Zu sagen, „Soldaten des Lichts“ sei ein Dokumentarfilm über die aktuelle Reichsbürger-Szene in Deutschland, ist richtig, greift aber deutlich zu kurz. Der Film zeigt auf erschütternde Weise, wie kurz die Wege zwischen absurdesten Verschwörungsideologien hin zu Mindset-, Business- und Money-Coaches sind. Wie der Entwurf einer absurden Parallelwelt, full of reptilians and rainbows, gleichzeitig von kapitalistischen, selbstoptimierungsverschwurbelten Frohndiensten durchdrungen ist. Und was das alles mit Menschen macht – bis hin zu Isolation und Tod.
Zwar wird man wegen der unglaublichen Absurdität der laut geäußerten Vorstellungswelten einiger Menschen in diesem Film (dass die Erde eine Scheibe ist, gehört da noch zu den harmlosen Sachen) unfreiwillig immer wieder lachen müssen. Aber, oh boy, wenn die letzten Texttafeln des Dokumentarfilms von Julian Vogel und Johannes Büttner über die Leinwand laufen, ist jedes Lachen erstorben.
Intime Einblicke
„Soldaten des Lichts“ bietet in einigen Szenen erstaunlich intime Einblicke in die Vorstellungswelten des selbst ernannten „Geistheilers Sananda“ und insbesondere der jüngst verbotenen Sekte Königreich Deutschland, zu der auch der Influencer Mister Raw gehört, der, laut einer Klage der Verbraucherzentrale Hessen gegen ihn, Kunden seines Onlineshops für Nahrungsergänzungsmittel dazu verpflichte, „für die Dauer der Geschäftsbeziehung […] eine temporäre Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland (KRD) einzugehen.“
In seinem (inzwischen geschlossenem) Lokal in Frankfurt am Main arbeitete auch ein junger Mann namens Timo, den der Film über weite Strecken begleitet. Glücklich wirkt Timo in „Soldaten des Lichts“ nie, obwohl er scheinbar dort ist, wo er sein möchte, als Teil eines neuen, alternativen Systems. Durch die Querdenker-Szene ist er in diese Welt abgedriftet, die ihn mit ihren Versprechungen lockte. Timo leidet offensichtlich unter psychischen Problemen und sucht hier Heilung. Er wird sie nicht finden.
Verschränkung von Marketing, Selbstoptimierung und Geschäftsmodellen
Der Film offenbart kein rein ideologisches System, sondern legt die enge Verflechtung von Geschäft, Lebensberatung und Marketing offen. Mister Raw agiert als Influencer, Life-Coach und Heiler, verkauft Nahrungsergänzungsmittel, bewirbt Fastenkuren, Detox-Methoden und Rohkostprogramme – und bindet all das an eine Weltanschauung, die den Staat und die „Mainstream-Medien“ ablehnt.
Das führt dann schon gleich zu Beginn des Films zu erschütternden Telefonaten von Mister Raw mit anscheinend schwer krebskranken Menschen, hier wiedergegeben vom Dokfest München, wo der Film im Mai 2025 seine Premiere feierte: „Rausgehen, jeden Tag Wildkräutersäfte sammeln!“ „Mister Raw“ läuft vor seinem Auslieferungslager hin und her und gibt einer Frau mit Krebsdiagnose Handlungsanweisungen. „Entspann dich ein bisschen. Geh auf die Vitorimatte!“ Er wendet sich an ihren Sohn. „Und deine Mutter soll nicht vergessen: Der Krebs stirbt, wenn die Temperatur über 42 Grad ist… Schön, dass du da bist, Bruder.“
Die Ideologie wird zur Marke, Selbstoptimierung zur Ware. Der Film zeigt, wie diese Menschen ihre Gefolgschaft nicht nur mit Ideen, sondern vor allem mit Produkten versorgen – und wie Profitstreben und Welterklärung untrennbar miteinander verwoben sind.
Die Filmemacher bebildern gekonnt die Selbstinszenierung der Szene und zeigen Szenen oft durch die Displays der Social-Media-Kameras, mit denen sich die Protagonist:innen via Telegram etc. in die Welt tragen. Häufig bleiben Vogel und Büttner auf Distanz, beobachten von hinten oder seitlich, lassen Momente geschehen, ohne sie frontal zu konfrontieren. Diese räumliche Zurückhaltung vermeidet Voyeurismus, schafft aber eine eigentümliche Nähe – die Beobachtung bleibt kritisch, der Blick reflektiert.
Überzeugungstäter im eigenen Wahn
Das Verstörende: Diese Seelenfänger glauben offenbar selbst an das, was sie predigen – von der simplen Kabale der Stadtverwaltung über die globale Weltverschwörung bis hin zur Flacherd-Theorie. „Gegen die Welt“, „Gegen das System“ und manchmal schlicht „Gegen den gesunden Menschenverstand“ könnte man sagen, richtet sich ihr Denken: eine fundamentale Abkehr von Ordnung und Realität, die dennoch die ultimative Spielart des modernen Kapitalismus verkörpert. Manches wirkt so absurd, dass man lachen muss – doch inmitten all des Wahnsinns liegt eine unerschütterliche Ernsthaftigkeit, die Angst macht. Ein Nährboden für all das ist über Jahre praktizierte fehlende Medienkompetenz aller Beteiligten: Noch die aberwitzigste Idee wird geglaubt, solange sie nur „alternativ“ wirkt und nicht aus den verhassten Mainstreamquellen stammt.
Fazit
„Soldaten des Lichts“ gelingt ein Meisterstück: eine nüchterne und gleichzeitig emotional beißende Bestandsaufnahme der deutschen Reichsbürger-Szene, ein tief eindringendes, formal ambitioniertes Dokument über die moderne Verflochtenheit von Ideologie, Selbstinszenierung und Profit. Der Film lässt erschüttert und alarmiert zurück – über die Hybris, die moralische Selbstermächtigung und die fatalen Verheißungen, die heutige Gurus als Marktprojekte verkaufen. Einer der besten Dokumentarfilme des Jahres.
Eine tiefergehende Besprechung von „Soldaten des Lichts“ unter dem vielsagenden Titel „Dieser Film ist eine Sensation“ findet ihr auch bei Wolfgang M. Schmitts „Die Filmanalyse“ auf YouTube:
Zu sagen, „Soldaten des Lichts“ sei ein Dokumentarfilm über die aktuelle Reichsbürger-Szene in Deutschland, ist richtig, greift aber deutlich zu kurz. Der Film zeigt auf erschütternde Weise, wie kurz die Wege zwischen absurdesten Verschwörungsideologien hin zu Mindset-, Business- und Money-Coaches sind. Wie der Entwurf einer absurden Parallelwelt, full of reptilians and rainbows, gleichzeitig von kapitalistischen, selbstoptimierungsverschwurbelten Frohndiensten durchdrungen ist. Und was das alles mit Menschen macht – bis hin zu Isolation und Tod.
Zwar wird man wegen der unglaublichen Absurdität der laut geäußerten Vorstellungswelten einiger Menschen in diesem Film (dass die Erde eine Scheibe ist, gehört da noch zu den harmlosen Sachen) unfreiwillig immer wieder lachen müssen. Aber, oh boy, wenn die letzten Texttafeln des Dokumentarfilms von Julian Vogel und Johannes Büttner über die Leinwand laufen, ist jedes Lachen erstorben.
Intime Einblicke
„Soldaten des Lichts“ bietet in einigen Szenen erstaunlich intime Einblicke in die Vorstellungswelten des selbst ernannten „Geistheilers Sananda“ und insbesondere der jüngst verbotenen Sekte Königreich Deutschland, zu der auch der Influencer Mister Raw gehört, der, laut einer Klage der Verbraucherzentrale Hessen gegen ihn, Kunden seines Onlineshops für Nahrungsergänzungsmittel dazu verpflichte, „für die Dauer der Geschäftsbeziehung […] eine temporäre Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland (KRD) einzugehen.“
In seinem (inzwischen geschlossenem) Lokal in Frankfurt am Main arbeitete auch ein junger Mann namens Timo, den der Film über weite Strecken begleitet. Glücklich wirkt Timo in „Soldaten des Lichts“ nie, obwohl er scheinbar dort ist, wo er sein möchte, als Teil eines neuen, alternativen Systems. Durch die Querdenker-Szene ist er in diese Welt abgedriftet, die ihn mit ihren Versprechungen lockte. Timo leidet offensichtlich unter psychischen Problemen und sucht hier Heilung. Er wird sie nicht finden.
Verschränkung von Marketing, Selbstoptimierung und Geschäftsmodellen
Der Film offenbart kein rein ideologisches System, sondern legt die enge Verflechtung von Geschäft, Lebensberatung und Marketing offen. Mister Raw agiert als Influencer, Life-Coach und Heiler, verkauft Nahrungsergänzungsmittel, bewirbt Fastenkuren, Detox-Methoden und Rohkostprogramme – und bindet all das an eine Weltanschauung, die den Staat und die „Mainstream-Medien“ ablehnt.
Das führt dann schon gleich zu Beginn des Films zu erschütternden Telefonaten von Mister Raw mit anscheinend schwer krebskranken Menschen, hier wiedergegeben vom Dokfest München, wo der Film im Mai 2025 seine Premiere feierte: „Rausgehen, jeden Tag Wildkräutersäfte sammeln!“ „Mister Raw“ läuft vor seinem Auslieferungslager hin und her und gibt einer Frau mit Krebsdiagnose Handlungsanweisungen. „Entspann dich ein bisschen. Geh auf die Vitorimatte!“ Er wendet sich an ihren Sohn. „Und deine Mutter soll nicht vergessen: Der Krebs stirbt, wenn die Temperatur über 42 Grad ist… Schön, dass du da bist, Bruder.“
Die Ideologie wird zur Marke, Selbstoptimierung zur Ware. Der Film zeigt, wie diese Menschen ihre Gefolgschaft nicht nur mit Ideen, sondern vor allem mit Produkten versorgen – und wie Profitstreben und Welterklärung untrennbar miteinander verwoben sind.
Die Filmemacher bebildern gekonnt die Selbstinszenierung der Szene und zeigen Szenen oft durch die Displays der Social-Media-Kameras, mit denen sich die Protagonist:innen via Telegram etc. in die Welt tragen. Häufig bleiben Vogel und Büttner auf Distanz, beobachten von hinten oder seitlich, lassen Momente geschehen, ohne sie frontal zu konfrontieren. Diese räumliche Zurückhaltung vermeidet Voyeurismus, schafft aber eine eigentümliche Nähe – die Beobachtung bleibt kritisch, der Blick reflektiert.
Überzeugungstäter im eigenen Wahn
Das Verstörende: Diese Seelenfänger glauben offenbar selbst an das, was sie predigen – von der simplen Kabale der Stadtverwaltung über die globale Weltverschwörung bis hin zur Flacherd-Theorie. „Gegen die Welt“, „Gegen das System“ und manchmal schlicht „Gegen den gesunden Menschenverstand“ könnte man sagen, richtet sich ihr Denken: eine fundamentale Abkehr von Ordnung und Realität, die dennoch die ultimative Spielart des modernen Kapitalismus verkörpert. Manches wirkt so absurd, dass man lachen muss – doch inmitten all des Wahnsinns liegt eine unerschütterliche Ernsthaftigkeit, die Angst macht. Ein Nährboden für all das ist über Jahre praktizierte fehlende Medienkompetenz aller Beteiligten: Noch die aberwitzigste Idee wird geglaubt, solange sie nur „alternativ“ wirkt und nicht aus den verhassten Mainstreamquellen stammt.
Fazit
„Soldaten des Lichts“ gelingt ein Meisterstück: eine nüchterne und gleichzeitig emotional beißende Bestandsaufnahme der deutschen Reichsbürger-Szene, ein tief eindringendes, formal ambitioniertes Dokument über die moderne Verflochtenheit von Ideologie, Selbstinszenierung und Profit. Der Film lässt erschüttert und alarmiert zurück – über die Hybris, die moralische Selbstermächtigung und die fatalen Verheißungen, die heutige Gurus als Marktprojekte verkaufen. Einer der besten Dokumentarfilme des Jahres.
Der Film ist seit dem Kinostart am 14. August 2025 in Köln im Filmhaus Kino zu sehen.
Eine tiefergehende Besprechung von „Soldaten des Lichts“ unter dem vielsagenden Titel „Dieser Film ist eine Sensation“ findet ihr auch bei Wolfgang M. Schmitts „Die Filmanalyse“ auf YouTube: