Filmszene Aktuell

„In der Grauzone“: Radiofeature zum Fall Film Festival Cologne

Ein Jahr nach den Vorwürfen gegen die Leiterin des Film Festival Cologne, Martina Richter, deuten Recherchen des Deutschlandfunks auf anhaltende Missstände hin. Während die Festivalförderer keine Unregelmäßigkeiten feststellen wollen, zeichnet das heute erschienene DLF-Feature ein anderes Bild: Ehemalige Teammitglieder berichten von Machtmissbrauch, emotionaler Manipulation und intransparenten Strukturen. Auch intern soll es weiterhin gravierende Probleme im Umgang mit Beschäftigten geben, so der DLF. Kurz vor Beginn der 35. Festivalausgabe herrsche in Kölns Filmbranche wie auch im letzten Jahr vor allem eines: auffällige Stille.

Von Frank Olbert.


Schweren Vorwürfen sah sich Martina Richter im vergangenen Jahr ausgesetzt, als frühere Mitarbeitende der Leiterin des Film Festivals Cologne (FFCGN) mit zwei offenen Briefen an die Öffentlichkeit gingen. Richter schaffe durch Misstrauen und Anfeindungen eine „toxische Arbeitsatmosphäre“, so lautete der eine Teil der Vorwürfe.

Der andere Teil betraf ihren Umgang mit Fördergeldern, die dem Festival von der Stadt Köln, dem Land NRW und der Film- und Medienstiftung in einer Gesamthöhe von mehr als einer Million Euro gezahlt werden. Hier handele die Leiterin „intransparent“, hieß es seitens ehemaliger und aktueller Mitglieder des Festivalteams. Die Förderer erklärten, sie nähmen die Vorwürfe ernst und würden diese eingehend prüfen, Richter selbst wies alle Anschuldigungen zurück.

Was ist, zwölf Monate danach, und kurz vor der 35. Ausgabe des Festivals vom 9. bis zum 16. Oktober 2025, von den Erschütterungen geblieben? Es herrsche eine „auffällige Stille“, stellt Jule Hoffmann fest, Autorin des Features „In der Grauzone. Machtmissbrauch im Kulturbetrieb“, das der Deutschlandfunk am 7. Oktober ausstrahlte. Die aufwendige Reportage entstand in monatelanger Recherche und lässt viele ehemalige Mitarbeiter:innen sowie Vertreter aus der Kölner Festivalbranche zu Wort kommen:

Ein Begriff, der im Feature immer wieder fällt, ist Gaslighting. Dieser bezeichnet eine Form der emotionalen Manipulation, welche die Betroffenen an ihren eigenen Wahrnehmungen, sogar an ihren intellektuellen Kapazitäten zweifeln lässt, und dies noch lange über die Situation hinaus. In der Teamarbeit beim FFCGN sei es dazu nicht zuletzt deshalb gekommen, weil Martina Richter schriftliche Fixierungen etwa von Anweisungen systematisch vermieden habe.

Es habe ein launischer, hoch emotionaler Umgangston hinter den Kulissen des Festivals geherrscht, heißt es. Eine ehemalige Mitarbeiterin spricht von „Zuckerbrot und Peitsche“, und auch ein langjähriger Mitarbeiter, der sieben Jahre für das FFCGN tätig war, teilt die Zeit in konjunkturelle Phasen ein, die teils von Zuneigung geprägt gewesen seien, und „teils toxisch“.

Unter dem Eindruck der Offenen Briefe kündigte das Kurzfilmfestival Köln (KFFK) im vergangenen Jahr die Zusammenarbeit mit dem FFCGN auf. Der Leiter des KFFK, Johannes Duncker, der auch Mitglied von Kinoaktiv ist, begründet dies in der Sendung mit einer Gewissensentscheidung. Machtmissbrauch durch Machtkonzentration will auch die Leiterin des Frauen Film Fest Dortmund+Köln, Christina Essenberger, vermeiden, indem Aufgaben auf verschiedene Schultern verteilt würden. Nur so könnten sichere Räume geschaffen werden, in denen sich alle Mitarbeitenden geschützt fühlten, sagt die auch im Vorstand von Kinoaktiv tätige Festivalmacherin.

Hoffmanns Sendung nennt eine Reihe weiterer Kritikpunkte, die sie zum Teil als symptomatisch für den Kulturbetrieb insgesamt beschreibt, darunter das prekäre Arbeitsverhältnis auf Honorarbasis, die Verwaltung der Fördergelder sowie die mögliche Manipulation der Besucherzahlen. So seien laut des Radiofeatures beim FFCGN im Jahr 2024 18.000 Tickets verkauft, die Besucherzahlen im Abschlussbericht aber mit 30.000 angegeben worden. Nach der Addition der Sitzplätze in allen Festivalkinos kommt Hoffmann allerdings nur auf 22.000 mögliche Besucher:innen. Auf Anfrage erklärt die Stadt Köln, die Besucherzahlen seien für die Förderung eines Festivals nicht erheblich.

Was die Klagen über das vergiftete Betriebsklima betrifft, so erklärt Martina Richter selbst, man habe gemeinsam beschlossen, „einen Awareness-Prozess zu starten und einen Code of Conduct zu entwickeln“. Das Ganze werde seit dem Frühjahr 2025 von dem Start-up Diversity Culture Köln begleitet und sei keineswegs als eine Bestätigung der Anschuldigungen zu bewerten. Nach Angaben des Deutschlandfunk in Kooperation mit dem Netzwerk Kulturrecherche liegt der Fokus allerdings nicht auf den in den Offenen Briefen geäußerten Kritikpunkten, sondern auf Awareness-Maßnahmen zum Schutz der Besucher:innen während des Festivals.

Die Förderer beim Land NRW, der Film- und Medienstiftung NRW und der Stadt Köln wollen derweil keine Unregelmäßigkeiten im Umgang mit den Finanzmitteln erkennen, es gebe keinen „neuen Sachstand“, wie die Stadt jüngst mitteilte. In der Filmbranche selbst herrscht, wie vor einem Jahr, weitgehend Schweigen.

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Titelbild: Werner Busch

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