorium der Bildenden Kunst doch immer noch um ein breites Publikum ringen musste. Als künstlerisches Medium sei Video inzwischen so selbstverständlich im Spektrum der bildenden Kunst verankert, dass nicht wenige kritische Stimmen die Festivals selbst als überholt einzustufen geneigt seien. So beherzt waren meine Worte 2014.
Gleichwohl findet das im Medien affinen Publikum unangefochtene Angebot in weiten Kreisen des Kulturbürgertums durchaus nicht die gebührende Aufmerksamkeit. Und – bedenklicher noch – so manche Hochschule der Bildenden Kunst erschwert in ihren Berufungsverfahren, respektive Klassenstrukturen, deren angemessene personelle und/oder auch ‚instrumentelle’ Ausstattung.
All diese immer noch nicht gänzlich ausgeräumten Holpersteine vor Augen gibt es für die Videonale – eines der ersten international ausgerichteten Festivals überhaupt – allen Anlass, das in die Tat umzusetzen, was sich hinter dem Terminus „Festival“ verbirgt: Als Fest für alle Anwesenden der vertrauten Eröffnungszeremonien. Das sind die eingeladenen Künstler:innen und alle, die diesen Auftritt im Festraum ermöglichen – mithin die Kurator:innen und ihr Team. Das ist aber auch das zur Eröffnung angereiste und in aller Regel neugierige Publikum. Selbst die weltweit wachsende Anzahl vergleichbarer Ereignisse steht dem nicht im Weg. Ganz im Gegenteil. Auch dieser Wettstreit erhöht die Aufmerksamkeit und stärkt die künstlerische Relevanz. Und animiert dazu, diesen ‚Festcharakter‘ im Verbund mit einer inzwischen fest etablierten Vortrags- und Diskussionskultur nicht nur zu erhalten, sondern weiter zu entwickeln.
Festzustellen, dass sich der Umgang mit dem bewegten Bild im Kunstkontext seit den 80er-Jahren verändert hat, liegt auf der Hand.
Dass die Kunstinstitutionen, die sich der Gegenwartskunst widmen, inzwischen dem bewegten Bild – ob den klassischen Formaten Film, Video, den neueren Computer- oder neuesten KI-generierten Formaten – erhöhte Aufmerksamkeit widmen, wurzelt unabhängig von der langsam gewachsenen institutionellen Offenheit schlicht und einfach in der Entwicklung der künstlerischen Produktion, sprich den dort längst geläufigen Praktiken eines in Wellen an- und abschwellenden Cross-over. Was mitnichten die Notwendigkeit mindert, jedes einzelne Medium – tradiert oder neu – immer wieder in seiner spezifischen Bedeutung zu reflektieren.
Wozu mich nun der Redaktionsleiter dieser Internet-Plattform mit nachfolgenden Worten gebeten hat. „Der Text soll sowohl einen Blick auf die Geschichte der Videonale werfen als auch die aktuelle Ausgabe kontextualisieren.“ Was ihrer verbalen Abnutzung wegen geeignet gewesen wäre, mich abzuschrecken, ganz so wie auch nachfolgende Erläuterungen „mit einem besonderen Fokus auf künstlerische, experimentelle und diskursive Positionen“, wäre da nicht sein nachhaltiges Engagement für eben dieses besondere Festival, das ich in meiner aktiven Zeit im Bonner Kunstverein und – inzwischen frei von den vielen organisatorischen Belastungen – unterstütze und endlich auch genieße.
Was unter anderen Umständen als der gängige Klüngel jenseits der immer wieder eingeforderten journalistischen Distanz zu würdigen wäre, dass nämlich die Plattform, für die diese Zeilen erbeten sind, zugleich ein Verein ist, in dem auch die Videonale Mitglied ist, zeigt im gegebenen Fall, in welchem Maße eben diese Videonale trotz inzwischen gewachsener finanzieller Unterstützung durch staatliche wie private Förderer vom engagierten Input der sie realisierenden Individuen lebt.
Und um diesmal die Geschichte von hinten aufzurollen, dass 2025 Tasja Langenbach die Videonale als „künstlerische und kuratorische Leitung“ mit ihrem dezidiert individuellen Engagement zum zweiten Mal ausrichtet, ist, wie die Geburtstagsfeier mit ihrem Rückblick auf die gesamte Geschichte unter Beweis stellt, nicht der Flucht vor den geläufigen Mühen und Schimpfkanonaden anlässlich des nach den 2005 eingeführten Ausstellungen immer noch im Zentrum stehenden Wettbewerbs geschuldet, sondern dem Wissen um den produktiven Mehrwert der im Anhalten möglichen kritischen Selbstwahrnehmung und vielleicht nicht minder wichtig, des verdienten Genusses der von den vielen Mitspieler:innen über zwei Jahrzehnte zusammen getragenen Werke, die bis heute als soziokulturelle Reflexion unserer Wirklichkeit nichts an Strahlkraft eingebüßt haben. Und eben aus dieser heutigen Wahrnehmung gelingt mir der Rückblick auf die beschwerlichen Anfänge umso intensiver, ja sogar mit dem größten Vergnügen.
Begonnen hat alles wie üblich in Bonn. Da finden sich ein paar Gleichgesinnte, die außerhalb aller institutionellen Bindungen auf die Idee kommen, dass es an der Zeit wäre, die Aufmerksamkeit auf eine nicht nur für die Kunst relevante Disziplin zu richten.
Ob Legende oder Wirklichkeit: Im Falle der Videonale ist der Geburtsort, an dem sich die drei Gründer:innen treffen, zu schön, um ihn schweigend zu übergehen. Es ist die Küche von Petra Unnützer, in der sie, Bärbel Moser und Dieter Daniels, alle drei noch Student:innen am nahe gelegenen Kunsthistorischen Institut der Friedrich Wilhelm Universität Bonn, das Festival ins Leben rufen. Die sieben zur Vereinsgründung nötigen Mitglieder sind schnell gefunden. Einen festen Raum zu finden ist dann schon schwieriger. Das gelingt mit mehr oder minder ausreichendem Aktionsraum für die beiden ersten Videonalen in der Bonner Altstadt, die sich in den 80er-Jahren zu einem für kulturelle Neuerungen offenen Stadtteil entwickelt hatte.
1987 öffnet in der unmittelbaren Nachbarschaft der umgebaute Blumenmarkt als Kunsthalle. 1988 startete hier das 3. Festival als Gast des Bonner Kunstvereins. Abgesehen von den 800 qm Spielfläche waren die äußeren Rahmenbedingungen – gelinde gesagt – einigermaßen dürftig. Das Engagement aller Beteiligten, insbesondere des Teams der Videonale um Petra Unnützer, aber auch das des gastgebenden Kunstvereins, der selbst den „neuen Medien“ eng verbunden bar jeder inhaltlichen Einmischung alle nur erdenklichen Anstrengungen unternahm, um die Tradition lastige Bonner Kulturszene zu vitalisieren. Für den Gastgeber, der diesen Ort gerade erst mit erheblichen Anstrengungen erkämpft hatte, war dieser Einsatz nicht nur aus meiner Sicht ein Gewinn.
Dieses Festival dauerhaft an Bonn zu binden, zählt zu den großen Leistungen in einer immer noch im Beethoven-Mythos schwelgenden Kulturpolitik. Und so sehr mich der Auszug der Videonale aus dem Bonner Kunstverein schmerzte, dass die Stadt selbst deren Abwanderung nach Köln durch die Unterstützung der neuen Spielstätte im Kunstmuseum Bonn verhinderte, betrachte ich bis heute als Glücksfall. Und da die Videonale als Spielerin und ich als Direktorin die Blumenhalle im gleichen Jahr verlassen haben, genieße ich nicht nur, aber besonders an jedem Geburtstag das inzwischen einigermaßen gesicherte Festival als kulturelles Highlight.
Annelie Pohlen ist Kunsthistorikerin und freie Autorin aus Bonn. Sie war langjährige Vorsitzende des Bonner Kunstvereins und engagiert sich seit Jahrzehnten für die Vermittlung und Förderung zeitgenössischer Kunst. Als Kritikerin und Kuratorin arbeitet sie für renommierte Fachzeitschriften, Ausstellungskataloge und Institutionen.
Titelbild: Videonale.20, Foto: David Ertl / Videonale