Festival Filmszene Aktuell

Premiere für die Kurdischen Filmtage Köln

Ein neues Filmfestival feiert an diesem Wochenende seine Premiere in Köln: Die Kurdischen Filmtage bringen drei Tage lang herausragendes Kino auf die Leinwand des Filmhauses am Hansaring, regen zu Diskussionen und Vernetzung an. Die Idee für ein kurdisches Filmfestival gab es bei den Macher:innen bereits seit mehreren Jahren. Ende des vergangenen Jahres fand sich eine Gruppe zusammen, die nun binnen weniger Monate das ambitionierte Ziel eines Filmfestivals umsetzen konnte. Autor Werner Busch sprach mit dem Kollektiv, um mehr über kurdisches Kino und das Festival zu erfahren.

Wo entsteht kurdisches Kino heute?
Das kurdische Kino entsteht zum größten Teil in Kurdistan. Genauer gesagt in der autonomen Region Kurdistan. Die Sicherheit der autonomen Region erlaubt es den Kulturschaffenden vor Ort ihrer Leidenschaft, ohne Angst vor Repressalien, nachzugehen. Im Gegensatz zu den anderen Regionen, den besetzten Siedlungsgebieten der Kurden in der Türkei, Syrien und dem Iran. Hinzukommt, dass die autonome Region Kurdistan aufgrund von Bodenschätzen eine sehr wohlhabende Region ist und Fördergelder für Kultur gerne bereitgestellt werden. Außerdem produzieren und drehen Filmschaffende aus der Diaspora vermehrt ihre Filme in der autonomen Region Kurdistan, weil dort Schauspieler mit allen kurdischen Dialekten vertreten sind, und die Sicherheitslage es zulässt. Nichts destotrotz werden Filme auch in der Diaspora gedreht. Die Zahl der Veröffentlichungen mehren sich und werden immer häufiger auf Festivals gezeigt.

Das Team hinter den Kurdischen Filmtagen Köln ist eine Gruppe von Studierenden und Berufstätigen mit und ohne kurdische Wurzeln. Nach der erfolgreichen Premiere sollen die Filmtage fortan jährlich stattfinden. Foto: KFT

Wie kann man sich die aktuellen Produktionsbedingungen vorstellen?
Die Bedingungen, unter denen die Filme entstehen, unterscheiden sich je nach Region. Es so gut wie keine Probleme bei der Produktion in der autonomen Region Kurdistans. In Rojava, dem von Syrien besetzten Teil Kurdistans, war es nie möglich, kurdische Filme zu drehen. Inmitten des Krieges in Syrien gründete sich dort die Filmkommune Rojava. Die Filmkommune hat den Anspruch, die Realität der Menschen vor Ort zu erzählen und produziert mit geringen Mitteln Filme inmitten des Krieges. In Bakur, den von der Türkei besetzten Teil Kurdistans, und Rohjilat, dem vom Iran besetzten Teil, ist das Produzieren von Filmen möglich, aber unter verschärften Bedingungen. Die Produktion dort wird erschwert, Genehmigungen entzogen oder verteuert, Drehorte gestört, Schikane von Behörden, Kameratechnik zerstört usw. usf.

Lässt sich das aktuelle kurdische Kino formal mit inhaltlichen Schwerpunkten beschreiben?
Das kurdische Kino lässt sich nicht skizzieren oder in eine Box packen. Das kurdische Kino ist sehr vielfältig. Es erzählt unweigerlich von den Lebensbedingungen der Kurd*innen und übt als Identifikations- und Reflektionsraum eine wichtige Funktion für das Selbstverständnis des Kurdischen hat. Unser Fokus „Voices of Diaspora“ liegt auf der Erfassung und Erzählung individueller Lebensbedingungen von kurdischstämmigen Menschen aus den verschiedenen (Sprach-)Regionen. Insbesondere blicken wir hier auf die Aushandlung von sexuellen, geschlechtlichen und kulturellen Identitäten.

Drei Generationen kurdischer Frauen. Szenenbild aus dem Eröffnungsfilm KÖY von Serpil Turhan.

Wird das kurdisches Kino in irgendeiner Weise in Zahlen erfasst, also beispielsweise, wie viele Filme kurdischer Sprache im vergangenen Jahr entstanden sind?

Wie viele Filme im letzten Jahr entstanden sind lässt sich nicht sagen. Auch, weil Kurden überall auf der Welt verstreut sind und wir über einige Diasporen kaum etwas wissen. Über die kurdische Community in Japan zum Beispiel wissen wir so gut wie nichts. Über sie hätten wir auch nichts erfahren, hätten wir nicht zufällig eine kurze Doku über geflüchtete Kurden in Japan entdeckt. Deshalb gibt es keine genaue Zahl. Wir wissen nur, dass es immer mehr und mehr kurdische Filme gibt.

KÖY ist der Eröffnungsfilm des Festivals, der bei der renommierten Duisburger Filmwoche seine Weltpremiere feierte. Was erwartet die Zuschauer:innen in diesem Film, warum dürfen sie ihn auf keinen Fall verpassen?
Die Regisseurin Serpil Turhan begleitete die drei Protagonistinnen über mehrere Jahre hinweg. Das Ergebnis ist ein Porträt über die Lebensrealität und Emotionswelt von drei kurdischen Frauen aus unterschiedlichen Generationen. Ein Porträt, in welches sich der Zuschauer ohne Probleme hineinversetzen kann und die Zerrissenheit der Protagonistinnen nachempfinden kann. Ein Porträt in welchem sichtbar wird, welche Welten und Realitäten sich in den verschiedenen Generationen abspielen und aufeinanderprallen. Welche Realitäten und Konflikte sich vor den Augen der Mehrheitsgesellschaft abspielen. In diesem Porträt, in diesem Dokumentarfilm, kann sich jede kurdische Person wiederfinden. Das gilt ebenso für jeden Menschen, der vor Krieg und Verfolgung fliehen musste und in der Diaspora versucht, sich selbst und seinen Platz zu finden.

Filmemacher Yüksel Yavuz, Foto: Kurdische Filmtage Köln

Was werden die Themen bei der Masterclass mit Yüksel Yavuz sein?
Die Masterclass befasst sich in Anlehnung an das filmische Werk des deutsch-kurdischen Regisseurs Yüksel Yavuz mit der deutschen Produktionslandschaft für Filmemacherinnen in der kurdischen Diaspora. Insbesondere gilt die Veranstaltung jungen kurdischen Filmemacherinnen, um so den Einstieg in die deutsche Filmlandschaft, den gesonderten Hürden in Stoffentwicklung, Finanzierung und Produktion zu vermitteln. Wie hat sich die Filmlandschaft in Deutschland in den letzten 25 Jahren verändert im Bezug auf kurdisches Kino in der Diaspora? Welche Sonderstellung nehmen kurdische Filme in der deutschen Filmkultur ein? In dieser Masterclass wird Yüksel Yavuz sein umfangreiches Fachwissen aus über 25 Jahren in der deutschen Filmindustrie weitergeben. Er gibt anhand der Ausschnitte einiger seiner Filme einen Überblick über Phasen der Produktion und wie man sich von Drehbuch zur Leinwand bewegt.

Das Programm der kurdischen Filmtage Köln 2022:

? 22.04 19:00 Eröffnungsfilm: Köy, Serpil Turhan, 2021, Deutschland, in Anwesenheit der Regisseurin
? 23.04 15:00 Kurzfilmreihe, OmeU und OmdU
17:30 Masterclass „Filmemachen“ mit Yüksel Yavuz im Gespräch mit Kani Marouf
20:00 The Exam, Shawkat Amin Korki, KRG-Irak, 2021, OmdU, 89minuten
? 24.04 15:00 Holy Bread, Rahim Zabihi, 2020, Iran, 54minuten OmeU
16:00 Abschlussfilm: The Many Lives of Kojin, Diako Yazdan, Frankreich, 88minuten, OmeU, in Anwesenheit von Kojin

www.kurdischefilmtage.de
www.instagram.com/kurdischefilmtage/
www.facebook.com/kurdischefilmtagekoln/


?Filmhaus Kino, Maybachstraße 111, 50670 Köln

Interview: Werner Busch

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