Am 16. April beginnt in Köln und Dortmund das Internationale Frauenfilmfest. Grund genug, um mal wieder laut darüber nachzudenken, welchen Sinn ein derart genderspezifisches Festival heute noch hat, wohl wissend, dass der Name selbst ein binäres System de facto voraussetzt, das die dort gezeigten Filme so jedoch nicht vertreten. Das Festival, das es unter diesem Namen seit 2006 gibt, hat sich in einem Mission Statement dem intersektionalen und queeren Feminismus verschrieben, was sich auch in der Auswahl der Filme widerspiegelt. Alternative Erzählmodelle statt Heldenepos, queere Filme – formal wie inhaltlich – ausschließlich Filme von Regisseurinnen. Das Profil des Festivals erscheint wie ein Gegenprogramm zu dem, was kürzlich mal wieder öffentlich wurde.
Die lang ersehnte Studie
Die erste Studie von FFA und Fraunhofer Institut zum Zusammenhang von Gender und Film kam 2017 heraus. Lange hatte Pro Quote Regie (heute Pro Quote Film) repräsentative Zahlen gefordert. Lange wurde dieses Problem wegignoriert. Allein dass es sie dann gab, gilt als Fortschritt. Denn für üblich werden Missstände nicht anerkannt, solange es keine verlässlichen Zahlen gibt, weil Gelder oder Interesse an bestimmten Stellen fehlen.
Ein kurzer Überblick der damaligen Ergebnisse: in Deutschland werden 72% der Kinofilme von Regisseuren, 23 Prozent von Regisseurinnen und 5 Prozent von gemischten Teams inszeniert. Drehbücher werden zu 60 Prozent von Autoren, 23 Prozent von Autorinnen und 16 Prozent von gemischten Teams verfasst. Der Gender Pay Gap betrug damals und auch heute noch in manchen Gewerken bis zu 73%.
Die Studie der MaLisa Stiftung untersuchte zwischen 2017 und 2020 erneut die Sachlage. Weiterhin stammen 58% der Drehbücher von Männern und 24% von Frauen. Regie führten in diesem Zeitraum laut Statistik 25% Frauen. In dieser Studie wurde erstmals darauf hingewiesen, dass non-binäre Personen und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten so gut wie nicht identifiziert werden konnten, weshalb sich die Ergebnisse nur in Männer und Frauen aufteilen. Hier fehlt es also grundsätzlich noch an Forschung.
Jetzt wurde eine weitere Studie bei der Berlinale veröffentlicht. Ginge die Entwicklung im jetzigen Tempo weiter, würde Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland im Jahr 2041 erreicht sein. Manche denken jetzt, ist doch super, gar nicht mehr so lange. Verglichen mit Ländern wie Kanada stimmt das. Dort würde erst 2215 Gerechtigkeit herrschen. Aber Vergleiche dieser Art hinken bekanntlich.
Vergessen wird nämlich dabei meistens, dass Entwicklung nur stattfindet, wenn Arbeit reingesteckt wird. Diese Arbeit wird meist von Frauen* geleistet. Nicht selten unterdurchschnittlich bezahlt oder ehrenamtlich. Dazu kommt, dass an deutschen Filmhochschulen 40% Frauen* in Schlüsselpositionen ausgebildet werden, die dann nicht in ihrem Bereich arbeiten. Bei Männern ist es ironischerweise andersherum. Es arbeiten sehr viel mehr von ihnen als ausgebildet werden.
Es sind also weiterhin strukturelle Probleme, blinde Flecken, mangelndes Bewusstsein, Faulheit, etc. die verhindern, dass Positionen und Ressourcen gerechter verteilt werden.
Zuversicht und Wut
Zurück also zum Frauenfilmfest. Wahrscheinlich hat sich die Anfangsfrage nun von allein beantwortet. Ein Festival, das ausschließlich Filme einer unterrepräsentierten Gruppe zeigt, macht sichtbar, was sonst in einer Behauptung von Geschmack oder Qualität wegdiskutiert wird. Ein Raum, der sich diesem Problem widmet, indem er sein Programm daran orientiert und dafür sorgt, dass mehr Filme von Frauen gesehen werden und ins öffentliche Bewusstsein treten.
Ein Festival ist für Filmemacher:innen auch die Möglichkeit einen Preis zu gewinnen, Geld, das in neue Projekte gesteckt werden kann. Im Debüt-Spielfilmwettbewerb ist der Preis mit 10.000 Euro dotiert. Teilnehmer in dieser Kategorie und Eröffnungsfilm zugleich ist der Film “Ellbogen” von Aslı Özarslan, der auf der Berlinale Premiere feierte. Der Film zeigt das Porträt einer jungen Deutsch-Türkin aus Berlin-Neukölln, die sich eine Zukunft wünscht, doch überall auf Ablehnung stößt. Die Frustration über die Suche nach einem Platz in der Welt kippt in einem Moment großer Wut in folgenschwere Gewalt. Eine komplexe Figur, über die die Folgen von Rassismus und Sexismus bis ans Äußerste entlarvt werden.
Neben dem Debütfilmwettbewerb gibt es den weltweit einzigartigen nationalenNachwuchs-Wettbewerb für Cinematographinnen. Wir erinnern uns an die Liste der 18 Nominierten für den Deutschen Kamerapreis, auf der keine einzige Frau vertreten war – nur das Plakat schmückte sich mit einer weiblich gelesenen Person. Aus 449 Filmen konnte die Jury keine Kamerafrau finden, die einen Preis verdient hätte, die nach den Worten des Kommissionsleiters Marcus H. Rosenmüller mit „Wahrhaftigkeit und Handwerk“ herausstach. Hier sehen wir den Zynismus, der in Diskriminierung steckt.
Die Liste ging viral und einige Kameramänner solidarisierten sich öffentlich mit ihren Kolleginnen. Mehr geschah nicht. Der Preis wird am 24. Mai in Köln verliehen.
Insofern ist auch der Preis des IFFF ein Leuchtturm in Deutschland. Nominiert sind Caroline Spreitzenbart (“Life is not a Competition but i am winning”), Greta Isabella Conte (“Die feige Schönheit”) und Jana Bauch (“Was brennt”).
Ein weiterer Nachwuchspreis ist der von der Kunsthochschule für Medien gestiftete Shootfür die herausragende künstlerische Leistung einer Absolventin. Denn so gleichberechtigt es an Hochschulen noch zugehen mag, die oben genannten Zahlen zeigen ein anderes Bild und viele berichten nach ihrem Abschluss von Schwierigkeiten.
In diesem Jahr geht der mit 1.000 Euro dotierte Preis an Laura Engelhardt und ihren Film “Mascha”.
Weil diese ganze Problemlage auch immer mal wieder zu Frustration führt, hat das IFFF dielange Filmnacht der wütenden Frauengegründet: „Filmemacher*innen wie Protagonist*innen verhandeln unterschiedliche Facetten von Wut, die als befreiendes Gefühl in lustvolle und energetische Strategien der Selbstermächtigung übergeht.“ Die Filmnacht vereint Kurzfilme aus der Filmgeschichte, die sich der Rage und dem Horror widmen. Filmemacher*innen und Künstler*innen wie Cecelia Condit, Alison Mclean, ELA EIS oder Ursula Pürrer, die in den 1980er-Jahren anarchisch-feministische und queere Kurzfilme in Low-Fi Ästhetik drehten, stehen neben der Rot Grrrls Bewegung der 90er-Jahre, aktivistischem Widerstand in der DDR und iranischen Vampirfilmen.
Das Programm findet am 19. April um 20:15 Uhr im Filmforum statt.
Neben den Filmen gibt es natürlich auch eine Party, und zwar ebenfalls am Freitag im King Georg mit Unterstützung des Mimosa Kollektivs, vielleicht um die Wut kurz wieder weg zu tanzen, zumindest fürs Wochenende. Am Montag geht die Arbeit dann ja weiter.
Das IFFF findet vom 16. – 21. April in Filmhaus, Filmforum, Odeon, Filmpalast sowie in Dortmund in der Schauburg statt.
Am 16. April beginnt in Köln und Dortmund das Internationale Frauenfilmfest. Grund genug, um mal wieder laut darüber nachzudenken, welchen Sinn ein derart genderspezifisches Festival heute noch hat, wohl wissend, dass der Name selbst ein binäres System de facto voraussetzt, das die dort gezeigten Filme so jedoch nicht vertreten. Das Festival, das es unter diesem Namen seit 2006 gibt, hat sich in einem Mission Statement dem intersektionalen und queeren Feminismus verschrieben, was sich auch in der Auswahl der Filme widerspiegelt. Alternative Erzählmodelle statt Heldenepos, queere Filme – formal wie inhaltlich – ausschließlich Filme von Regisseurinnen. Das Profil des Festivals erscheint wie ein Gegenprogramm zu dem, was kürzlich mal wieder öffentlich wurde.
Die lang ersehnte Studie
Die erste Studie von FFA und Fraunhofer Institut zum Zusammenhang von Gender und Film kam 2017 heraus. Lange hatte Pro Quote Regie (heute Pro Quote Film) repräsentative Zahlen gefordert. Lange wurde dieses Problem wegignoriert. Allein dass es sie dann gab, gilt als Fortschritt. Denn für üblich werden Missstände nicht anerkannt, solange es keine verlässlichen Zahlen gibt, weil Gelder oder Interesse an bestimmten Stellen fehlen.
Ein kurzer Überblick der damaligen Ergebnisse: in Deutschland werden 72% der Kinofilme von Regisseuren, 23 Prozent von Regisseurinnen und 5 Prozent von gemischten Teams inszeniert. Drehbücher werden zu 60 Prozent von Autoren, 23 Prozent von Autorinnen und 16 Prozent von gemischten Teams verfasst. Der Gender Pay Gap betrug damals und auch heute noch in manchen Gewerken bis zu 73%.
Die Studie der MaLisa Stiftung untersuchte zwischen 2017 und 2020 erneut die Sachlage. Weiterhin stammen 58% der Drehbücher von Männern und 24% von Frauen. Regie führten in diesem Zeitraum laut Statistik 25% Frauen. In dieser Studie wurde erstmals darauf hingewiesen, dass non-binäre Personen und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten so gut wie nicht identifiziert werden konnten, weshalb sich die Ergebnisse nur in Männer und Frauen aufteilen. Hier fehlt es also grundsätzlich noch an Forschung.
Jetzt wurde eine weitere Studie bei der Berlinale veröffentlicht. Ginge die Entwicklung im jetzigen Tempo weiter, würde Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland im Jahr 2041 erreicht sein. Manche denken jetzt, ist doch super, gar nicht mehr so lange. Verglichen mit Ländern wie Kanada stimmt das. Dort würde erst 2215 Gerechtigkeit herrschen. Aber Vergleiche dieser Art hinken bekanntlich.
Vergessen wird nämlich dabei meistens, dass Entwicklung nur stattfindet, wenn Arbeit reingesteckt wird. Diese Arbeit wird meist von Frauen* geleistet. Nicht selten unterdurchschnittlich bezahlt oder ehrenamtlich. Dazu kommt, dass an deutschen Filmhochschulen 40% Frauen* in Schlüsselpositionen ausgebildet werden, die dann nicht in ihrem Bereich arbeiten. Bei Männern ist es ironischerweise andersherum. Es arbeiten sehr viel mehr von ihnen als ausgebildet werden.
Es sind also weiterhin strukturelle Probleme, blinde Flecken, mangelndes Bewusstsein, Faulheit, etc. die verhindern, dass Positionen und Ressourcen gerechter verteilt werden.
Zuversicht und Wut
Zurück also zum Frauenfilmfest. Wahrscheinlich hat sich die Anfangsfrage nun von allein beantwortet. Ein Festival, das ausschließlich Filme einer unterrepräsentierten Gruppe zeigt, macht sichtbar, was sonst in einer Behauptung von Geschmack oder Qualität wegdiskutiert wird. Ein Raum, der sich diesem Problem widmet, indem er sein Programm daran orientiert und dafür sorgt, dass mehr Filme von Frauen gesehen werden und ins öffentliche Bewusstsein treten.
Ein Festival ist für Filmemacher:innen auch die Möglichkeit einen Preis zu gewinnen, Geld, das in neue Projekte gesteckt werden kann. Im Debüt-Spielfilmwettbewerb ist der Preis mit 10.000 Euro dotiert. Teilnehmer in dieser Kategorie und Eröffnungsfilm zugleich ist der Film “Ellbogen” von Aslı Özarslan, der auf der Berlinale Premiere feierte. Der Film zeigt das Porträt einer jungen Deutsch-Türkin aus Berlin-Neukölln, die sich eine Zukunft wünscht, doch überall auf Ablehnung stößt. Die Frustration über die Suche nach einem Platz in der Welt kippt in einem Moment großer Wut in folgenschwere Gewalt. Eine komplexe Figur, über die die Folgen von Rassismus und Sexismus bis ans Äußerste entlarvt werden.
Neben dem Debütfilmwettbewerb gibt es den weltweit einzigartigen nationalen Nachwuchs-Wettbewerb für Cinematographinnen. Wir erinnern uns an die Liste der 18 Nominierten für den Deutschen Kamerapreis, auf der keine einzige Frau vertreten war – nur das Plakat schmückte sich mit einer weiblich gelesenen Person. Aus 449 Filmen konnte die Jury keine Kamerafrau finden, die einen Preis verdient hätte, die nach den Worten des Kommissionsleiters Marcus H. Rosenmüller mit „Wahrhaftigkeit und Handwerk“ herausstach. Hier sehen wir den Zynismus, der in Diskriminierung steckt.
Die Liste ging viral und einige Kameramänner solidarisierten sich öffentlich mit ihren Kolleginnen. Mehr geschah nicht. Der Preis wird am 24. Mai in Köln verliehen.
Insofern ist auch der Preis des IFFF ein Leuchtturm in Deutschland. Nominiert sind Caroline Spreitzenbart (“Life is not a Competition but i am winning”), Greta Isabella Conte (“Die feige Schönheit”) und Jana Bauch (“Was brennt”).
Ein weiterer Nachwuchspreis ist der von der Kunsthochschule für Medien gestiftete Shoot für die herausragende künstlerische Leistung einer Absolventin. Denn so gleichberechtigt es an Hochschulen noch zugehen mag, die oben genannten Zahlen zeigen ein anderes Bild und viele berichten nach ihrem Abschluss von Schwierigkeiten.
In diesem Jahr geht der mit 1.000 Euro dotierte Preis an Laura Engelhardt und ihren Film “Mascha”.
Weil diese ganze Problemlage auch immer mal wieder zu Frustration führt, hat das IFFF die lange Filmnacht der wütenden Frauen gegründet: „Filmemacher*innen wie Protagonist*innen verhandeln unterschiedliche Facetten von Wut, die als befreiendes Gefühl in lustvolle und energetische Strategien der Selbstermächtigung übergeht.“ Die Filmnacht vereint Kurzfilme aus der Filmgeschichte, die sich der Rage und dem Horror widmen. Filmemacher*innen und Künstler*innen wie Cecelia Condit, Alison Mclean, ELA EIS oder Ursula Pürrer, die in den 1980er-Jahren anarchisch-feministische und queere Kurzfilme in Low-Fi Ästhetik drehten, stehen neben der Rot Grrrls Bewegung der 90er-Jahre, aktivistischem Widerstand in der DDR und iranischen Vampirfilmen.
Das Programm findet am 19. April um 20:15 Uhr im Filmforum statt.
Neben den Filmen gibt es natürlich auch eine Party, und zwar ebenfalls am Freitag im King Georg mit Unterstützung des Mimosa Kollektivs, vielleicht um die Wut kurz wieder weg zu tanzen, zumindest fürs Wochenende. Am Montag geht die Arbeit dann ja weiter.
Das IFFF findet vom 16. – 21. April in Filmhaus, Filmforum, Odeon, Filmpalast sowie in Dortmund in der Schauburg statt.
Das ganze Programm findet ihr hier.
Von Sandra Riedmair
Titelbild: Filmstill aus “Life Is Not a Competition But I’m Winning” © Schuldenberg-Films