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Wo sind nur die weiblichen Vorbilder heute? „Die Dohnal“ im Kino

Bild: Internationales Frauenfilmfestival

Am Mittwochabend fand die erste Veranstaltung des Frauenfilmfestivals gemeinsam mit der ifs, im Rahmen des Programms „ifs-Begegnungen“ Gender & Diversity“, nach der Absage im März, statt. 68 Plätze durften im Filmforum besetzt werden, im Foyer standen einige, die sich noch über die Warteliste einen Platz sichern wollten. Unter ihnen auch der Stargast des Abends, Alice Schwarzer, die selbst in Sabine Derflingers Film über Johanna Dohnal zu Wort kommt. Jetzt wurde der Film auf der Diagonale als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.

Johanna Dohnal. Nie gehört. Tief will man in den Sessel versinken nach diesem Film. Wie kann das sein? Eine Pionierin des Feminisimus, Staatssekretärin, Ministerin, Wegbereiterin für Frauenrechte in Österreich, die angetreten war, um die Machtverhältnisse grundlegend zu verändern und handfeste Ergebnisse erzielt hat. Die muss man doch kennen. Doch selbst den jungen österreichischen Frauen, die im Film auftreten, war der Name Johanna Dohnal lange unbekannt.

Die Geschichte des Feminismus abzubilden wäre Aufgabe der Geschichtsbücher. Dass diese auch eine bestimmte, ja oft männliche Perspektive einnehmen, darum geht es auch im anschließenden Gespräch auf der Bühne mit Sabine Derflinger, Alice Schwarzer und Maxa Zoller. Die spezifische Situation von Frauen in der Gesellschaft benennen, sie freilegen, das macht der Film und darauf verweist Schwarzer, wenn sie im Gespräch die Casa Tönnies anspricht, wo jede*r dritte Arbeiter*in eine Frau sei und von denen viele unter sexuellen Übergriffen litten. Das sei in der Öffentlichkeit jedoch nicht bekannt.

Dass Derflinger hier ein wichtiges Dokument Zeitgeschichte präsentiert, muss nicht erwähnt werden. Und doch hat dieser Film nichts Archivarisches – im Gegenteil. Die Fragen, die den Film und Johanna Dohnal umtreiben, sind oftmals identisch mit gegenwärtigen Debatten. Da geht es um die Frage, warum Mädchen seltener technische oder handwerkliche Berufe erlernen als Jungen. Es geht um Gewalt an Frauen, um Frauenquoten und Gehaltsscheren. Es geht um selbstbestimmte Mutterschaft, um Möglichkeiten für Frauen auf dem freien Markt nicht nur männliche Rollenbilder annehmen zu müssen, wenn sie Karriere machen wollen, sondern auch darum, das Verständnis von Arbeit für Männer und Frauen gleichermaßen zu verändern. Sogar die 30 Stunden Woche, die es beiden Elternteilen ermöglichen würde sich sowohl um die eigene ökonomische Absicherung zu kümmern als auch um die gemeinsamen Kinder, steht auf der Agenda.

„Die Frauenfrage ist keine Frauenfrage, sie ist eine gesellschaftliche Frage“, war Johanna Dohnals Leitsatz. Nicht nur für Frauen sollte sich etwas verändern, sondern auch für Männer.

Blickt man sich im Raum um, muss man nicht lange zählen, um das geschlechtliche Publikumsverhältnis zu ermitteln. Unter 68 Besucher*innen sind fünf Männer. Das Image des Feminismus als eine Frauenangelegenheit hält sich leider bis heute stabil. Doch dieser Film verrät noch mehr über Damals und Heute.

Viele der Aufnahmen stammen aus dem Archiv des ORF. Legendäre Runden in der Talkshow Club 2, in denen man den nüchternen und klugen, manchmal gar verletzlichen Argumenten einer Politikerin lauschen darf – ja sich freuen darf, weil da eine einfach gerade raus sagt, was getan werden muss – so wie man es heute nirgendwo mehr hören kann. Warum gibt es Figuren wie Johanna Dohnal heute nicht mehr, fragt Maxa Zoller ins Publikum. Langes Schweigen, irgendwie weiß man die Antwort, irgendwie auch wieder nicht. Unangenehm ist es allemal. Doch dann eine Meldung. Zu komplex sei die Welt heute, zu viele Informationen würden an uns vorbeirauschen. Einen weiteren Grund vermutet Sabine Derflinger in der Veränderung der Räume, in denen frei gesprochen werden darf. Die Sendungen in den 80er Jahren seien viel offensiver gewesen. Ja, das hat man gerade gesehen und etwas wehmütig geseufzt über so viel Nähe und so wenig PR-Strategie in der politischen Kommunikation.

Über Jahre hat Sabine Derflinger Material gesammelt, Interviews mit Wegbegleiter*innen und heutigen Aktivistinnen geführt. Herausgekommen ist fast ein dokumentarischer Krimi über eine beeindruckende und inspirierende Frau im Politbetrieb der Achtziger Jahre, der man gerne noch etwas länger zugesehen hätte. Der politische Abgang vor dem Ende ihres Mandats eröffnet das Spannungsfeld, das dann nach und nach aufgedröselt wird. Was bleibt ist die Frage, wer sich heute noch ein so umfangreiches Projekt eines gesellschaftlichen Umbaus zutrauen würde. Wäre es überhaupt möglich? Begeistert und berührt ist man allemal, von den vielen Momenten, in denen Johanna Dohnal wissend schweigt, wenn ein Gegenüber sie belehren will, um ihm dann mit wenigen Sätzen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wenn sie jede Einordnung in eine klischierte Rolle abwehrt und schlicht einen neuen Maßstab in der Kommunikation setzt. Wenn sie sich mit Frauen aus dem ganzen Land zusammen setzt und fragt, was die Probleme sind. Und wie sie immer wieder betont, dass sie „lästig“ bleiben wird.

Ob sie gedacht hätte, dass der Film so erfolgreich werden würde, fragt Alice Schwarzer Sabine Derflinger am Ende. „Ja, eigentlich schon“, entgegnet Derflinger selbstbewusst.“ Da müssen alle lachen und gleichzeitig fragt man sich, was daran so lustig ist. Dass er jetzt die Diagonale gewinnen würde, das hätte sie jedoch nicht gedacht. Aber sie fühle eine tiefe Genugtuung gegenüber all den Produzenten (wohl männlichen), denen der Film jetzt „entgegenbläst“. Wieder wird gelacht, diesmal befreiter. Man kann schließlich nur hoffen, dass viele, Frauen und Männer, ihn noch sehen werden. In Deutschland kommt er jedenfalls im Herbst in die Kinos.

Was sie als nächstes machen wird, will Maxa Zoller von Sabine Derflinger dann noch wissen. Und im Klang der Stimme deutet die Frage bereits an, das die Antwort einschlagen wird. „Einen Film über die Alice“, sagt sie grinsend und Alice Schwarzer grinst ebenfalls. Wir sind gespannt.

Das ganze Gespräch kann man übrigens auf Facebook nachsehen.

Veranstalter*innen..