Allgemein Filmszene Aktuell

Interview: Das Filmnetzwerk LaDOC

Vor 20 Jahren entstand in Köln das Filmnetzwerk LaDOC. Damals kamen in der Bürogemeinschaft von Bettina Braun und Britta Wandaogo erstmals mehr als zwanzig Frauen zusammen: Regisseurinnen, Kamerafrauen, Editorinnen von Dokumentarfilmen, der überwiegende Teil von ihnen Absolventinnen der Kunsthochschule für Medien in Köln. Ausgangspunkt für dieses Treffen war die Wahrnehmung jeder Einzelnen, dass ihre berufliche Entwicklung nicht mit der ihrer Studienkollegen mithalten konnte. Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern, die während des Studiums kein Thema gewesen waren, wurden im beruflichen Wettbewerb sichtbar. Überrascht stellten sie fest, dass es den anderen Frauen bei diesem Treffen genauso ging.

Anfang Dezember 2022 konnte man bei der fünften LaDOC-Konferenz „Zwischen uns das Objektiv – Formen der Zusammenarbeit zwischen Protagonist:innen und Regie“ das Jubiläum feiern und über das eigene Werk reflektieren. Bis Ende Dezember sind insgesamt neun Filme von LaDOC-Regisseurinnen als VIDEO ON DEMAND für einen kleinen Betrag hier zu streamen.

Werner Busch: »2003 haben wir uns zusammengetan und ein Netzwerk geschaffen«, kann man in Eurer Selbstbeschreibung nachlesen. Aber wie kann man sich das genauer vorstellen?

Britta Wandaogo: Es war eine zufällige Begegnung am Rhein mit einer ehemaligen Kommilitonin der KHM. Im Gespräch über unsere Situation und wie es um uns steht, entstand die spontane Idee, dass wir uns aus dem Dokumentarfilmbereich zusammenschließen könnten nach der Zeit an der KHM. Ich weiß gerade nicht, wer sie war, sie hat einen Film über die Stimme gemacht. Ich machte den Vorschlag: lass uns bei Bettina Braun und mir im Büro treffen, mit allen, die wir mobilisieren können und nicht warten, bis es versickert. Das erste Treffen fand ein paar Wochen später statt und dann auch monatlich.

Gab es bestimmte Erwartungen/Hoffnungen von euch an dieses neue Netzwerk damals und haben sich diese eingelöst?

Britta Wandaogo: Erst mal stand nichts Konkretes im Raum – aber Austausch und Vernetzung.

Bettina Braun: Ich hatte keine konkrete Erwartung, bin aber erstaunt, wie gut die Idee des Netzwerks über all die Jahre funktioniert hat. Ein Beispiel: In der Bürogemeinschaft, in der ich seit bald 10 Jahren bin, nachdem Britta und ich unser Büro verlassen mussten, wäre ich ohne LaDOC nicht.

Ist es heute einfacher, als vor 20 Jahren Dokumentarfilme zu machen?

Britta Wandaogo: Nein, eher schlimmer. Der Markt ist vorsichtig und bürokratisiert, sich auf ein Projekt zu konzentrieren ist überwuchert von Orga und Durchsetzungskraft.

Bettina Braun: Ich finde auch das Drehen viel schwieriger. Heute habe ich nochmal meinen Film gesehen, den ich vor fast 20 Jahren gedreht habe. Wie schnell und unkompliziert man da noch an Drehgenehmigungen kam und wie viel weniger misstrauisch die Menschen waren, ist mir da nochmal besonders aufgefallen. Und damit meine ich nicht die Hauptprotagonisten, sondern die Menschen, denen man beim Drehen sonst noch mit der Kamera begegnet ist.

Wie hat sich das Verhältnis der Protagonist:innen zu den Filmemacherinnen und zum „Endprodukt“, dem Film, in dieser Zeit gewandelt? Ich würde mir vorstellen, dass Menschen heute sehr viel mehr »self aware« sind, über das, was sie in so einer „Arbeitsbeziehung“ vor der Kamera tun?

Britta Wandaogo: Auf jeden Fall. Durch Social Media und Co. denken alle der Film landet morgen auf YouTube. Die Vorstellungskraft, was ein Film oder vielmehr ein Dokumentarfilm bedeutet, insbesondere eine freie Produktion, wo niemand den Ausgang, auch nicht die Regie, kennt, lande im „Tal der Ahnungslosen“. Dokumentarfilm als Autor:innenfilm ist kaum vermittelbar. Und jede Autorin arbeitet anders.

Bettina Braun: Es ist auch ein Unterschied, ob ein Film in einem begrenzten Rahmen – sagen wir ein paar TV-Ausstrahlungen und Kino – oder allzeit und für immer abrufbar im Internet ist. Das verändert auch das, was man als Filmemacherin »in die Welt schicken möchte«.

Die Beziehung zwischen Protagonist:innen und Filmemacherinnen ist auch ein Kernthema der Konferenz, wie wird es im Programm aufgegriffen?

Marion Kainz: Jeder einzelne Programmpunkt behandelt aus einer anderen Perspektive und mit einer anderen Herangehensweise die Formen der Zusammenarbeit von Protagonist:innen und Regie. 

Bettina Braun: Es geht uns auch darum, nochmal den Protagonist:innen genau zuzuhören, wie die Zusammenarbeit von ihrer Warte aus wahrgenommen wurde.

Die Veranstaltung Anfang Dezember war auch ein kleines Jubiläum für die LaDOC-Konferenzen. Was ist das erklärte Ziel der Veranstaltungsreihe?

Britta Wandaogo: Die Konferenzen hatten immer einen speziellen Fokus, der gut vorbereitet, wie eine dramaturgische Reise durch das jeweilige Thema, geplant und durchgeführt wurde.

Luzia Schmid: Die erste Konferenz wurde weitestgehend von Christiane Büchner und Carolin Schmitz, als Erweiterung unserer Lectures konzipiert. Sie stellten es dem Rest vor und alle zogen mit. Das Besondere ist, dass jede sich so viel einbringen kann, wie sie Kapazitäten hat. Jede Initiative ist willkommen, nichts wird eingefordert. Dieses Arbeitsmodell hat sich als so fruchtbar erwiesen, dass wir beschlossen hatten, das weiterzuverfolgen. Es entstand eine Arbeitsteilung, die Initiativen ermöglichte und Vereinsmeierei vermied. Inhaltlich schlägt sich das in einer großen Neugier auf neue Konferenz-Formate nieder.

Bettina Braun: Themen waren unter dem Titel »WendePunkte« die Biografien und Erwerbsbiografien von Filmemacherinnen, bei der »Kraftfelder«-Konferenz waren es Netzwerke und Arbeitssymbiosen, Kollektive und Gemeinschaften. Bei »Macht Strukturen!« sind wir der Frage nach Hierarchien nachgegangen, bzw. Möglichkeiten jenseits steiler Hierarchien. Alles wie wir finden, virulente Themen im Leben einer Filmemacherin 

Mirjam Leuze: Die erste Konferenz 2016, »Wendepunkte«, legte den Fokus auf Werdegänge weiblicher Filmschaffender. Ganz besonders ist mir dabei die von Christiane Büchner und Carolin Schmitz durchgeführte Befragung von KHM-Absolventinnen im Gedächtnis geblieben. Für mich war das ein Augenöffner. Ich zitiere aus der Eröffnungsrede: »Am häufigsten verlief die Entwicklung so: Eine Redaktion signalisierte Interesse an dem Nachwuchsprojekt. Dann begann ein Prozess mit endlosen Änderungswünschen und Wartezeiten. Immer wieder dauerte das mehrere Jahre. Jobs, die eigentlich als Lern- und Verdienstmöglichkeiten für eine Übergangszeit gedacht waren, bestimmten in dieser Zeit immer mehr das Profil der Filmemacherinnen. Am Ende wurde das Projekt nicht verwirklicht und die Energie verdampfte.« Später in der Rede: »Die Konferenz ist also ein Versuch, die eigenen Entscheidungen gemeinsam zu hinterfragen, die Kräfte genau zu betrachten, die die persönlichen Wenden brachten und sie auch gemeinsam zu sehen. Dass wir dafür auch Auslassungen akzeptieren müssen, ist uns klar. Wir alle, Filmemacherinnen und Filmemacher, leiden unter der harten Konkurrenz, der lähmenden Zaudrigkeit, dem Mangel an Versuchen, dem Fehlen von Humor und Gelassenheit, dem Verschwinden von Anspruch und Maßstab. Wir lassen uns nicht gerne in die Karten schauen. Aber wenn wir selbst unser Blatt betrachten, dann sehen wir wie überschaubar unsere Spieloptionen sind.«

Es folgten die Konferenzen KraftFelder 2017, MachtStrukturen 2018 und Netz<>Werk 2021. Unter den Links sind die jeweiligen Eröffnungsreden nachzulesen.

Bis Ende Dezember sind insgesamt neun Filme von LaDOC Regisseurinnen als VIDEO ON DEMAND für einen kleinen Betrag hier zu streamen. Die Filme waren u. a. Programmpunkte unserer Konferenz. 

DIE EINZELNEN FILMEMACHERINNEN / AUTORINNEN / FOTOGRAFINNEN / EDITORINNEN / FORSCHERINNEN, die zu LaDOC gehören:

Bettina Braun — Christiane Büchner — Mehrandokht Feizi — Natascha Frankenberg — Lisa Glahn — Petra Hoffmann — Angelika Huber — Marion Kainz — Mirjam Leuze —  Gesa Marten — Erica von Moeller — Caroline Nokel — Hannah Oesterreich — Martina Pieck — Monika Pirch — Martina Pfaff — Claudia Richarz —  Anke Schäfer — Luzia Schmid — Elfriede Schmitt — Carolin Schmitz — Kathrin Sielker — Britta Wandaogo

Interview: Werner Busch
Fotos: LaDOC

Veranstalter*innen..

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