Wie reagiert ein Verleih, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, künstlerisch wertvollen Filmen eine Chance zu geben, in den deutschen Kinos gesehen zu werden, darauf, wenn die Kinos geschlossen werden? Grandfilm startete im März ein Video on Demand Programm seines Katalogs. Dabei geht die Hälfte der Einnahmen an die Kinos, die ansonsten Filme des Verleihs spielen, in Köln etwa die Filmpalette und die Lichtspiele Kalk.
In dem Programm von Grandfilm finden sich Filme u.a. von Lav Diaz, Hong Sang-Soo oder Pedro Costa. 2019 erhielt der Verleih den Innovationspreis der deutschen Filmkritik.
Filmszene Köln sprach mit Tobias Lindemann von Grandfilm über VoD-Angebote in der Krise und die Zukunft des Verleihgeschäfts.
Johannes Duncker: Was war eure Situation als ihr erfahren habt, dass eine Kinoauswertung eurer Filme auf nicht absehbare Zeit erst einmal nicht möglich sein würde?
Tobias Lindemann: Akut waren bei uns vier Filmstarts im April und Mai betroffen, die wir erstmal verschieben mussten und nun peu à peu nachholen werden. Der viel wichtigere Gedanke war für uns aber: wie überstehen die Kinos – und insbesondere die engagierten, kleineren Kinos – die Krise? Deswegen haben wir innerhalb von drei Tagen unser Streamingangebot Grandfilm On Demand ins Leben gerufen.
Wie kamt ihr dann zu der TVOD Auswertung der Filme? Was war euer Konzept dabei?
VoD hatten wir schon länger geplant, aber im laufenden Verleihgeschäft auf die lange Bank geschoben. Als die Kinoschließungen bekanntgegeben wurden, haben wir das als guten Weg gesehen, die Krisenphase zu überstehen und uns solidarisch mit den Kinos zu zeigen. Was für uns von vornherein nicht in Frage kam war die Verlegung von geplanten Kinostarts ins Netz und daran haben wir auch festgehalten.
Es gab ja auch ein verstärktes Streamingangebot in den letzten Wochen. Wie schafft man es in einem solchen Angebot wahrgenommen zu werden?
Bei uns hat der kinosolidarische Ansatz viele Leute aktiviert, unser Angebot zu nutzen. Es wird ja immer eine künstliche Konkurrenz zwischen VoD und Kinos aufgebaut, dabei streamen natürlich viele enthusiastische Kinogänger*innen zu Hause auch Filme. Bei uns können sie ihr Stammkino unterstützen, das hat vielen gefallen und irgendwie in der deprimierenden Phase der allgemeinen Kontaktbeschränkungen ein Hoffnungszeichen gesetzt. Zudem haben wir natürlich ein qualitativ hochwertiges Programm mit vielen Festivalpreisträgern, die für das Publikum attraktiv sind.
Habt ihr Befürchtungen, dass durch den Wegfall des Vertriebsweges über die Kinos in den letzten Wochen neue Fakten geschaffen wurden, dass sich andere Vertriebswege etablieren? Glaubt ihr, diese Krise beherbergt auch die Chance auf eine dauerhafte positive Veränderung für das Medium Film?
Tiefgreifende Veränderungen sind für unseren Bereich, also für das cinephile Kino, im Moment nicht absehbar. Bezeichnend ist natürlich, dass einige große Verleiher ihre aktuellen Filme ohne große Rücksprache ins VoD übernommen haben. Es gab unter Kinobetreiber*innen Unmut, dass “Die Känguru-Chroniken” nach der kurzen Laufzeit im Kino als VoD ausgewertet wurden. Angeblich gab es dazu auch eine Absprache mit den Kinoverbänden. Die Kinos hätten aber wohl lieber von der Wiederaufnahme des Films nach der Corona-Pause profitiert. Ansonsten waren wir etwas verblüfft, dass viele andere Verleiher sich mit ähnlichen kinosolidarischen Aktionen wie unserer zurückgehalten haben. Bei uns waren die Kinos jedenfalls sehr dankbar und haben uns für die solidarische Aktion mit unseren Repertoire-Filmen durchgehend positives Feedback gegeben.
In der Zukunft wird sich zeigen, welche Verleiher tatsächlich an der ausschließlichen Auswertung im Kino interessiert sind und welche da zweigleisig fahren werden. Wenn Disney sein neues Angebot Disney+ für Parallelstarts im Netz nutzt, könnte das auch den Bereich Filmkunst/Arthouse betreffen, da nach der Übernahme von Twentieth Century Fox auch Filme wie z. B. der neue Wes Anderson über Disney verliehen werden. Aber im Moment kann man darüber nur spekulieren.
Für uns gehört ein Film in erster Linie ins Kino, daran halten wir fest und würden uns auch wünschen, dass das in der Branche erkannt und gewürdigt wird. Wir würden uns außerdem wünschen, dass die Kinoverbände bei größeren Verleihern in punkto VoD-Auswertungen ähnlich kritisch sind wie bei Kleinverleihern, auf denen bei diversen Themen gerne rumgehackt wird. Die Kinoverbände sind wichtige Lobbyisten, es wäre schön, wenn sie nicht mit zweierlei Maß messen würden.
Wie seht ihr die Zukunft des Kinos und wo seht ihr darin eure Rolle als Filmverleih?
Wir bringen Filme ins Kino, die die große Leinwand brauchen und verdient haben. Für unsere Filme wird es immer ein Publikum im Kino geben, Menschen, die die Filmkunst zu schätzen wissen und für die der Ort Kino und die Filmkultur eng zusammengehören. In Deutschland, wo die Filmbildung keinen besonders großen Stellenwert genießt und Kino meist als reine Vergnügungsveranstaltung angesehen wird, auch von der Politik, hat der cinephile Film leider keine starke Lobby, anders als z. B. als in Frankreich oder Großbritannien. Es könnte sein, dass dieser Umstand gerade für die Multiplexe und großen Arthouse-Kinos zu einer brenzligen Situation führen könnte, wenn Blockbuster und Komödien parallel online ausgewertet werden. Die Filmkunst ist das Rückgrat des Kinos, die kleinen Kinos werden sobald der Betrieb wieder normal laufen kann noch lange existieren – nun müssen sie aber erstmal die Corona-Krise überstehen.
Wie reagiert ein Verleih, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, künstlerisch wertvollen Filmen eine Chance zu geben, in den deutschen Kinos gesehen zu werden, darauf, wenn die Kinos geschlossen werden? Grandfilm startete im März ein Video on Demand Programm seines Katalogs. Dabei geht die Hälfte der Einnahmen an die Kinos, die ansonsten Filme des Verleihs spielen, in Köln etwa die Filmpalette und die Lichtspiele Kalk.
In dem Programm von Grandfilm finden sich Filme u.a. von Lav Diaz, Hong Sang-Soo oder Pedro Costa. 2019 erhielt der Verleih den Innovationspreis der deutschen Filmkritik.
Filmszene Köln sprach mit Tobias Lindemann von Grandfilm über VoD-Angebote in der Krise und die Zukunft des Verleihgeschäfts.
Johannes Duncker: Was war eure Situation als ihr erfahren habt, dass eine Kinoauswertung eurer Filme auf nicht absehbare Zeit erst einmal nicht möglich sein würde?
Tobias Lindemann: Akut waren bei uns vier Filmstarts im April und Mai betroffen, die wir erstmal verschieben mussten und nun peu à peu nachholen werden. Der viel wichtigere Gedanke war für uns aber: wie überstehen die Kinos – und insbesondere die engagierten, kleineren Kinos – die Krise? Deswegen haben wir innerhalb von drei Tagen unser Streamingangebot Grandfilm On Demand ins Leben gerufen.
Wie kamt ihr dann zu der TVOD Auswertung der Filme? Was war euer Konzept dabei?
VoD hatten wir schon länger geplant, aber im laufenden Verleihgeschäft auf die lange Bank geschoben. Als die Kinoschließungen bekanntgegeben wurden, haben wir das als guten Weg gesehen, die Krisenphase zu überstehen und uns solidarisch mit den Kinos zu zeigen. Was für uns von vornherein nicht in Frage kam war die Verlegung von geplanten Kinostarts ins Netz und daran haben wir auch festgehalten.
Es gab ja auch ein verstärktes Streamingangebot in den letzten Wochen. Wie schafft man es in einem solchen Angebot wahrgenommen zu werden?
Bei uns hat der kinosolidarische Ansatz viele Leute aktiviert, unser Angebot zu nutzen. Es wird ja immer eine künstliche Konkurrenz zwischen VoD und Kinos aufgebaut, dabei streamen natürlich viele enthusiastische Kinogänger*innen zu Hause auch Filme. Bei uns können sie ihr Stammkino unterstützen, das hat vielen gefallen und irgendwie in der deprimierenden Phase der allgemeinen Kontaktbeschränkungen ein Hoffnungszeichen gesetzt. Zudem haben wir natürlich ein qualitativ hochwertiges Programm mit vielen Festivalpreisträgern, die für das Publikum attraktiv sind.
Habt ihr Befürchtungen, dass durch den Wegfall des Vertriebsweges über die Kinos in den letzten Wochen neue Fakten geschaffen wurden, dass sich andere Vertriebswege etablieren? Glaubt ihr, diese Krise beherbergt auch die Chance auf eine dauerhafte positive Veränderung für das Medium Film?
Tiefgreifende Veränderungen sind für unseren Bereich, also für das cinephile Kino, im Moment nicht absehbar. Bezeichnend ist natürlich, dass einige große Verleiher ihre aktuellen Filme ohne große Rücksprache ins VoD übernommen haben. Es gab unter Kinobetreiber*innen Unmut, dass “Die Känguru-Chroniken” nach der kurzen Laufzeit im Kino als VoD ausgewertet wurden. Angeblich gab es dazu auch eine Absprache mit den Kinoverbänden. Die Kinos hätten aber wohl lieber von der Wiederaufnahme des Films nach der Corona-Pause profitiert. Ansonsten waren wir etwas verblüfft, dass viele andere Verleiher sich mit ähnlichen kinosolidarischen Aktionen wie unserer zurückgehalten haben. Bei uns waren die Kinos jedenfalls sehr dankbar und haben uns für die solidarische Aktion mit unseren Repertoire-Filmen durchgehend positives Feedback gegeben.
In der Zukunft wird sich zeigen, welche Verleiher tatsächlich an der ausschließlichen Auswertung im Kino interessiert sind und welche da zweigleisig fahren werden. Wenn Disney sein neues Angebot Disney+ für Parallelstarts im Netz nutzt, könnte das auch den Bereich Filmkunst/Arthouse betreffen, da nach der Übernahme von Twentieth Century Fox auch Filme wie z. B. der neue Wes Anderson über Disney verliehen werden. Aber im Moment kann man darüber nur spekulieren.
Für uns gehört ein Film in erster Linie ins Kino, daran halten wir fest und würden uns auch wünschen, dass das in der Branche erkannt und gewürdigt wird. Wir würden uns außerdem wünschen, dass die Kinoverbände bei größeren Verleihern in punkto VoD-Auswertungen ähnlich kritisch sind wie bei Kleinverleihern, auf denen bei diversen Themen gerne rumgehackt wird. Die Kinoverbände sind wichtige Lobbyisten, es wäre schön, wenn sie nicht mit zweierlei Maß messen würden.
Wie seht ihr die Zukunft des Kinos und wo seht ihr darin eure Rolle als Filmverleih?
Wir bringen Filme ins Kino, die die große Leinwand brauchen und verdient haben. Für unsere Filme wird es immer ein Publikum im Kino geben, Menschen, die die Filmkunst zu schätzen wissen und für die der Ort Kino und die Filmkultur eng zusammengehören. In Deutschland, wo die Filmbildung keinen besonders großen Stellenwert genießt und Kino meist als reine Vergnügungsveranstaltung angesehen wird, auch von der Politik, hat der cinephile Film leider keine starke Lobby, anders als z. B. als in Frankreich oder Großbritannien. Es könnte sein, dass dieser Umstand gerade für die Multiplexe und großen Arthouse-Kinos zu einer brenzligen Situation führen könnte, wenn Blockbuster und Komödien parallel online ausgewertet werden. Die Filmkunst ist das Rückgrat des Kinos, die kleinen Kinos werden sobald der Betrieb wieder normal laufen kann noch lange existieren – nun müssen sie aber erstmal die Corona-Krise überstehen.