Danny Boyle ist zurück – und mit ihm das Rage-Virus. Mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem stilprägenden Horror-Meilenstein 28 Days Later kehrt der britische Regisseur nun mit 28 Years Later zu seinem Franchise zurück. Gemeinsam mit Drehbuchautor Alex Garland (u. a. Ex Machina) wagt Boyle die Fortsetzung einer filmischen Endzeitvision, die einst das Genre neu definierte. Die Erwartungen sind groß – doch gelingt der Sprung in eine neue Generation?
Von Lena Mrachacz.
22 Jahre ist es her – aber das wollen wir mal nicht so genau nehmen –, dass 28 DAYS LATER in den deutschen Kinos erschien. Wer sich nicht mehr genau erinnert: Eine Gruppe Tierschützer:innen befreit einen virusinfizierten Schimpansen aus einem Labor – kurz darauf breitet sich das Rage-Virus aus. London wird zur Geisterstadt. Nur wenige überleben: Jim (Cillian Murphy), Selena (Naomie Harris) und Frank (Brendan Gleeson) suchen nach Rettung. Doch gibt es diese überhaupt?
2007 folgte 28 WEEKS LATER mit neuem Regisseur und deutlich weniger Erfolg. Nun ist 2025, und Danny Boyle ist zurück – samt Drehbuchautor Alex Garland (Ex Machina, Civil War). 28 YEARS LATER beginnt mit einer Rückblende – ihr ahnt es – 28 Jahre zurück: Der kleine Jimmy wird beim Teletubbies-Schauen vom Zombieangriff überrascht, aber überlebt. Sein Vater, streng katholisch, sieht das Virus als göttliche Prüfung und gibt sich ihnen wie der Allmächtige hin. Schnelle Schnitte, wackelnde Kameras, irritierende Perspektiven erinnern an den ersten Teil der Filmreihe, der die Videoästhetik der Nullerjahre vor allem mit 4:3-Format eingefangen hat, wirken aber zunächst eher wie ein hektisches Musik- oder Youtubevideo. Zu sehr wird unsere Aufmerksamkeit auf die Machart gelenkt, in der Geschichte kommen wir nur schwer an.
Zurück ins Jetzt: 14 Jahre alt, lebt Spike mit seinem Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) und der schwerkranken Mutter Isla (Jodie Comer) in einer isolierten Seefestung, die nur bei Ebbe erreichbar ist. Eine selbstgebaute Utopie mit hohen Mauern – und klarer Rollenverteilung: Die starken (Alpha) Männer gehen – ja wozu eigentlich? – ans Festland. Spike soll mit. Jamie findet einen Frisbee (ach deswegen also) und einen gefolterten Infizierten – auf dessen Rücken steht: „Jimmy“. Spike tötet seine ersten Slow Low und verschießt ein paar andere Pfeile. Mit meiner Irritation, was wir überhaupt hier tun, gerät auch Spike ins Grübeln. Als sie sich in ein verlassenes Haus zurückziehen, um die Alphas (Zombies) loszuwerden, erblickt Spike ein Feuer in der Ferne und damit eine völlig neue Welt, die seine kranke Mutter heilen könnte und die sein Vertrauen in seinen Vater ins Wanken bringt. Die Reise wird zum Coming-of-Age-Abenteuer, in der sich Spike am Ende von seiner gewohnten Umgebung abnabelt.
Klingt vielversprechend, aber Danny Boyle und Alex Garland verpassen in zahlreichen Momenten, diese Geschichte auch wirklich zu erzählen. Jamie, toxisch maskuliner Vater, ist eindimensional gezeichnet und gespielt, als Held im Dorf gefeiert – für was, ist immer noch unklar. Die Dorfgemeinschaft bleibt schemenhaft: Jungen lernen Bogenschießen, Mädchen verschwinden im Hintergrund – Mütter, Liebhaberinnen, Statistinnen – und es bleibt die Enttäuschung zurück, dass wir selbst nach einer Rage-Virus-Zombie-Apokalypse im Patriarchat leben. Nur der verrückte Dr. Kelson, gespielt mit der gewohnten Portion Humor und Merkwürdigkeit von Ralph Fiennes, bleibt im Gedächtnis.
Gedreht wurde mit 20 iPhones, ergänzt durch Drohnen und Actioncams. Die Idee: schnelle Perspektivwechsel, ungeschliffene Energie, spannende Shots. Das Ergebnis: visuelles Chaos. Zwischen Musikvideo, Found Footage und Doku mit willkürlich platzierten Kriegsaufnahmen taumelt der Film ohne klares Konzept. Das rettet auch eine ziemlich schwache CGI des Sternenhimmels über dem Meeresspiegel nicht und lässt einen mit der Frage zurück, wofür die 70 Millionen US-Dollar ausgegeben wurden (Das neueste iPhone kostet rund 1.000 €). Auch Drehbuch, Schnitt und Dramaturgie schwächeln: Spannungsmomente verhallen mit deplatzierten Schnitten. Actionsequenzen werden entweder zu spät oder zu früh gecuttet – Comic Effect und Spannung bleiben aus.
Interessante Themen, wie die Geburt eines gesunden Babys einer infizierten Mutter („The magic of the placenta“), die Dynamiken im Dorf und mutierte Zombietypen (Alphas vs. Slow Lows) werden angerissen und dann nicht weiter erforscht, und wir bleiben zurück mit einem überambitionierten, inhaltsschwachen und emotional distanzierten – Achtung! – Auftakt des dreiteiligen Franchises im Franchise 28 YEARS LATER. Ob Teil 2 und 3 das retten können, ist abzuwarten.
Der Film ist zum Start am 19. Juni 2025 in Köln in folgenden Kinos zu sehen:
Danny Boyle ist zurück – und mit ihm das Rage-Virus. Mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem stilprägenden Horror-Meilenstein 28 Days Later kehrt der britische Regisseur nun mit 28 Years Later zu seinem Franchise zurück. Gemeinsam mit Drehbuchautor Alex Garland (u. a. Ex Machina) wagt Boyle die Fortsetzung einer filmischen Endzeitvision, die einst das Genre neu definierte. Die Erwartungen sind groß – doch gelingt der Sprung in eine neue Generation?
Von Lena Mrachacz.
22 Jahre ist es her – aber das wollen wir mal nicht so genau nehmen –, dass 28 DAYS LATER in den deutschen Kinos erschien. Wer sich nicht mehr genau erinnert: Eine Gruppe Tierschützer:innen befreit einen virusinfizierten Schimpansen aus einem Labor – kurz darauf breitet sich das Rage-Virus aus. London wird zur Geisterstadt. Nur wenige überleben: Jim (Cillian Murphy), Selena (Naomie Harris) und Frank (Brendan Gleeson) suchen nach Rettung. Doch gibt es diese überhaupt?
2007 folgte 28 WEEKS LATER mit neuem Regisseur und deutlich weniger Erfolg. Nun ist 2025, und Danny Boyle ist zurück – samt Drehbuchautor Alex Garland (Ex Machina, Civil War). 28 YEARS LATER beginnt mit einer Rückblende – ihr ahnt es – 28 Jahre zurück: Der kleine Jimmy wird beim Teletubbies-Schauen vom Zombieangriff überrascht, aber überlebt. Sein Vater, streng katholisch, sieht das Virus als göttliche Prüfung und gibt sich ihnen wie der Allmächtige hin. Schnelle Schnitte, wackelnde Kameras, irritierende Perspektiven erinnern an den ersten Teil der Filmreihe, der die Videoästhetik der Nullerjahre vor allem mit 4:3-Format eingefangen hat, wirken aber zunächst eher wie ein hektisches Musik- oder Youtubevideo. Zu sehr wird unsere Aufmerksamkeit auf die Machart gelenkt, in der Geschichte kommen wir nur schwer an.
Zurück ins Jetzt: 14 Jahre alt, lebt Spike mit seinem Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) und der schwerkranken Mutter Isla (Jodie Comer) in einer isolierten Seefestung, die nur bei Ebbe erreichbar ist. Eine selbstgebaute Utopie mit hohen Mauern – und klarer Rollenverteilung: Die starken (Alpha) Männer gehen – ja wozu eigentlich? – ans Festland. Spike soll mit. Jamie findet einen Frisbee (ach deswegen also) und einen gefolterten Infizierten – auf dessen Rücken steht: „Jimmy“. Spike tötet seine ersten Slow Low und verschießt ein paar andere Pfeile. Mit meiner Irritation, was wir überhaupt hier tun, gerät auch Spike ins Grübeln. Als sie sich in ein verlassenes Haus zurückziehen, um die Alphas (Zombies) loszuwerden, erblickt Spike ein Feuer in der Ferne und damit eine völlig neue Welt, die seine kranke Mutter heilen könnte und die sein Vertrauen in seinen Vater ins Wanken bringt. Die Reise wird zum Coming-of-Age-Abenteuer, in der sich Spike am Ende von seiner gewohnten Umgebung abnabelt.
Klingt vielversprechend, aber Danny Boyle und Alex Garland verpassen in zahlreichen Momenten, diese Geschichte auch wirklich zu erzählen. Jamie, toxisch maskuliner Vater, ist eindimensional gezeichnet und gespielt, als Held im Dorf gefeiert – für was, ist immer noch unklar. Die Dorfgemeinschaft bleibt schemenhaft: Jungen lernen Bogenschießen, Mädchen verschwinden im Hintergrund – Mütter, Liebhaberinnen, Statistinnen – und es bleibt die Enttäuschung zurück, dass wir selbst nach einer Rage-Virus-Zombie-Apokalypse im Patriarchat leben. Nur der verrückte Dr. Kelson, gespielt mit der gewohnten Portion Humor und Merkwürdigkeit von Ralph Fiennes, bleibt im Gedächtnis.
Gedreht wurde mit 20 iPhones, ergänzt durch Drohnen und Actioncams. Die Idee: schnelle Perspektivwechsel, ungeschliffene Energie, spannende Shots. Das Ergebnis: visuelles Chaos. Zwischen Musikvideo, Found Footage und Doku mit willkürlich platzierten Kriegsaufnahmen taumelt der Film ohne klares Konzept. Das rettet auch eine ziemlich schwache CGI des Sternenhimmels über dem Meeresspiegel nicht und lässt einen mit der Frage zurück, wofür die 70 Millionen US-Dollar ausgegeben wurden (Das neueste iPhone kostet rund 1.000 €). Auch Drehbuch, Schnitt und Dramaturgie schwächeln: Spannungsmomente verhallen mit deplatzierten Schnitten. Actionsequenzen werden entweder zu spät oder zu früh gecuttet – Comic Effect und Spannung bleiben aus.
Interessante Themen, wie die Geburt eines gesunden Babys einer infizierten Mutter („The magic of the placenta“), die Dynamiken im Dorf und mutierte Zombietypen (Alphas vs. Slow Lows) werden angerissen und dann nicht weiter erforscht, und wir bleiben zurück mit einem überambitionierten, inhaltsschwachen und emotional distanzierten – Achtung! – Auftakt des dreiteiligen Franchises im Franchise 28 YEARS LATER. Ob Teil 2 und 3 das retten können, ist abzuwarten.
Der Film ist zum Start am 19. Juni 2025 in Köln in folgenden Kinos zu sehen: