Interview mit den Produzenten von der augenschein Filmproduktion über „My Happy Family“ in Sundance und ihr internationales Profil
Die Kölner Produzenten Maximilian Leo und Jonas Katzenstein von der augenschein Filmproduktion haben mit Claudia Sárkány von Kinoszene Köln über ihre Koproduktion „My Happy Family“, ihre Erfahrungen mit dem Film beim Sundance Festival und ihr internationales Profil gesprochen.
Filmszene Köln: Euer Film „My Happy Family“ lief vor kurzem bei Sundance. Wie ist der Film dort angekommen und wie war das Festival?
Jonas Katzenstein: „My Happy Family“ war unser zweiter Film bei Sundance – das erste Mal war es 2014 die Koproduktion „The Disobedient“. Dieses Mal war es allerdings eine besonders schöne Erfahrung, da es Standing Ovations und sehr viele positive Kritiken gab.
Filmszene Köln: Ich habe auch überschwängliche Reaktionen auf „My Happy Family“ gelesen – „vermutlich der beste Film des Jahres“ hieß es zum Beispiel in der Village Voice.
Jonas Katzenstein: Wir hatten nicht damit gerechnet, dass der Film in den Staaten so gut ankommen würde. Die Publikumsdiskussionen waren alle sehr enthusiastisch und auch rührend – Ein großer Teil der georgischen Community in Amerika hatte sich z.B. zusammengetan, um gemeinsam nach Salt Lake City zum Screening zu fahren.
Maximilian Leo: Das die Begeisterung und Aufmerksamkeit vom Publikum und der Presse so groß waren, ist insofern erstaunlich, dass „My Happy Family“ kein Film ist, der davon lebt, besonders spektakulär zu sein. Es ist ein Film der leisen Töne, der auf ganz unaufgeregte Weise eine Emanzipationsgeschichte erzählt. Umso schöner, dass das dann so honoriert wird.
JK: Was erwähnenswert ist, dass das Feedback in Amerika anders ist, als hier in Deutschland – die Leute sind dort viel offener und man wird deutlich mehr angesprochen. Im Anschluss an die Vorführung haben Zuschauer mir auch auf der Straße händeschüttelnd gratuliert und erzählt, an welche persönliche Erfahrung der Film sie erinnert hat. Da es bei „My Happy Family“ um Familienstrukturen geht, ist es ein Thema, das auch außerhalb Georgiens eine große Rolle spielt. Viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen erkennen ihre eigene Familie darin wieder. Die Begeisterung für „My Happy Family“ hat Sundance natürlich dieses Jahr zu einem besonderen Erlebnis gemacht. Generell ist das Festival ein spezieller Ort, da alle – Besucher, Filmemacher und Stars – mit Ski-Klamotten durch den Schnee waten und es dadurch eben nicht glamourös wie in Cannes ist. Das hat einen wahnsinnigen Charme.
FK: Sundance wird ja immer wieder dafür kritisiert, gar kein wahres Independent-Festival mehr zu sein. Wie habt ihr das dieses Jahr wahrgenommen?
ML: Es kommt auf die jeweilige Reihe an. Der Hauptfokus dort ist der amerikanische Film, innerhalb dessen auch einige kommerziellere Produktionen laufen. Dann gibt es aber auch die Reihe des internationalen Wettbewerbs, in der viele klassische Independentfilme laufen. Man muss es in Relation betrachten zum Rest der USA. Die Filme, die in der amerikanischen Reihe gezeigt werden, sind auf jeden Fall viel unabhängiger als der aktuelle Hollywoodfilm. Bei Sundance werden außergewöhnliche Filme mit einer sehr eigenen Regiehandschrift und auch immer wieder Newcomer gefeaturet. Was man generell beobachten kann, ist, dass der ganze Bereich Arthouse und Independentfilm sehr gewachsen ist innerhalb der letzten zwanzig Jahre. Da ist mittlerweile Platz für mehr Festivals, wie zum Beispiel Slamdance, das ja zeitgleich in Park City stattfindet. Ein Festival wie Sundance kann für den englischsprachigen Raum nur die großen Independent-Filme abdecken und bei den großen Independent-Produktionen ist man dann schon sehr nah dran an dem Kino, das nicht mehr als Arthouse-Kino gilt.
FK: Hat euch als Produzenten einer verhältnismäßig kleinen Independent-Produktion das Sundance-Festival neue Türen geöffnet?
ML: Ja, wir haben dort viele spannende Leute kennengelernt. Es war auch schön zu sehen, dass man unsere internationalen Arthouse-Produktionen gut kannte. „Apprentice“, der letztes Jahr in Cannes lief, war den meisten dort zum Beispiel ein Begriff. In Bezug auf neue professionelle Kontakte, war es für uns ein großer Schritt in den USA.
FK: Man hat den Eindruck, dass euer Profil immer internationaler wird – ihr habt zum Beispiel vor kurzem einen Film des thailändischen Regisseurs Pen-ek Ratanaruang koproduziert und den chilenischen Film „Los Perros“, jetzt produziert ihr den Debüt-Spielfilm Patrick Vollrath, der mit seinem letzten Film Kurzfilm Oscar-nominiert war, in dem die Hauptfigur von dem amerikanischen Schauspieler Paul Dano verkörpert wird. Kaum einer eurer Filme spielt in Deutschland. War das schon immer euer Plan oder wie hat sich das entwickelt?
ML: Wir haben schon immer international koproduziert. Unser erster Kinodokumentarfilm „Tour du Faso“ war direkt eine deutsch-französische Koproduktion in Burkina Faso. Zeitgleich haben wir dann auch als minoritärer Partner angefangen kozuproduzieren. Durch diese Kontakte konnten wir unsere majoritären Produktionen auf internationale Füße stellen. „Volt“ war z.B. eine deutsch-französische Koproduktion, „Monster“, ist eine deutsch-schweizerische Koproduktion. Die Idee einer Koproduktion ist unter anderem, dass man auf diese Weise das Budget erhöht, um bessere Drehbedingungen zu schaffen. Dazu braucht es Geschichten, die nicht nur von nationalem Interesse sein können.
JK: Klar ist, dass unser Schwerpunkt das Autoren-Kino ist und ich vergleiche das immer mit Musik: Ein Singer-Songwriter zu sein, ist anders, als „Charts-Hits“ für einen lokalen Markt zu produzieren. Wenn du vor allem bei Kollegen und einem kleineren Kreis sehr anerkannt bist, die große Masse aber nicht erreichst, dann kommt deine Musik eher über die Grenzen und so ist es mit Filmen auch. Ein Autoren-Regisseur wie Călin Peter Netzer, mit dem wir jetzt den Silbernen Bären mit ANA, MON AMOUR gewinnen konnten, ist zwar in Rumänien sehr bekannt, in Deutschland aber nur bei Filmkennern – dasselbe gilt dann allerdings auch für Länder wie Frankreich, Italien und den USA.
FK: Achtet ihr gezielt darauf, dass ihr auch Filme produziert, die eindeutig nur hier spielen können?
ML: Das kommt auf das Projekt an. Wir suchen immer nach einem Regisseur oder einer Regisseurin mit einer eigenen Handschrift. Wenn man einen künstlerisch ambitionierten Film macht, ist es natürlich sinnvoll, wenn der auch die Qualität hat, über die Grenzen des eigenen Landes hinauszugehen.
FK: Was ist für euch aktuell das spannendste Projekt?
ML: „7500“ von Patrick Vollrath, der nächste eigene Film, den wir im Herbst drehen. Die globale Situation um den Terrorismus wird darin wie unter einem Brennglas zusammengefasst – nahezu in Echtzeit komplett nur in einem Cockpit. Der Film hat einen klassischen Thrillerplot, wird aber mit einer eigenwilligen Autorenhandschrift atmosphärisch inszeniert. Zum ersten Mal arbeiten wir mit einem amerikanischen Darsteller (Paul Dano) und in englischer Sprache. Es ist ein Projekt, das auch international schon im Vorhinein sehr viel Aufmerksamkeit erzielt hat, was es besonders aufregend macht.
Foto: Maximilian Leo und Jonas Katzenstein (v. l. n. r.) bei der Berlinale 2017 © Tanja Güß / Film- und Medienstiftung NRW
Interview mit den Produzenten von der augenschein Filmproduktion über „My Happy Family“ in Sundance und ihr internationales Profil
Die Kölner Produzenten Maximilian Leo und Jonas Katzenstein von der augenschein Filmproduktion haben mit Claudia Sárkány von Kinoszene Köln über ihre Koproduktion „My Happy Family“, ihre Erfahrungen mit dem Film beim Sundance Festival und ihr internationales Profil gesprochen.
Filmszene Köln: Euer Film „My Happy Family“ lief vor kurzem bei Sundance. Wie ist der Film dort angekommen und wie war das Festival?
Jonas Katzenstein: „My Happy Family“ war unser zweiter Film bei Sundance – das erste Mal war es 2014 die Koproduktion „The Disobedient“. Dieses Mal war es allerdings eine besonders schöne Erfahrung, da es Standing Ovations und sehr viele positive Kritiken gab.
Filmszene Köln: Ich habe auch überschwängliche Reaktionen auf „My Happy Family“ gelesen – „vermutlich der beste Film des Jahres“ hieß es zum Beispiel in der Village Voice.
Jonas Katzenstein: Wir hatten nicht damit gerechnet, dass der Film in den Staaten so gut ankommen würde. Die Publikumsdiskussionen waren alle sehr enthusiastisch und auch rührend – Ein großer Teil der georgischen Community in Amerika hatte sich z.B. zusammengetan, um gemeinsam nach Salt Lake City zum Screening zu fahren.
Maximilian Leo: Das die Begeisterung und Aufmerksamkeit vom Publikum und der Presse so groß waren, ist insofern erstaunlich, dass „My Happy Family“ kein Film ist, der davon lebt, besonders spektakulär zu sein. Es ist ein Film der leisen Töne, der auf ganz unaufgeregte Weise eine Emanzipationsgeschichte erzählt. Umso schöner, dass das dann so honoriert wird.
JK: Was erwähnenswert ist, dass das Feedback in Amerika anders ist, als hier in Deutschland – die Leute sind dort viel offener und man wird deutlich mehr angesprochen. Im Anschluss an die Vorführung haben Zuschauer mir auch auf der Straße händeschüttelnd gratuliert und erzählt, an welche persönliche Erfahrung der Film sie erinnert hat. Da es bei „My Happy Family“ um Familienstrukturen geht, ist es ein Thema, das auch außerhalb Georgiens eine große Rolle spielt. Viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen erkennen ihre eigene Familie darin wieder. Die Begeisterung für „My Happy Family“ hat Sundance natürlich dieses Jahr zu einem besonderen Erlebnis gemacht. Generell ist das Festival ein spezieller Ort, da alle – Besucher, Filmemacher und Stars – mit Ski-Klamotten durch den Schnee waten und es dadurch eben nicht glamourös wie in Cannes ist. Das hat einen wahnsinnigen Charme.
FK: Sundance wird ja immer wieder dafür kritisiert, gar kein wahres Independent-Festival mehr zu sein. Wie habt ihr das dieses Jahr wahrgenommen?
ML: Es kommt auf die jeweilige Reihe an. Der Hauptfokus dort ist der amerikanische Film, innerhalb dessen auch einige kommerziellere Produktionen laufen. Dann gibt es aber auch die Reihe des internationalen Wettbewerbs, in der viele klassische Independentfilme laufen. Man muss es in Relation betrachten zum Rest der USA. Die Filme, die in der amerikanischen Reihe gezeigt werden, sind auf jeden Fall viel unabhängiger als der aktuelle Hollywoodfilm. Bei Sundance werden außergewöhnliche Filme mit einer sehr eigenen Regiehandschrift und auch immer wieder Newcomer gefeaturet. Was man generell beobachten kann, ist, dass der ganze Bereich Arthouse und Independentfilm sehr gewachsen ist innerhalb der letzten zwanzig Jahre. Da ist mittlerweile Platz für mehr Festivals, wie zum Beispiel Slamdance, das ja zeitgleich in Park City stattfindet. Ein Festival wie Sundance kann für den englischsprachigen Raum nur die großen Independent-Filme abdecken und bei den großen Independent-Produktionen ist man dann schon sehr nah dran an dem Kino, das nicht mehr als Arthouse-Kino gilt.
FK: Hat euch als Produzenten einer verhältnismäßig kleinen Independent-Produktion das Sundance-Festival neue Türen geöffnet?
ML: Ja, wir haben dort viele spannende Leute kennengelernt. Es war auch schön zu sehen, dass man unsere internationalen Arthouse-Produktionen gut kannte. „Apprentice“, der letztes Jahr in Cannes lief, war den meisten dort zum Beispiel ein Begriff. In Bezug auf neue professionelle Kontakte, war es für uns ein großer Schritt in den USA.
FK: Man hat den Eindruck, dass euer Profil immer internationaler wird – ihr habt zum Beispiel vor kurzem einen Film des thailändischen Regisseurs Pen-ek Ratanaruang koproduziert und den chilenischen Film „Los Perros“, jetzt produziert ihr den Debüt-Spielfilm Patrick Vollrath, der mit seinem letzten Film Kurzfilm Oscar-nominiert war, in dem die Hauptfigur von dem amerikanischen Schauspieler Paul Dano verkörpert wird. Kaum einer eurer Filme spielt in Deutschland. War das schon immer euer Plan oder wie hat sich das entwickelt?
ML: Wir haben schon immer international koproduziert. Unser erster Kinodokumentarfilm „Tour du Faso“ war direkt eine deutsch-französische Koproduktion in Burkina Faso. Zeitgleich haben wir dann auch als minoritärer Partner angefangen kozuproduzieren. Durch diese Kontakte konnten wir unsere majoritären Produktionen auf internationale Füße stellen. „Volt“ war z.B. eine deutsch-französische Koproduktion, „Monster“, ist eine deutsch-schweizerische Koproduktion. Die Idee einer Koproduktion ist unter anderem, dass man auf diese Weise das Budget erhöht, um bessere Drehbedingungen zu schaffen. Dazu braucht es Geschichten, die nicht nur von nationalem Interesse sein können.
JK: Klar ist, dass unser Schwerpunkt das Autoren-Kino ist und ich vergleiche das immer mit Musik: Ein Singer-Songwriter zu sein, ist anders, als „Charts-Hits“ für einen lokalen Markt zu produzieren. Wenn du vor allem bei Kollegen und einem kleineren Kreis sehr anerkannt bist, die große Masse aber nicht erreichst, dann kommt deine Musik eher über die Grenzen und so ist es mit Filmen auch. Ein Autoren-Regisseur wie Călin Peter Netzer, mit dem wir jetzt den Silbernen Bären mit ANA, MON AMOUR gewinnen konnten, ist zwar in Rumänien sehr bekannt, in Deutschland aber nur bei Filmkennern – dasselbe gilt dann allerdings auch für Länder wie Frankreich, Italien und den USA.
FK: Achtet ihr gezielt darauf, dass ihr auch Filme produziert, die eindeutig nur hier spielen können?
ML: Das kommt auf das Projekt an. Wir suchen immer nach einem Regisseur oder einer Regisseurin mit einer eigenen Handschrift. Wenn man einen künstlerisch ambitionierten Film macht, ist es natürlich sinnvoll, wenn der auch die Qualität hat, über die Grenzen des eigenen Landes hinauszugehen.
FK: Was ist für euch aktuell das spannendste Projekt?
ML: „7500“ von Patrick Vollrath, der nächste eigene Film, den wir im Herbst drehen. Die globale Situation um den Terrorismus wird darin wie unter einem Brennglas zusammengefasst – nahezu in Echtzeit komplett nur in einem Cockpit. Der Film hat einen klassischen Thrillerplot, wird aber mit einer eigenwilligen Autorenhandschrift atmosphärisch inszeniert. Zum ersten Mal arbeiten wir mit einem amerikanischen Darsteller (Paul Dano) und in englischer Sprache. Es ist ein Projekt, das auch international schon im Vorhinein sehr viel Aufmerksamkeit erzielt hat, was es besonders aufregend macht.
Foto: Maximilian Leo und Jonas Katzenstein (v. l. n. r.) bei der Berlinale 2017 © Tanja Güß / Film- und Medienstiftung NRW