Spannung, Spanner und Split-Screens – der Filmclub 813 zeigt in der Reihe „Peeping De Palma“ eine Auswahl aus Brian De Palmas Werk
“De Palma deserves more honor as a director. Consider these titles: Sisters, Blow Out, The Fury, Dressed to Kill, Carrie, Scarface, Wise Guys, Casualties of War, Carlito’s Way, Mission: Impossible. Yes, there are a few failures along the way (Snake Eyes, Mission to Mars, The Bonfire of the Vanities), but look at the range here, and reflect that these movies contain treasure for those who admire the craft as well as the story, who sense the glee with which De Palma manipulates images and characters for the simple joy of being good at it. It’s not just that he sometimes works in the style of Hitchcock, but that he has the nerve to.”
– Roger Ebert
Der Regisseur und Drehbuchautor Brian De Palma, der dieses Jahr 77 Jahre alt wird, hat den größten Teil seiner Karriere Kritiker und Zuschauer polarisiert. Er gehört zu der Gruppe der so genannten „Movie Brats“ – Filmemacher, die ihr Handwerk in den sechziger Jahren erlernt haben und ihre größten Erfolge in den siebziger und achtziger Jahren feierten –
war aber immer eine Art Außenseiter und verkannter Underdog seiner Generation. Zuschauer und Kritiker liebten Lucas’ Abenteurer, Scorceses Verlierertypen, Spielbergs Kinder und Coppolas Familien, während De Palmas Filme mit ihrer Mischung aus Suspense, Gewalt und Erotik kontroverse Reaktionen hervorriefen. In „Dressed to Kill“ zermetzelt ein transsexueller Serienmörder mit einer Rasierklinge seine weiblichen Opfer und in „Body Double“ wird eine junge Frau mit einem riesigen Bohrer umgebracht. Die „Psycho“-Hommage „Dressed to Kill“ war zwar ein Kritikererfolg, aber feministische Gruppen wie „Women Against Pornography“ haben gegen den Film protestiert.
De Palma wurde nicht nur vorgeworfen, ein Gewalt fetischisierender Frauenhasser zu sein, sondern auch ein uninspirierter Hitchcock-Nachahmer. Der Einfluss von Hitchcock auf De Palma ist auf der visuellen Ebene seiner Filme klar zu erkennen und auch in Bezug auf Themen und wiederkehrende Motive gibt es deutliche Überschneidungen: Schuld, Verdacht, Voyeurismus, sexualisierte Gewalt und Repression.
Eine große Verfechterin und Verehrerin De Palmas Werks – New Yorker-Kritikerin Pauline Kael – war der Meinung, dass er nicht imitiert sondern erhöhte Versionen seines Vorbilds Hitchcock schafft und darüber hinaus jeden Film dazu nutzt, sein eigenes Handwerk zu verfeinern und sich formal und inhaltlich weiterzuentwickeln. Der Einsatz offensichtlicher Zitate, wie die legendäre Kinderwagen-rollt-Treppe-herunter-Szene aus Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ in De Palmas Gangsterdrama „The Untouchables“ ist ein repräsentatives Beispiel von De Palmas schamloser Verwendung prominenter filmischer Versatzstücke. De Palma war immer eine Art Remixer, der sich seine Vorlagen aneignete und mit gestalterischer Innovation zu etwas Neuen machte. Was die großzügige Verwendung von Split-Screens als narratives Mittel betrifft, war De Palma Pionier, und er ist bekannt für seine ungewöhnlich langen Steadycamshots und technischen Tricksereien.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass der ehemalige Physikstudent und Science-Nerd mit einer Liebe zu Hitchcock, ein Tüftel-Filmemacher mit einer Vorliebe für voyeuristische Killer mit Frauenopfern geworden ist. Die Tatsache, dass er als Kind seinem Chirurgen-Vater bei blutigen OPs zusehen durfte und seine Mutter ihn als Jugendlichen beauftragte, um den eigenen Vater mit seiner Affaire zu beschatten, hatte vermutlich auch einen Einfluss auf seine zukünftigen Sujets. Was bestimmt unter anderem dazu geführt hat, dass De Palma viel weniger uneingeschränkt positive Beachtung erhalten hat als seine anderen New-Hollywood-Kollegen, ist wohl, dass es besonders in Bezug auf Genre immer schwer war, ihn klar einzuordnen: Er schuf Horrorkultklassiker wie „Carrie“ und Psychothriller wie „Blow Out“, ist verantwortlich für drei essentielle Gangsterfilme – „Scarface“, „The Untouchables“ und „Carlito’s Way“ – und landete einen Kassenhit mit dem Popcornkino-Schlager „Mission Impossible“. Auch Komödien sind Teil von De Palmas vielfältigen Oeuvre – zu Beginn seiner Karriere drehte er die satirischen Komödien „Greetings“ und „Hi Mom!“, beide mit dem für De Palma typischen Voyeur-Motiv in Kombination mit dem Thema politische Gegenkultur.
Auffällig wenig Anerkennung erhält De Palma neben seinen Filmen auch für die Tatsache, dass er ein paar der bekanntesten Schauspieler der Gegenwart entdeckt und ihnen den Durchbruch ermöglicht hat – Robert DeNiro ist einer von ihnen, John Travolta hatte vor seiner Nebenrolle in „Carrie“ nur TV-Rollen und Sissy Spacek, die darin die Hauptrolle spielte, war davor relativ unbekannt. Al Pacino war vor „Scarface“ zwar schon ein etablierter Star und Sean Connery vor „The Untouchables“ lange als James Bond berühmt, aber beiden verhalf er zu einem Comeback und der Gelegenheit, sich künstlerisch neu zu erfinden.
Dass Brian De Palma ein oft unterschätzter und missverstandener Filmemacher ist, liegt in erster Linie wahrscheinlich am Eklektizismus seines Werks. Es ist jedoch gerade De Palmas eigensinniger, das Medium zelebrierende und nicht eindeutig zu kategorisierende Genre-Mix, der den besonderen Reiz des Ausnahmeregisseurs ausmacht.
Der Filmclub 813 zeigt im März, April und Mai eine Auswahl von Brian De Palmas Filmen und ermöglicht einen Überblick über die beeindruckende Bandbreite seines Schaffens.
März 2017:
Do., 09.03., 20:00 Uhr: „Hi, Mom!“ (OF)
Do., 23.03., 20 Uhr: „Sisters“ (OF)
Sa., 25.03., 20 Uhr: „Carrie“ (OF)
April 2017:
Do., 14.04., 20 Uhr: „Dressed to Kill“ (OF)
Sa., 22.04., 20 Uhr: „Blow Out“ (OF)
Sa, 29.04., 20 Uhr: „Der Tod kommt zweimal“ (DF)
Mai 2017:
Sa., 06.05., 20 Uhr: „The Untouchables“ (DF)
Mi., 17.05., 20 Uhr: „Raising Cain“ (OF)
Sa, 27.05., 20 Uhr: „Carlito’s Way“ (DF)
Nähere Infos auf filmclub-813.de
Foto: Still aus „Carrie“ © Metro-Goldwyn-Mayer
Spannung, Spanner und Split-Screens – der Filmclub 813 zeigt in der Reihe „Peeping De Palma“ eine Auswahl aus Brian De Palmas Werk
“De Palma deserves more honor as a director. Consider these titles: Sisters, Blow Out, The Fury, Dressed to Kill, Carrie, Scarface, Wise Guys, Casualties of War, Carlito’s Way, Mission: Impossible. Yes, there are a few failures along the way (Snake Eyes, Mission to Mars, The Bonfire of the Vanities), but look at the range here, and reflect that these movies contain treasure for those who admire the craft as well as the story, who sense the glee with which De Palma manipulates images and characters for the simple joy of being good at it. It’s not just that he sometimes works in the style of Hitchcock, but that he has the nerve to.”
– Roger Ebert
Der Regisseur und Drehbuchautor Brian De Palma, der dieses Jahr 77 Jahre alt wird, hat den größten Teil seiner Karriere Kritiker und Zuschauer polarisiert. Er gehört zu der Gruppe der so genannten „Movie Brats“ – Filmemacher, die ihr Handwerk in den sechziger Jahren erlernt haben und ihre größten Erfolge in den siebziger und achtziger Jahren feierten –
war aber immer eine Art Außenseiter und verkannter Underdog seiner Generation. Zuschauer und Kritiker liebten Lucas’ Abenteurer, Scorceses Verlierertypen, Spielbergs Kinder und Coppolas Familien, während De Palmas Filme mit ihrer Mischung aus Suspense, Gewalt und Erotik kontroverse Reaktionen hervorriefen. In „Dressed to Kill“ zermetzelt ein transsexueller Serienmörder mit einer Rasierklinge seine weiblichen Opfer und in „Body Double“ wird eine junge Frau mit einem riesigen Bohrer umgebracht. Die „Psycho“-Hommage „Dressed to Kill“ war zwar ein Kritikererfolg, aber feministische Gruppen wie „Women Against Pornography“ haben gegen den Film protestiert.
De Palma wurde nicht nur vorgeworfen, ein Gewalt fetischisierender Frauenhasser zu sein, sondern auch ein uninspirierter Hitchcock-Nachahmer. Der Einfluss von Hitchcock auf De Palma ist auf der visuellen Ebene seiner Filme klar zu erkennen und auch in Bezug auf Themen und wiederkehrende Motive gibt es deutliche Überschneidungen: Schuld, Verdacht, Voyeurismus, sexualisierte Gewalt und Repression.
Eine große Verfechterin und Verehrerin De Palmas Werks – New Yorker-Kritikerin Pauline Kael – war der Meinung, dass er nicht imitiert sondern erhöhte Versionen seines Vorbilds Hitchcock schafft und darüber hinaus jeden Film dazu nutzt, sein eigenes Handwerk zu verfeinern und sich formal und inhaltlich weiterzuentwickeln. Der Einsatz offensichtlicher Zitate, wie die legendäre Kinderwagen-rollt-Treppe-herunter-Szene aus Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ in De Palmas Gangsterdrama „The Untouchables“ ist ein repräsentatives Beispiel von De Palmas schamloser Verwendung prominenter filmischer Versatzstücke. De Palma war immer eine Art Remixer, der sich seine Vorlagen aneignete und mit gestalterischer Innovation zu etwas Neuen machte. Was die großzügige Verwendung von Split-Screens als narratives Mittel betrifft, war De Palma Pionier, und er ist bekannt für seine ungewöhnlich langen Steadycamshots und technischen Tricksereien.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass der ehemalige Physikstudent und Science-Nerd mit einer Liebe zu Hitchcock, ein Tüftel-Filmemacher mit einer Vorliebe für voyeuristische Killer mit Frauenopfern geworden ist. Die Tatsache, dass er als Kind seinem Chirurgen-Vater bei blutigen OPs zusehen durfte und seine Mutter ihn als Jugendlichen beauftragte, um den eigenen Vater mit seiner Affaire zu beschatten, hatte vermutlich auch einen Einfluss auf seine zukünftigen Sujets. Was bestimmt unter anderem dazu geführt hat, dass De Palma viel weniger uneingeschränkt positive Beachtung erhalten hat als seine anderen New-Hollywood-Kollegen, ist wohl, dass es besonders in Bezug auf Genre immer schwer war, ihn klar einzuordnen: Er schuf Horrorkultklassiker wie „Carrie“ und Psychothriller wie „Blow Out“, ist verantwortlich für drei essentielle Gangsterfilme – „Scarface“, „The Untouchables“ und „Carlito’s Way“ – und landete einen Kassenhit mit dem Popcornkino-Schlager „Mission Impossible“. Auch Komödien sind Teil von De Palmas vielfältigen Oeuvre – zu Beginn seiner Karriere drehte er die satirischen Komödien „Greetings“ und „Hi Mom!“, beide mit dem für De Palma typischen Voyeur-Motiv in Kombination mit dem Thema politische Gegenkultur.
Auffällig wenig Anerkennung erhält De Palma neben seinen Filmen auch für die Tatsache, dass er ein paar der bekanntesten Schauspieler der Gegenwart entdeckt und ihnen den Durchbruch ermöglicht hat – Robert DeNiro ist einer von ihnen, John Travolta hatte vor seiner Nebenrolle in „Carrie“ nur TV-Rollen und Sissy Spacek, die darin die Hauptrolle spielte, war davor relativ unbekannt. Al Pacino war vor „Scarface“ zwar schon ein etablierter Star und Sean Connery vor „The Untouchables“ lange als James Bond berühmt, aber beiden verhalf er zu einem Comeback und der Gelegenheit, sich künstlerisch neu zu erfinden.
Dass Brian De Palma ein oft unterschätzter und missverstandener Filmemacher ist, liegt in erster Linie wahrscheinlich am Eklektizismus seines Werks. Es ist jedoch gerade De Palmas eigensinniger, das Medium zelebrierende und nicht eindeutig zu kategorisierende Genre-Mix, der den besonderen Reiz des Ausnahmeregisseurs ausmacht.
Der Filmclub 813 zeigt im März, April und Mai eine Auswahl von Brian De Palmas Filmen und ermöglicht einen Überblick über die beeindruckende Bandbreite seines Schaffens.
März 2017:
Do., 09.03., 20:00 Uhr: „Hi, Mom!“ (OF)
Do., 23.03., 20 Uhr: „Sisters“ (OF)
Sa., 25.03., 20 Uhr: „Carrie“ (OF)
April 2017:
Do., 14.04., 20 Uhr: „Dressed to Kill“ (OF)
Sa., 22.04., 20 Uhr: „Blow Out“ (OF)
Sa, 29.04., 20 Uhr: „Der Tod kommt zweimal“ (DF)
Mai 2017:
Sa., 06.05., 20 Uhr: „The Untouchables“ (DF)
Mi., 17.05., 20 Uhr: „Raising Cain“ (OF)
Sa, 27.05., 20 Uhr: „Carlito’s Way“ (DF)
Nähere Infos auf filmclub-813.de
Foto: Still aus „Carrie“ © Metro-Goldwyn-Mayer